Erbvorbezug

Kindern Haus und Geld weitergeben: eine Belastungsprobe für die Familie

Vererben Viele Eltern wollen ihren Kindern mit einem Erbvorbezug unter die Arme greifen, am häufigsten beim Kauf eines Eigenheims. Was gut gemeint ist, kann ohne sorgfältige Planung zu Streit führen – und teuer werden.

von Marina Vogel-Fritz

Nachlassexpertin beim VZ VermögensZentrum

Fast die Hälfte der Schweizerinnen und Schweizer will einen Teil des Vermögens zu Lebzeiten weitergeben. Das zeigt eine Studie der Fachhochschule ZHAW. Die meisten wollen ihren Kindern einen Erbvorbezug geben, damit sich diese ein Eigenheim kaufen können. Rund zwei Drittel befürchten aber Probleme bei der Erbteilung. Auch die künftigen Erben sorgen sich: Neun von zehn hoffen, dass es keinen Streit gibt.

Diese Befürchtungen sind berechtigt. Wenn Eltern Geld oder eine Immobilie weitergeben, dürfen sie keine Fehler machen. Sonst kann es spätestens bei der Erbteilung Streit geben.

Ehepartner ist nicht abgesichert

Stirbt ein Elternteil, muss der überlebende Ehepartner oft die Kinder auszahlen. Fehlen dazu die Mittel, muss er im schlimmsten Fall das Eigenheim verkaufen.

Tipp: Bevor Sie einem Kind einen Erbvorbezug versprechen, sollten Sie sich und Ihren Ehepartner mit einer Meistbegünstigung absichern. Weisen Sie sich beispielsweise in einem Ehevertrag gegenseitig die gesamte Errungenschaft zu und setzen Sie den Anspruch der Kinder in Ihrem Testament weiter herab.

Streit in der Familie

Erfahrungsgemäss kommt es bei der Erbteilung immer wieder zu Konflikten in der Familie – vor allem, wenn eine Liegenschaft im Spiel ist oder wenn die verstorbene Person ihre Wünsche nicht eindeutig festgehalten hat. Oft ist auch unklar, welches Kind wann wie viel als Erbvorbezug bekommen hat.

Tipp: Auch in harmonischen Familien führen Fehler in der Nachlassplanung zu Streit. Schaffen Sie so früh wie möglich Klarheit mit einem Testament oder Erbvertrag und dokumentieren Sie jeden Erbvorbezug.

Kind scheitert an Ausgleichspflicht

Nach dem Tod beider Eltern müssen Kinder ihre Erbvorbezüge gegenüber den anderen Erben ausgleichen. Ist das Geld im Eigenheim gebunden, kann das problematisch sein: Dann fehlen die Mittel für den Erbausgleich.

Tipp: Legen Sie im Testament fest, wie der Erbvorbezug ausgeglichen werden soll. Solange Sie die Pflichtteile der übrigen Erben nicht verletzen, können Sie Ihre Tochter oder Ihren Sohn ganz oder teilweise davon befreien, wenn Sie das möchten.

Risiko: steigende Hauspreise

Viele Eltern geben ihr Eigenheim schon zu Lebzeiten an den Sohn oder die Tochter weiter; oft als Schenkung oder unter dem Marktpreis. Bei der Erbteilung muss der Erbvorbezug ausgeglichen werden. Achtung: Der Betrag hängt nicht vom Wert beim Erbvorbezug ab, sondern vom aktuellen Marktwert bei der Erbteilung. Wenn die Hauspreise steigen, kann das teuer werden. Im Beispiel in der Tabelle muss eine Frau ihrem Bruder so 250 000 Franken als Ausgleich zahlen.

So wird ein Erbvorbezug ausgeglichen

Beispiel: 2004 erhält die Tochter als Erbvorbezug das Haus der Mutter (Wert: 600 000 Franken), der Sohn bekommt nichts. Beim Tod der Mutter 2024 ist das Haus 1 Million Franken wert. Dieser Wert ist für den Erbausgleich massgebend (Angaben in Franken).

Berechnung der Erbteile

Nachlass

Tochter

Sohn

Nachlass der Mutter

500 000

 

 

Erbvorbezug der Tochter 1

1 000 000

 

 

Teilbarer Nachlass

1 500 000

 

 

Erbteile (je 1/2)

 

750 000

750 000

 

 

 

 

Abgeltung der Erbteile

Erbvorbezug 1

 

1 000 000

0

Aus dem Nachlass der Mutter

 

0

500 000

Ausgleichspflicht

 

−250 000

250 000

Erbteile

 

750 000

750 000

1 Heutiger Wert des Hauses