Erreicht der Meerrettich (Armoracia rusticana) seine ausgewachsene Grösse, nimmt er meist viel Platz ein. Doch «Horseradish», wie der «grosse Rettich» im englischen Sprachraum genannt wird, ist mit dem echten Gemüserettich nicht verwandt. Die Pflanze gehört wie Senf, Kresse, Rucola und Knoblauchrauke zu den Kreuzblütlern (Brassicaceae). Ob die deutsche Bezeichnung «Meerrettich» die Herkunft der Wurzel verrät, nämlich «über das Meer gekommen», oder ob der Name die wahre Grösse der Pflanze mit «me(h)r» oder den bevorzugten Standort in der Nähe von Gewässern («mer») kennzeichnet, ist nicht belegt. Die würzige Schärfe der Wurzeln kennt man jedoch bereits seit langer Zeit.
Gute Winterhärte
Meerrettich gilt trotz seines Ursprungs aus Süd- und Osteuropa als besonders winterhart. Die Pflanze hält nämlich Temperaturen bis –40 °C problemlos aus. Diese Fähigkeit ist auf die langen Pfahlwurzeln zurückzuführen. Diese wachsen bis zu 40 cm senkrecht in den Boden, sind walzenförmig und zum Ende hin ästig verzweigt. Die Wurzelrinde ist gelblich-braun, das Fleisch ist weiss und faserig. An einem passenden Standort neigt Meerrettich zum Wuchern. Möchte man die Pflanze in einem kleineren Garten anbauen, ist eine Wurzelsperre empfehlenswert. Werden die Wurzelstangen im Herbst nicht geerntet, erreicht die Pflanze im folgenden Jahr eine stattliche Grösse.
Ernte nach dem ersten Frost
Die Haupterntezeit beginnt im Spätherbst. Bereits ab Oktober kann man die Wurzeln vorsichtig ausgraben. Doch erst wenn das Thermometer unter den Gefrierpunkt sinkt, entwickelt der Meerrettich sein intensives Aroma. Es lohnt sich deshalb, die ersten Frostnächte abzuwarten und die Stangen erst im November zu ernten. Zu diesem Zeitpunkt beginnen die Blätter abzusterben und zeigen an, dass das Wurzelwachstum beendet ist. Mit einer Grabgabel wird der Boden um die Pflanzenbasis herum gut gelockert, dann werden die Wurzeln angehoben und vorsichtig aus dem Boden herausgelöst. Es ist darauf zu achten, dass die Wurzeln dabei nicht verletzt werden. Nun beginnt die Sortierung der unterirdischen Pflanzenteile: Die dicken Hauptwurzeln kommen zum Verzehr in die Küche oder werden konserviert.
Pikante Beilage
Nach der Ernte werden die Wurzeln mit einer Bürste unter fliessendem Wasser gereinigt und für pikante Beilagen fein geraspelt. Wer den ganzen Winter über von frischen Meerrettichwurzeln profitieren möchte, lagert diese entweder draussen in einem frostfreien Sandbeet ein oder bewahrt die gereinigten Wurzelstücke abgepackt im Tiefkühlfach auf. Die Stangen können auch in gefrorenem Zustand gerieben werden, so lassen sie sich besser über die Reibe stossen, und das Aroma bleibt erhalten. In Klarsichtfolie oder in ein feuchtes Tuch gewickelt, bleiben die geernteten Wurzelstücke im Kühlschrank etwa 14 Tage frisch. Im Garten in feuchtem Sand eingegraben, sind sie mehrere Wochen haltbar.
Natürliche Heilkraft
Für die Schärfe sind ätherische Senföle verantwortlich. Diesen Pflanzenstoffen werden zudem bakterienhemmende und antibiotische Wirkungen nachgesagt. Die Meerrettichwurzel galt bereits im Mittelalter als «Königin der Hausapotheke». Sie wurde als Antiseptikum und Narkosemittel eingesetzt, oder auch gegen Wassersucht und Skorbut. Ein Löffel geriebener Meerrettich, vermischt mit Honig, beugt Erkältungskrankheiten vor und stärkt die Abwehrkräfte. Die gesunde Wurzel enthält besonders viel Vitamin C. Im Zusammenspiel mit der antimikrobiellen und antiviralen Wirkung hilft dies vor allem bei Katarrhen der Luftwege sowie bei Blasenentzündungen. In Kombination mit Kapuzinerkresse wird die Meerrettichwurzel auch als Phytotherapeutikum eingesetzt. In der Küche eignet sich die scharfe Würzkraft vor allem für kalte Saucen oder Beilagen. Beim Erhitzen über 40 °C verflüchtigen sich die Senföle – und damit auch die beliebte Schärfe.
Jungpflanzen aus Seitenwurzeln
Die bleistiftdicken Seitenwurzeln, auch Adventivwurzeln oder «Fechser» genannt, dienen zur Vermehrung oder Verjüngung der Pflanze. Tipp: Bei der Ernte die geraden Wurzelstücke aussortieren und den Winter über frostfrei in Sand lagern. Im März oder April werden die Seitenwurzeln in schräger Position in den gut gelockerten Boden gelegt. Auf diese Weise können sich die Wurzelstücke besser in der Tiefe verankern, und die Pflanze kann – nach etwa vier Wochen – erneut austreiben. Meerrettich bevorzugt einen sonnigen bis halbschattigen Standort mit durchlässigem Gartenboden. Eine organische Düngung erfolgt am besten bereits im Herbst am vorgesehenen Platz, nicht erst im Frühling. Wichtig: Ohne mineralische Zusätze düngen, denn die Wurzeln reagieren empfindlich auf hohen Salzgehalt. Als Nachbarpflanze zu Steinobst hilft Meerrettich dabei, Pilzkrankheiten einzudämmen. Ein Sud aus Meerrettichblättern kann zur Stärkung von Zier- und Nutzpflanzen verabreicht werden.
Einfache Kultur im Gartenbeet
Meerrettich ist recht anspruchslos und benötigt nicht viel Pflege im Beet. Nach dem ersten Austrieb der jungen Blätter im Frühling wird der Boden rund um die Pflanze regelmässig gelockert. Dies fördert das Wachstum der Hauptwurzeln, hemmt jedoch dabei gleichzeitig die kraftzehrende Bildung vieler Seitenwurzeln. Kreative Köche schnipseln die noch jungen Blätter streifenförmig in den Salat. Ab Mitte Mai bis Juli schmückt sich der Meerrettich mit traubenförmigen Blütenständen. Die weissen, stark duftenden kleinen Blüten sind ebenfalls essbar – sie dienen von Mai bis Juli als würzige Dekoration – und werden gern von Insekten besucht.
Grüne und rote Scharfmacher
Die grüne Wasabi-Paste wird oftmals mit Meerrettich gestreckt. Echte Wasabi-Wurzeln sind teuer, denn die Pflanze ist anspruchsvoll. Japanischer Meerrettich (Eutrema japonicum) ist kleinwüchsig und nur bedingt winterhart. Neu sind die Züchtungen Wasabi ‘Mephisto Green’ (Bild) sowie ‘Mephisto Red’ mit roten Wurzeln. Neben dem Strunk werden auch die Blätter und Blattstiele als Würze verwendet. Die Blätter können schon im ersten Jahr, die Wurzeln erst im zweiten Jahr geerntet werden. Die neuen Wasabi-Züchtungen sind mehrjährig und gedeihen im kühlen Halbschatten bei 7 bis 20 °C. Gegenüber herkömmlichem Meerrettich sind die Platzansprüche deutlich kleiner: Die Neuheiten eignen sich gut für einen geschützten Standort auf dem Balkon, der Terrasse oder im Hochbeet.
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