Wenn sich draussen die Gartensaison ihrem Ende nähert, bringen Birkenfeige, Schefflera oder Monstera als beliebte Zimmerpflanzen frisches Grün in die Wohnung. Normalerweise wachsen sie in Zimmerpflanzenerde. Aber ist das noch zeitgemäss? Denn das Substrat hat einige Schwächen: Es kann schimmeln – was meist Resultat von zu viel Wasser, schlechter Belüftung oder minderwertiger Erde ist – und folglich zu Krankheiten wie Wurzelfäule führen. Auch Schädlinge wie Trauermücken fühlen sich in Blumenerde wohl, speziell wenn es sich um torffreie Erde handelt.
Zur Vorbeugung helfen eine gute Drainage, hochwertige Erde und ein massvolles Bewässern, oder man verzichtet komplett auf das erdige Substrat.
Kein Eintopfen mehr nötig
Neben der bekannten Hydrokultur, bei der Pflanzen in Blähton wurzeln, ist aktuell die sogenannte Hydroponik angesagt. Das Wort leitet sich aus dem Griechischen ab und setzt sich aus «hydro» (Wasser) und «ponos» (Arbeit) zusammen. Hier wachsen die Pflanzen ausschliesslich in Wasser, ganz ohne feste Bestandteile. Im Prinzip ist es nichts anderes, als einen Steckling in ein Glas Wasser zu stellen, wo er Wurzeln ausbildet und später eingetopft wird. Bei manchen Pflanzenarten ist das Eintopfen aber gar nicht nötig – sie sind happy, dauerhaft im Wasserglas zu bleiben.
Schick im Glas
Am einfachsten gelingt die Wasserhaltung tatsächlich mit Stecklingen – im flüssigen Element bilden sie automatisch spezielle «Wasserwurzeln», die dauerhaft im Wasser überleben. Glasgefässe und Vasen punkten ästhetisch, weil man die Wurzeln der Pflanze sehen kann, was einen spannenden Blick aufs Wurzelwachstum erlaubt. Besonders geeignet sind Vasen oder Flaschen, die sich nach oben hin verjüngen. Sie geben den Stängeln Halt und verhindern, dass sie umkippen. Sie sind allerdings nur eine Option für frisch geschnittene Stecklinge mit noch keinen oder nur wenigen Wurzeln. Je grösser die Öffnung des Gefässes, desto mehr Luft gelangt ins Wasser – so bleibt es länger frisch und erleichtert das Herausnehmen der Pflanzen. Ideal sind Glas- und Keramikbehälter. Auf Metall sollte man verzichten, da es Schwermetalle ins Wasser abgeben kann.
Für einen Steckling schneidet man einen jungen, gesunden Trieb von etwa 10 bis 15 cm Länge unter einem Blattknoten ab, am besten mit einem sauberen, scharfen Messer. Die unteren Blätter werden entfernt. Falls der Trieb im Glas nicht von selbst aufrecht steht, helfen ein paar saubere Kieselsteine oder Murmeln als Stütze. Filzgleiter unter dem Gefäss schützen die Möbel vor Wasserflecken.
Pflanzen aus Erde umstellen
Etwas heikler und nicht immer von Erfolg gekrönt ist es, bereits eingetopfte Pflanzen auf das Hydroponik-Prinzip umzustellen. Wichtig dabei ist, dass kein Fitzelchen Erde mehr an den Wurzeln haftet. Dazu entfernt man das Substrat vorsichtig mit den Fingern, ohne das Wurzelwerk zu beschädigen, und spült die letzten Reste mit warmem Wasser ab. Abgestorbene Wurzeln werden dabei abgesammelt – sie sind schwarz und lassen sich leicht herausziehen. Auch braune Wurzelspitzen sollte man entfernen. Alle Wurzeln müssen weiss und gesund sein. Das Wasser sollte alle zwei Wochen ausgewechselt werden – entdeckt man dabei abgestorbene Wurzelteile, schneidet man sie weg. Ein paar Tropfen 3-prozentiges Wasserstoffperoxid (etwa 1 Esslöffel pro 500 ml Wasser) alle 14 Tage helfen, Algen und Wurzelfäulnis vorzubeugen. Bildet sich dennoch ein grüner Belag, kann man ihn einfach unter fliessendem Wasser abspülen. Transparente Gefässe haben den Vorteil, dass man die Wurzeln beobachten kann. In undurchsichtigen Behältern hingegen bilden sich weniger Algen – beide Varianten haben also ihre Vorzüge. Damit die Pflanze mit Nährstoffen versorgt ist, muss sie regelmässig gedüngt werden. Wichtig hierbei: Keinen Dünger für Erde nehmen, sondern Flüssigdünger.
Auch Blumenzwiebeln funktionieren
Viele beliebte Zimmerpflanzen gedeihen wunderbar in Wasser. Dazu gehören Philodendron, Buntnessel, Monstera, diverse kletternde Zimmerpflanzen wie Efeu oder Efeutute, Begonie, das Usambaraveilchen, das Einblatt oder auch der Drachenbaum. Auch mit Kräutern wie Basilikum, Minze, Salbei, Rosmarin oder Oregano kann man experimentieren – und sogar mit Blumenzwiebeln wie Narzissen, Hyazinthen oder Amaryllis. Es ist wichtig, die Pflanzen ihren Lichtvorlieben entsprechend in der Wohnung zu platzieren. Auch wenn sie im Wasser stehen, können sie von Blatt- oder Schildläusen befallen werden. Doch Krankheiten und Schädlinge, die aus der Erde stammen, wie Trauermücken oder Wurzelfäule, gehören bei dieser Kulturform der Vergangenheit an.
Hydroponik in der Landwirtschaft
Auch in der Landwirtschaft wird auf das Prinzip der Hydroponik gesetzt, beispielsweise beim Vertical und Indoor Farming. Bei diesen bodenlosen Anbausystemen wurzeln die Pflanzen entweder in einem neutralen Trägermaterial, zum Beispiel Kokosfasern, Steinwolle, Perlit oder Blähton oder ganz frei in einer Nährlösung, die alle lebenswichtigen Mineralien enthält. Meist sind diese Systeme geschlossen, die Nährlösung zirkuliert und wird regelmässig aufbereitet. Zu den Vorteilen der hydroponischen Systeme gehört vor allem die Wasserersparnis – es wird bis zu 90 Prozent weniger Wasser benötigt als im Ackerbau. Auch die ganzjährige und effiziente Flächennutzung sowie der reduzierte Pestizideinsatz sind positive Effekte. Bei den Nachteilen steht die intensive Energienutzung, vor allem bei künstlicher Beleuchtung, im Vordergrund. Dennoch gilt die «bodenlose» Landwirtschaft als Zukunft des Ackerbaus, denn sie schont Ressourcen, belastet die Umwelt weniger und ermöglicht den Pflanzenanbau auch in unwirtlichen Regionen, speziell vor dem Hintergrund des Klimawandels.







