Fährt man mit dem Zug am rechten Zürichseeufer entlang, fällt einem in Uerikon ein aussergewöhnliches Gebäude auf: ein Mehrfamilienhaus, das von oben bis unten komplett mit Tonziegeln verkleidet ist. Das eigenständige Projekt an der Ritterhausstrasse stammt aus der Feder der Grande Dame der Architektur Tilla Theus. Mit ihrem Team realisierte die Architektin zwischen 2020 und 2021 ein Haus mit klarer, reduzierter Architektursprache, das sich bei aller Eigenständigkeit doch aufs Schönste in die Umgebung einpasst. Die Bebauungen der Umgebung, die locker um die Wegkreuzung Alte Landstrasse und Gerbereiweg angeordnet sind, bilden hier einen kleinen Weiler mit Obstbaumwiesen.
Gefordert war ein Konzept, das Rücksicht auf die Bauten des historischen Weilers und die gewerblichen Gebäude am Gerbereiweg in Uerikon nehmen sollte. Da das Grundstück in der Kernzone liegt, beauftragten die damaligen Besitzer dieses Grundstückes das Zürcher Büro, einen privaten Gestaltungsplan zu erarbeiten. «In der Folge kam es wegen Einsprachen zu langen Verzögerungen, die bis vor die kantonale Natur- und Heimatschutz-Kommission führten, die unser Projekt jedoch gutgeheissen hat», sagt Tilla Theus. Aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters wollten die Eigentümer nicht mehr selbst bauen, und so wurde das Grundstück schliesslich an die AXA Leben AG verkauft.
Die seinerzeitig angrenzenden Bauten der Wohnzone entsprachen in ihrer Körnung und Massstäblichkeit den Bauten der Kernzone. «Im Laufe der Jahre erfolgte ein quantitativer Massstabssprung», sagt Tilla Theus. «Es galt, eine vermittelnde Bebauung dazwischen zu entwickeln.»
Das Resultat überzeugt: Durch die Lage am Dorfrand, die Positionierung, die zurückhaltende Höhe und vor allem die gewählte Architektursprache führt der Neubau die bestehende Textur des Weilers fort. Die Materialisierung des Daches und der Fassade nimmt die Beschaffenheit der umliegenden Dächer auf. Die Anordnung der Lochfassade ist in verschiedene, gut proportionierte Teilbereiche gegliedert. Durch den Zusammenbau ergibt sich eine weite mäanderartige Grundrissfläche, die mittels geneigter Schrägdächer eine Grossform definiert – scheinbar zufällig, gleichzeitig selbstverständlich. Mit dieser Selbstverständlichkeit gliedert sich der Baukörper in das Ortsbild ein. Er zollt den historischen Gebäuden Respekt und führt die bestehende Textur des Weilers in kreativer Sprache fort. Die Geschichte bleibt ablesbar.
Exklusives Interview mit Tilla Theus zum Neubau in Uerikon
Unter diesem Link finden Sie das Interview mit der Grande Dame der Schweizer Architektur Tilla Theus.
«Im Laufe der Jahre erfolgte ein quantitativer Massstabssprung. Es galt, eine vermittelnde Bebauung dazwischen zu entwickeln.»