Zwei Häuser, eine Treppe

Umbau in Näfels: In zwei denkmalgeschützten Häusern entstehen Wohnungen mit Cachet

Zwei nebeneinanderliegende denkmalgeschützte Wohnhäuser in Näfels bieten nach sorgfältigem Umbau altersgerechte Wohnungen mit historischem Cachet. Eine klassisch gestaltete Holztreppe verbindet die beiden Häuser und erschliesst zusammen mit einem Lift alle Wohnungen.

von Michael Meuter

Verantwortlicher Information von Lignum

Lange Zeit galten sie den Näfelserinnen und Näfelsern als Schandfleck: die beiden Häuser «Beuge» und «Hauser» im Ortskern, die von aussen recht unansehnlich wirkten. Als die Genossenschaft Alterswohnungen GAW Linth die beiden Immobilien 2013 erwarb, um altersgerechten Wohnraum für die lokale Bevölkerung zu schaffen, waren sich alle einig: Die alten Häuser sollten einem Neubau weichen.

Doch dann kam die dicke Überraschung: Eine baugeschichtliche Analyse mit Holzaltersbestimmung ergab, dass sich in der einen wie in der anderen grauen Maus ein Juwel verbarg. Die Häuser gehen nämlich auf zwei Wohntürme von 1415 zurück, die zu guten Teilen noch immer in ihrem Kern stecken. Ursprünglich standen sie frei; später wurden sie von Patrizierfamilien Schritt um Schritt umbaut und erhöht, bis sie, zu repräsentativen Wohnsitzen vergrössert, ab der Barockzeit nahtlos aneinandergrenzten.

Ab dem 19. Jahrhundert wandelten sich die beiden Bauten schrittweise zu Mehrfamilienhäusern; im Erdgeschoss kamen Ladenlokale dazu. Tief im Innern schlummerte die hochherrschaftliche historische Bausubstanz unter vielfachen Zu- und Einbauten weiter. Die barocke Fassade des Hauses «Beuge» wurde in den fünfziger Jahren achtlos heruntergeschlagen und zweckmässig verputzt – was dafür sorgte, dass die Leute gründlich vergassen, was unter dem unscheinbaren Äusseren steckte.

Respektvoll für heutige Bedürfnisse erneuern statt abreissen

Mit der baugeschichtlichen Analyse war klar: Ein Abriss kommt nicht infrage. Und ebenso klar war, dass es ausserordentliche Umsicht erfordern würde, die historische Bausubstanz neu zu beleben. 2018 wurde der Churer Architekt Volker Marterer dafür mit einer Konzeptstudie betraut. Er hatte in den Jahren zuvor beim Umbau des geschützten Zwickyhauses in Mollis, eines Wohnbaus aus dem 17. Jahrhundert, ein Händchen für den Umgang mit historischer Bausubstanz bewiesen. Die Restauration führte das Innere in die Zeit um das Baujahr 1621 zurück und schuf zugleich zeitgemässen Wohnkomfort. Die mustergültige Arbeit hatte die Bauherrin GAW vermuten lassen, dass Marterers Büro, die DOM GmbH in Glarus, auch das anspruchsvolle Umbauprojekt in Näfels meistern würde.

Marterer schlug vor, die Qualität der historischen Substanz herauszuschälen und angemessen weiterzubauen, um den Fortbestand der geschützten Strukturen zu sichern und zugleich heutigen Anforderungen gerecht zu werden. Dafür sollten die Baukörper von den Annexbauten aus dem 19. und 20. Jahrhundert befreit werden. Im Inneren sollten die aus dieser Zeit stammenden Schichten weichen, um die darunterliegenden älteren Elemente wieder hervortreten zu lassen. Am Ende sollten auch die Fassaden wieder das Aussehen erhalten, das sie in ihrer Glanzzeit zeigten. Das fand bei der Bauherrschaft Anklang: Die DOM GmbH erhielt den Zuschlag; die Arbeiten zur Erneuerung des Ensembles konnten 2019 starten. Sie dauerten bis 2023.

Wohnen, Gaumenfreuden geniessen und Ferien machen im Baukulturgut

In den beiden Häusern sind mit dem sorgfältigen Umbau zwölf weitestgehend barrierefreie Alterswohnungen mit zeitgemässen Küchen und Bädern sowie einer kleinen gemeinsamen Gästewohnung für alle Parteien im Dachgeschoss entstanden. Die Wohnungen zeigen allesamt wunderbares historisches Cachet, sei es in Form edler Parkettböden, barocker Deckenverkleidungen, gotischer Bohlendecken oder fein gearbeiteter Halbsteinsäulen – und sie verfügen über zumeist imposante Raumhöhen.

Moderne Schallschutzverglasungen sorgen dafür, dass man die schönen Räume entspannt geniessen kann: Sie halten strassenseitig den Lärm des Durchgangsverkehrs auf Abstand. Auf der dem Verkehr abgewandten Seite locken private Aussenbereiche in Form luftiger Balkone.

Doch es gibt in den erneuerten Häusern auch noch Platz für mehr: Das von der Bäckerei Conditorei Märchy betriebene «Kafi Beuge» mit Direktverkauf im Erdgeschoss des «Beuge»-Hauses macht die wertvollen gotischen Stuben wie auch den einen der Wohntürme von 1415 jetzt auch der Allgemeinheit zugänglich. Ausserdem gibt es im «Hauser»-Haus eine Ferienwohnung zu mieten (siehe rechts aussen).

Gemeinsame Holztreppe als neues Herz des Hauses

Zentrales Element der Sanierung ist eine neue vertikale Erschliessung: ein gemeinsames Treppenhaus für beide Häuser mit diskret dahinter versteckter Liftanlage. Die Erschliessung ist in der «Beuge»-Raumschicht entstanden, mit der um 1684 die letzte Lücke zwischen den beiden Bauten verschwand. Dass dafür ein Teil der historischen Bausub-stanz geopfert werden musste, war unausweichlich: Es fehlte schlicht an Land für eine äussere Erschliessung.

Die Denkmalpflege schrieb vor, für die Treppe alte Gestaltungselemente zu übernehmen. Darum zeigt die grosszügige neue Eichenstiege, die sich auf einem ovalen Grundriss vom Erd- bis ins Dachgeschoss emporwindet, mit ihren nach historischem Vorbild gedrechselten Staketen eine durchaus klassische Erscheinung. Das Holz ist farblos geölt, so dass es seine Haptik behält. In den wandseitigen Handlauf ist auf der gesamten Unterseite eine LED-Lichtspur mit Zeitschaltuhr eingebaut.

«Es ist eine Treppe, die den Leuten gefällt, die hier wohnen – sie benutzen sie sehr gern, fast öfter als den Lift», sagt Marterer. Auch die Gäste, die im Café einkehren, werfen gern einen Blick ins Treppenhaus, bestaunen das Holz-Kunstwerk von unten oder gehen probeweise gleich einmal eine Etage hoch, um sich einen besseren Eindruck zu verschaffen. Bei Kindern könnten es auch locker mehrere Etagen sein, schmunzelt Marterer.

Durchgängig digitale Fertigung – und doch viel Handarbeit

Gefertigt und aufgebaut haben die schöne Treppe die Spezialisten der Ganterschwiler Firma Treppenbau.ch AG. Satte 1450 Stunden Arbeit haben sie in das Projekt gesteckt. Diese eindrückliche Zahl nennt Stefan Rüegg. Der Holztechniker der Fachrichtung Schreinerei / Innenausbau hat die gesamte Planung und Herstellung der Treppe geleitet.

Und die hatte es in sich: Auf der Baustelle gab es keine gerade Linie und keinen rechten Winkel. Deshalb vermassen die Treppenbauer das Volumen, in dem später die Treppe aufgebaut werden sollte, zunächst mit dem 3D-Laserscanner mit allen Krümmungen auf den Millimeter genau.

Anschliessend ging es an das Zeichnen der rund 400 Einzelteile – selbstverständlich ebenfalls in 3D am Computer. Eine besondere Herausforderung lag dabei in der ovalen Grundform der Treppe, die für wechselnde Radien sorgte. Modernste CNC-Technik unterstützte die Herausarbeitung der benötigten Formen aus den aufwendig verleimten Rohlingen, bevor es in viel Handarbeit bis zum fertigen Einzelteil weiterging.

Den Einbau auf der Baustelle bewältigte dann ein Team von zwei, manchmal auch drei Personen innerhalb von nur einer Woche. Die exakte digitale Massaufnahme hatte sich gelohnt: Die Treppe passte wie angegossen in den vollkommen unregelmässigen Raum.

Die Qualität des Werks ist auch der Jury des Wettbewerbs Prix Lignum 2024 in der Region Ost nicht entgangen: Sie verlieh ihm eine Auszeichnung in der Kategorie Schreinerarbeiten. Das freut den Architekten und erfüllt die Treppenbauer mit Stolz und Genugtuung.

Ausspannen im Baudenkmal «Beuge»

Die Stiftung Ferien im Baudenkmal bietet im «Hauser»-Haus in Näfels eine Ferienwohnung für zwei bis drei Personen an, in der sich das herrschaftliche Ambiente des alten Patrizierhauses hautnah erleben lässt. Mehr dazu unter: ferienimbaudenkmal.ch/haus-zur-beuge

 

Die Stiftung setzt sich seit 2005 schweizweit für die sinnvolle Erhaltung von bauhistorisch wertvollen Häusern ein, indem sie Baudenkmäler nach einer sanften Restaurierung als Ferienobjekte wiederbelebt.

Infos

  • Sie stehen auf Holz-Treppen? Ausgewiesene Treppenspezialisten in Ihrer Nähe finden Sie im Internet über die Schreinersuche unter: schreiner.ch
  • Die vom Prix Lignum 2024 ausgezeichneten Holzbauten und Schreinerarbeiten, aber auch sämtliche Eingaben zum Wettbewerb sind unter prixlignum.ch dargestellt.
  • Die technische Beratung der Lignum gibt Montag bis Donnerstag jeweils morgens unter 044 267 47 83 oder hotline@lignum.ch Auskunft zu allen Fragen rund um die Anwendung von Holz. Die Website lignum.ch bietet vielfältige Sachinformationen.