Garten und Terrasse

Jäten à la japonaise

Was hat die japanische Organisations- und Aufräumberaterin Marie Kondo mit dem Gärtnern zu tun? Auf den ersten Blick vielleicht nichts, bei genauerem Betrachten aber sehr viel.

von Carmen Hocker

Autorin, Gartenmagazin Pflanzenfreund.ch

Marie Kondos Credo lautet, nicht in blindes Ausmisten zu verfallen, sondern bewusst jene Dinge zu behalten, die einem ein Lächeln auf die Lippen zaubern. Wer diese Einstellung aufs Jäten überträgt, kommt möglicherweise zu erstaunlichen Ergebnissen.

Aus übertriebener Ordnungsliebe, Gewohnheit oder auch Unwissenheit werden in den Blumenbeeten oft voreilig Beikräuter entfernt, die einem selbst und der Fauna Freude schenken könnten. Und nicht nur das! Wer genauer hinschaut und überlegt, warum sich zum Beispiel die Brennnessel Urtica dioica in einem Gartenbereich so wohl fühlt oder warum sich die Wilde Möhre Daucus carota an einem anderen so ausbreitet, erfährt einiges über seinen Boden und dessen Nährstoffgehalt: Als «Zeigerpflanzen» bezeichnet man heimische Wildpflanzen, die sich vor allem dort niederlassen, wo ihnen die Bedingungen am meisten zusagen. Dieses Wissen könnten wir uns zunutze machen, um Gartenpflanzen auszuwählen, welche dieselben Ansprüche an Boden, Licht, Wasser und Temperatur stellen. Die Betonung liegt jedoch auf dem Wort «könnten», denn ganz so einfach ist es nicht.

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Wegweiser und vergessene Ecken

Zu schön, um wahr zu sein? Recherchiert man nach sogenannten Zeigerpflanzen, stösst man auf Erklärungen, die auf den ersten Blick durchaus plausibel erscheinen – in einer idealen Welt mit einer reichhaltigen Ackerbegleitflora. Doch die genannten Wildpflanzen sind bei uns teilweise so rar geworden, dass es nur an wenigen Orten wahrscheinlich ist, dass ihre Samen in den Garten getragen werden. So gelten beispielsweise folgende Pflanzen als Indikator für kalkreiche Böden mit hohem pH-Wert (über 7): Ackerglockenblume Campanula rapunculoides, Acker-Rittersporn Consolida regalis, Kleiner Wiesenknopf Sanguisorba minor, Kuhschelle Pulsatilla vulgaris und Wiesensalbei Salvia pratensis. Sind Ihnen solch wilde Blütenschönheiten schon einmal zugeflogen? Erschwerend kommt hinzu, dass eine Pflanzenart allein noch nicht aussagekräftig ist. Dafür müssen mehrere Zeigerpflanzen an einem bestimmten Ort vorkommen. Und dann gibt es noch Anpassungstalente wie den Löwenzahn. Er kann durchaus verdichtete Böden anzeigen, aber ebenso gut auch Spalten und Ritzen besiedeln, genüsslich in locker-humose Beete hüpfen oder sich auch mitten auf dem Kiesweg breitmachen.

Beobachtungen im eigenen Garten

Die Idee, die Gegebenheiten vor Ort genauer zu betrachten, ist aber durchaus sinnvoll – und macht Spass! Welche Pflanzen, die man selbst gesetzt oder gesät hat, tauchen im Folgejahr an anderen Orten im Garten auf? Und wo? Im Garten der Autorin hat sich das Zarte Federgras Stipa tenuissima letzten Sommer erstmals versamt, und zwar am Rande des Kieswegs. Kein Wunder, ist diese Pflanze in den trockenen Steppen Patagoniens beheimatet. Und doch sind die Wege mancher Wanderer unergründlich. Während die weiss blühende Jungfer im Grünen Nigella damascena unseren ganzen Garten erobert hat, verschwand sie bei der Nachbarin vollständig. Obwohl die Bedingungen in Bezug auf Boden, Licht und Wasser in unserer Reihenhaussiedlung identisch erscheinen.

Mediterranes unter dem Dach

Als Fassadenschutz gibt es an vielen Häusern unschöne Streifen mit Bollersteinen oder Schotter ohne jegliche Vegetation, wo nicht einmal Löwenzahn, Quecke oder Giersch gedeihen. Auf den ersten Blick erscheint der Streifen als ein unwirtlicher Ort, der für Pflanzen aus dem Mittelmeerraum aber ideale Bedingungen bietet: Aromatische Kräuter wie Rosmarin, Thymian und Oregano benötigen nährstoffarmen, durchlässigen Boden und viel Sonne. Anstatt einer Kräuterspirale, die manchmal wie ein Fremdkörper im Garten wirkt, kann dieser sonst ungenutzte Randstreifen in ein mediterranes Küchenkräuterbeet verwandelt werden.