Wohnen im Minihaus

Wohnen, reduziert

Tiny Houses versprechen reduzierten Wohnraum und einfachen Lebensstil. Auch in der Schweiz haben diese Minihäuser schon ein paar wenige Liebhaber.

Tiny Houses unterscheiden sich von herkömmlichen Wohnhäusern in Platzbedarf und Ausstattung. Sie sind flexibel aufstellbar und zählen mit einer Gesamtwohnfläche von unter 50 m2 zu den Kleinwohnformen. Die ursprünglich aus den USA stammende Bauweise hat bereits in Skandinavien und Deutschland Liebhaber gefunden. In der Schweiz sind die Minihäuser hingegen noch eine Ausnahmeerscheinung.

Umbau zum Tiny House

Kevin Rechsteiner baute sich ein Tiny House, um seinen Wohnflächenbedarf zu verringern: «Meine alte Wohnung wurde mir zu gross, doch eine kleinere war im Vergleich ähnlich teuer. Deshalb wollte ich meinen Wohnraumbedarf reduzieren, idealerweise ohne auf Grundlegendes zu verzichten.» Er gestaltete einen alten Zirkuswagen mit einem Architekten zum mobilen Wohnhaus um und parkiert ihn auf dem Land eines Bauernhofs in Buchberg (SH). «Die Planung für das Tiny House begann 2015, bezogen habe ich es im Frühling 2017. Nach der Abmeldung meiner ursprünglichen Wohnung 2016 habe ich übergangsweise in einem VW-Bus gelebt. Die vorhandene Struktur des Zirkuswagens hat den Umbau merklich erleichtert», erklärt Rechsteiner. Zum Wohnen stehen ihm 20 m2 zur Verfügung, von denen er 4 m2 als Bad mit offener Dusche, Brünneli und Waschmaschine nutzt. Auch Küche, Bett und Holzofen befinden sich darin. Als Trinkwasser nutzt Rechsteiner aufbereitetes Regenwasser. Das Grauwasser wird in einem Tank gesammelt und über die Kanalisation entsorgt.

Den derzeitigen Stromverbrauch von 2 kWh pro Tag deckt eine PV-Anlage. «Sie erzeugt 1,3 kW pro Stunde. Bei sechs bis sieben Sonnenstunden am Tag und optimalem Ertrag sind rund 9 kWh täglich möglich», berechnet Rechsteiner.

Minihaus im Designer-Gewand

Architekt Patrik Uihlein plant temporäres Wohnen in Anlehnung an klassische Gartenhäuschen. «Mit dem Wooden Tent sollen Naturnähe und Komfort in Einklang gebracht werden», erklärt er. Nutzbar sind die Minihäuser als Gästezimmer, Arbeitsraum oder private Rückzugsgelegenheit. Somit bilden sie vielmehr eine Ergänzung zum eigenen Wohnhaus. Das Wooden Tent besteht aus 42 mm Vollholz und einer 30 mm starken Steinwolldämmung, womit ein Wärmedämmwert von 0,80 W ⁄ m2K erreicht wird. «Das entspricht zwar nicht heutigen Wohnbaustandards, doch ein Übernachten in der kalten Jahreszeit ist prinzipiell möglich», schildert Uihlein. Die Innenverkleidungen bestehen ebenfalls aus Holz. Ein Fundament ist für den Aufbau des Minihauses nicht notwendig.

Tageslicht dringt über ein grossflächiges Panoramafenster in die Innenräume, das zudem den Blick auf den Aussenraum erlaubt. Installierte Lampen, komplette Verkabelung, Steckdosen und ein Lüftungsgerät gehören zur Grundausstattung. Geheizt wird mit einer Elektro-Infra-rotheizung. Je nach Nutzung kann das Minihaus frei möbliert und um eine Einbauküche oder ein WC erweitert werden.

Keine rechtlichen Grundlagen

Trotz hoher Flexibilität sind Tiny Houses in der Schweiz noch eine Randerscheinung, offizielle Zahlen gibt es nicht. Kevin Rechsteiner fehlt es an Richtlinien: «Die Umsetzung ist nicht einfach, wenn keine rechtlichen Grundlagen bestehen. Es wäre schön, wenn man für diese Wohnform beispielsweise Standorte bereitstellen könnte.»

Ehemaliges Areal als Standort

Darum ist man auch in Liestal bemüht. Die Gewerbezone des ehemaligen Burri-Mangold-Areals wird zu Wohn- und Gewerbezwecken umgenutzt. Auf Initiative von Arealentwickler Hans-Jörg Fankhauser sollen dabei auch 100 Tiny Houses entstehen. Bei einer Grösse von 40 m2 sollen die Häuser für rund 200 000 Franken auch zum Kauf angeboten werden. Nach ersten Gesprächen mit der Stadt Liestal hat es noch keinen Entscheid über das Projekt gegeben.

Von Morris Breunig, dipl. Architekt FH, Faktor Journalisten, Zürich

Kleinwohnformen

Der Verein Kleinwohnformen informiert über verschiedene Wohnformen und ist darüber hinaus bemüht, rechtliche Grundlagen für Minihäuser in der Schweiz zu erarbeiten. Erreichbar unter: kleinwohnformen.ch

Archipure

Die Minihäuser von Patrik Uihlein sind zu finden unter: archipure.com

Projekt Tiny House

Weitere Infos über das Projekt Tiny House von Kevin Rechsteiner: kevinrechsteiner.com