Vorsorgen

Kaum jemand erbt allein – das ist Zündstoff für viele Familien

Erben Erbengemeinschaften sind besonders anfällig für Streit, weil alle Mitglieder gemeinsam entscheiden und handeln müssen.

von Nina Beer-Maurer

Nachlassexpertin beim VZ VermögensZentrum

Als Erbe ist man selten allein. Die meisten erben zusammen mit einem Elternteil und den Geschwistern. Rechtlich bilden sie eine Erbengemeinschaft: Alle Mitglieder der Erbengemeinschaft müssen jeden Entscheid gemeinsam und einstimmig fällen. Das führt oft zu Konflikten.

In einer Erbengemeinschaft kann ein einziger Erbe die Teilung des Nachlasses jahrelang blockieren, auch wenn dieser Person nur ein kleiner Anteil am Erbe zusteht. Die Miterben können dann zum Beispiel weder Liegenschaften vermieten noch Aktien verkaufen oder über das Bankkonto verfügen.

Je länger eine Erbschaft nicht geteilt wird, desto komplexer wird die Abwicklung. Wenn einer der Erben stirbt, geht dessen Anteil an seine Erben über. Mit der Zeit hat man es mit einer wachsenden Zahl von Miterben zu tun, deren Interessen möglicherweise noch weniger übereinstimmen.

Dazu kommt: Oft sind Immobilien in der Erbmasse enthalten. Liegenschaften lassen sich nicht so einfach gleichmässig aufteilen wie zum Beispiel Konto-Guthaben und Wertschriften. Das führt immer wieder zu Streit in der Erbengemeinschaft. Zudem werden oft Wertgegenstände vererbt, die seit Jahrzehnten im Familienbesitz sind. Vielen Erben fällt es aus emotionalen Gründen schwer, diese sinnvoll aufzuteilen. Oder die Wünsche und Ziele der Mitglieder liegen weit auseinander.

Zudem sind die meisten Erben in der Schweiz über 60 Jahre alt, wenn sie erben. Sie brauchen das zusätzliche Vermögen oft weniger dringend als in jüngeren Jahren und sind deshalb nicht auf eine schnelle Teilung der Erbschaft angewiesen. In solchen Fällen rückt ein einstimmiger Entscheid der Erbengemeinschaft in weite Ferne. Darum sollte man Erbschaften so zügig wie möglich aufteilen.

Wer seine Nachlassregelung sauber und frühzeitig aufgleist, tut einiges dafür, dass eine solche Situation mit Streit in der Erbengemeinschaft verhindert wird. Es lohnt sich, die wichtigsten Erbfragen früh zu regeln, damit Konflikte in der Familie möglichst ausgeschlossen sind.

Meistbegünstigung

Das Konfliktpotenzial lässt sich stark reduzieren, wenn sich Ehepaare mit einer Meistbegünstigung gegenseitig absichern. So können sich die beiden Eheleute zum Beispiel in einem Ehevertrag gegenseitig die ganze Errungenschaft zuweisen. In einem Testament oder Erbvertrag setzen sie ihre Kinder auf den Pflichtteil. Dadurch verringern sie die Ansprüche der gemeinsamen Kinder am Erbe. Zudem besteht die Möglichkeit, mit den Kindern einen Erbverzichtsvertrag abzuschliessen, so dass alles an den überlebenden Ehegatten geht. Sinnvoll kann es auch sein, wenn sich die Eheleute die Nutzniessung am gesetzlichen Erbanteil der Kinder zuweisen.

Teilungsvorschriften

Im Testament oder Erbvertrag kann man mit Teilungsvorschriften regeln, wer was bekommen soll, und so einzelnen Erben ein Vorrecht einräumen. Achtung: Wenn der Wert der Zuwendung den Anteil übersteigt, der einem Erben zusteht, muss der Erbe die Differenz ausgleichen.

Willensvollstreckung

Auch wenn Erblasser alles sorgfältig regeln, sind viele Erben überfordert. Wer die Familie entlasten will, setzt darum im Testament oder Erbvertrag eine professionelle Willensvollstreckerin ein. Sie kümmert sich bis zur Erbteilung um alle finanziellen und administrativen Angelegenheiten und findet kompromissfähige Lösungen, wenn es Streit gibt.

Eine Willensvollstreckung lohnt sich besonders, wenn der Nachlass komplex ist, weil Liegenschaften, unterschiedliche Vermögensanlagen oder Unternehmen zur Erbmasse gehören – oder wenn sich die Erbteilung verzögern könnte und dadurch Gefahr besteht, dass das Vermögen nicht optimal bewirtschaftet werden kann.