Wohndesign

Teppiche mit Charakter

Gepunktet, gestreift oder mit geometrischen Mustern: Die neuen Teppiche für einen gemütlichen Herbst sind farbenfroh und verspielt und vereinen Tradition mit Innovation.

von Andrea Eschbach

Journalistin, Zürich

Ein Teppich, der von Herkunft erzählt – und von Zukunft träumt: Als Abla Bolassi Owoussi ihren Entwurf für die «Homeworks»-Kollektion (6) zu Papier bringt, denkt sie an die Muster ihrer Kindheit: «Mein Design spiegelt auch meine afrikanischen Einflüsse wider, in denen grafische Muster und visuelle Rhythmen eine zentrale Rolle spielen.» Ihr Teppich, gefertigt aus weicher, getufteter Wolle, ist Teil einer limitierten Edition, die zurzeit bei Micasa erhältlich ist. Mit fünfzehn weiteren Design-Studierenden der renommierten Westschweizer Schule ECAL wurde sie vom Schweizer Möbelhaus eingeladen, Produkte für den Alltag zu gestalten – mit Persönlichkeit und Perspektive. Und genau das bringt ihr Entwurf mit: Die farbenfrohen Teppiche aus getufteter Wolle bringen eine spielerische Note in den Raum. Modular sind sie zudem: Sie können einzeln oder zusammenliegend platziert werden.

Streifen liegen im Trend

Mit seinem auffälligen Streifenmuster liegt der Entwurf zudem ganz im Trend der Zeit. Denn in diesem Jahr dominieren geometrische Muster und klare Linien die Böden. Von minimalistischen Streifen bis hin zu auffälligen geometrischen Formen bringen diese Muster einen modernen Look in jeden Raum. Streifen prägen auch das Dessin von «Souma Stripe» (8). Der Entwurf ist Teil der Kollektion «Frequency», die in Zusammenarbeit von Kvadrat-Creative Director Isa Glink mit Studio Meyers & Fügmann und Studio Greiling entstanden ist. Subtil changierende Oberflächen und raffinierte Texturen prägen diesen Kelim-Teppich. Dezente Streifen verwendet Designerin Calvi Brambilla für den Teppich «Ettaro» (4). Das bei Zanotta erhältliche handgeknüpfte Stück aus Wolle und Baumwolle besticht durch eine Struktur, die ein Gefühl von Tiefe vermittelt.

Streng geometrisch ist der Teppich «Monolith» (5) – ein Entwurf der irischen Gestalterin Eileen Gray. Ganz neu ist daran das Material: Hersteller Classicon präsentierte kürzlich diesen und weitere Stücke der Eileen-Gray-Teppichsammlung in einer weiteren pflanzlichen Variante: aus Nessel. Ganz im Sinne von Eileen Grays Haltung zu innovativen Materialien entstanden die textilen Kunstwerke in Verbindung mit der traditionellen Handwerkskunst des «Tibetischen Knotens» aus wilder nepalesischer Nessel. Das Material erzeugt eine besondere Ästhetik: Leicht changierende Farbeffekte vereinen sich mit einem seidigen Glanz.

Auf den Punkt gebracht

Die gefragte Mailänder Designerin Serena Confalonieri liess sich dagegen in ihrer Kollektion «Chroma» für den Hersteller Radici vom Pointillismus inspirieren. So wie die Künstler dieser Stilrichtung Ende des 19. Jahrhunderts bewiesen, dass die Summe einzelner kleiner Punkte ein ganzheitliches Bild komponieren kann, so interpretieren die Designs «Camo» und «Bora» diesen Ansatz auf spielerische und kreative Weise neu, indem sie Punkte einheitlicher Grösse verwenden, um elegante und raffinierte Muster zu schaffen. Während bei «Camo» (3) weiche, sich überlappende Farbzonen entstehen, zeigt «Bora» (2) ein fliessendes Muster, bei dem sich kleine Punkte ausbreiten und verteilen, als würden sie vom Wind getragen. Punkte schmücken auch die Kollektion «Playing with Tradition», eine Kollaboration des niederländischen Designers Richard Hutten mit der indischen Teppichmanufaktur Jaipur Rugs. Zu den herausragenden Stücken gehören «Confetti 1» (1) und «Confetti 2», für die sich Hutten vom farbenfrohen indischen Holi-Fest anregen liess. Er streute Punkte wie Konfetti über ein traditionelles Teppichmuster aus Blumen und Ranken. So verbinden sich in den Wollteppichen jahrhundertealte Knüpfkunst mit zeitgenössischem Design und einer Prise Humor.

Farbenfroh folkloristisch

Kräftige Töne und verspielte Muster findet man auf dem handgewebten Teppich der «Ommjänge»-Kollektion (7) von Ikea. Ommjänge bedeutet im småländischen Dialekt so viel wie «zusammen sein». Für die neue Kollektion hat sich Designerin Maria Vinka vertieft mit der schwedischen Volkskunst des 19. Jahrhunderts beschäftigt – und dabei viele überraschende Farben und Muster entdeckt. Besonders inspiriert hat sie ein farbenfrohes Brautporträt aus dem Jahr 1846, das voller Details und Ornamente steckt. «Volkskunst ist nicht verstaubt – sie steckt voller Geheimnisse. Dieses Bild wurde zu meiner Leinwand, auf der ich mit Mustern und Farben eine neue Geschichte erzählt habe. Ich wünsche mir, dass die Menschen darin ein Stück unserer Geschichte erkennen und neu entdecken.» Das Resultat ist – in Zusammenarbeit mit der Designerin Matilda Hunyadi – ein Teppich, der Tradition ganz neu interpretiert.

Interview mit Christof Hindermann, Leiter der neu gegründeten Edition H

Das Lebenswerk des Zürcher Gestalterpaares umfasst ikonische Entwürfe aus sechs Jahrzehnten. Die neu gegründete Edition H soll nun unter der Leitung von Christof Hindermann und Tobias Maurer Arbeiten von Trix und Robert Haussmann neu auflegen.

Sie war eines der Highlights der vergangenen Ausgabe der Zurich Design Weeks: die Installation «wieder spiegeln» im Soeder Store im Zürcher Hauptbahnhof. Ein Spiegelkabinett setzte die Trix & Robert Haussmann Collection in Szene. Acht runde Spiegel waren zu einem Kreis gefügt und rahmten den Teppich «Stripes» ein, ein Entwurf von Trix (*1933) und Robert Haussmann (1931–2021) aus dem Jahr 1984. Auf einem Podest gelagert, entfaltete er sein illusionistisches Schwarz-Weiss-Muster, das wie ein gefaltetes Tuch wirkt.

Die Neuauflage des ikonischen Teppichs bildet nur den Auftakt einer Reihe von Objekten, die das Werk des Zürcher Architekten- und Designerpaares in die Gegenwart tragen wollen. Trix Haussmann trat dafür die Lizenz- und Urheberrechte an Christof Hindermann, Designer und Gründer von Bureau Hindermann, und den Szenografen Tobias Maurer ab. Ziel des eigens dafür gegründeten Werkverlags Edition H ist es, das Haussmannsche Oeuvre zu bewahren, es zu katalogisieren und für neue Produktionen und Kollaborationen zu öffnen.

Der Schweizerische Hauseigentümer: Herr Hindermann, woher kommt Ihre Faszination für das Werk der Haussmanns?

Christof Hindermann: Schon mein Vater hat für die Haussmanns gearbeitet. Als Polsterer hat er die berühmten «Kronenhallen»-Barstühle und Polsterbänke von 1965 oder die Sessel für die DB-Lounge von 1995 gepolstert. So war ich schon früh in Kontakt mit den Arbeiten der Haussmanns. Ganz prägend war, dass ich mein erstes Praktikum in ihrem Büro absolviert habe.

Was schätzen Sie an den Arbeiten der Haussmanns besonders?

Ihre Arbeiten spielen mit unserer Wahrnehmung, überraschen und fordern die Sinne heraus. Sie nutzen Trompe-l’oeil-Effekte, setzen auf Experimente, Illusionismus und Augenzwinkern. Die beiden haben als Paar immer auf Augenhöhe gearbeitet. In sechs Jahrzehnten haben sie gemeinsam ein Werk geschaffen, das seinesgleichen sucht. Zudem bestechen die Arbeiten durch handwerkliche Raffinesse und hohe Materialqualität.

Was reizt Sie daran, diese historischen Entwürfe heute neu ins Spiel zu bringen?

Die Entwürfe der Haussmanns sind leider nur einer kleinen Kennerschaft bekannt. In der Schweiz geniessen sie zwar den Ruf von Ikonen, aber international hat ihr Werk noch nicht den Stellenwert, den es verdient. Wir möchten dazu beitragen, ihr Werk in die Breite zu bringen.

Ein riesiger Fundus, so ist anzunehmen?

Trix und ich sassen viel zusammen, um das Werk zu sichten. Klar war, dass wir die Entwürfe nicht nur konservieren, sondern auch der heutigen Zeit anpassen wollten. Eine Gratwanderung.

Wie sah der Auswahlprozess für die ersten Objekte in der Edition H aus?

Gemeinsam suchten wir als Erstes den Teppich «Stripes» und den Teppich «Dégradé» aus, die von den Haussmanns 1990 entworfen wurden. Beim ikonischen «Stripes» mit sei-nem Faltenwurf-Design liessen sich die beiden von einem zart fliessenden, schwarz-weiss gestreiften Seidenchiffonschal inspirieren. Nach einer Recherche bei den Schweizer Teppichmanufakturen schien uns die Teppichmanufaktur Ruckstuhl als eine der ältesten der Schweiz dafür geeignet. Zudem war es so, dass uns diese mit technischen Innovationen und ihrem reichen kulturellen Erbe überzeugen konnten.

Wo haben Sie in der Neuauflage bewusst moderne Akzente gesetzt?

Die Neuauflage schaut ganz generell nicht nur in die Designgeschichte, sondern in die Zukunft. Es ist die erste Teppichkollektion weltweit, deren Oberschicht zu 60 % aus wiedergewonnener Wolle besteht. Diese stammt von nicht mehr getragenen Kleidern, die zu einem Garn verarbeitet wurden. Zudem verfügen die Teppiche über einen digitalen Produktpass.

Wann wird es weitere Entwürfe aus dem Haussmann-Archiv geben?

Wir sind bereits dran. Für den Sternekoch Andreas Caminada möchten wir die Stühle der Zürcher Kronenhallen-Bar neu auflegen. In einer spezifischen Materialisierung und mit einer kleinen Signatur, die Exklusivität verspricht.

Das Interview führte Andrea Eschbach, Journalistin, Zürich