Haustiere

Ein Haustier zu Weihnachten?

Auf dem Wunschzettel von Kindern stehen sie meist ganz oben: der Hund, die Katze oder das Kaninchen. Warum es keine gute Idee ist, Haustiere zu Weihnachten zu verschenken, erklärt Tierexpertin Esther Geisser.

von Esther Geisser

Präsidentin Network for Animal Protection

Sie führen die Rangliste der Kinderwünsche an: Haustiere. Ein nachvollziehbares Begehren, können Tiere unseren Alltag doch auf vielfältige Weise bereichern. Trotzdem ist es keine gute Idee, Tiere zu Weihnachten oder zu anderen Anlässen zu verschenken, denn das Erfüllen der Sehnsucht nach einem tierischen Begleiter ist nur eine Seite der Medaille. Die andere und oft vergesse Seite ist, dass Tiere fühlende Lebewesen sind und eigene, zum Teil sehr spezielle Bedürfnisse haben, die erfüllt werden müssen. Und dies jeden Tag, über viele Jahre hinweg.

Verpflichtung für die ganze Familie

Ein Haustier in die Familie aufzunehmen, geht mit einer grossen Verpflichtung einher – und zwar für die ganze Familie. Das Haustier wird zu einem neuen Familienmitglied und gehört nicht einfach nur dem beschenkten Kind. Die eigentliche Verantwortung müssen die Eltern übernehmen. Sie sind es, die täglich kontrollieren, ob das Kind seine Pflichten rund um die Tierhaltung erfüllt, und die gegebenenfalls eingreifen müssen. Ob man diesen zusätzlichen Aufgaben gerecht werden und die dafür erforderlichen zeitlichen und finanziellen Ressourcen investieren kann und will, muss vorher entsprechend gut überlegt werden. In der vorweihnachtlichen Hektik bleibt dafür meist keine Zeit, und man neigt zu spontanen Handlungen – natürlich von besten Absichten getrieben. Und die Kinderaugen glänzen, wenn unter dem Weihnachtsbaum der lang ersehnte Welpe oder das süsse Kaninchen liegt. Nach Weihnachten verwandelt sich die Freude aber schnell in Frust, wenn der Welpe noch nicht stubenrein ist oder niemand wirklich Lust hat, das Kaninchengehege ständig zu reinigen.

Haustiere sind kein flüchtiger Modetrend

Ein Tier ist kein lebloser Gegenstand. Es kann nicht einfach umgetauscht werden, wenn es nicht (mehr) zu den Lebensumständen passt. Kenntnisse über seine artspezifischen Bedürfnisse sind elementar, um ihm ein gutes Leben zu bieten. Kindern ist das kaum bewusst: Sie haben idealisierte Vorstellungen von der Tierhaltung, weil sie die Tiere oft nur aus Filmen und Büchern oder durch Prominente kennen und entsprechende Erwartungen an die ersehnten pelzigen Begleiter haben. Nicht selten geht es übrigens auch Erwachsenen so. Die Faszination, die von prominenten Tieren ausgeht, führt kurzfristig oft zu einer übersteigerten Nachfrage. So wurden nach dem Film «Findet Nemo» beispielsweise überdurchschnittlich viele Clownfische verkauft. Wie viele davon später die Toilette runtergespült wurden, damit sie die vermeintlich grosse Freiheit finden, ist nicht bekannt. Nach dem Film «Ein Hund namens Beethoven» fanden plötzlich Bernhardiner grossen Anklang. Viele von ihnen wurden aber schon bald darauf in Tierheimen abgegeben. Denn dass ein solch grosser Hund seine Besitzer vor zahlreiche Herausforderungen stellt, wurde beim Kauf viel zu oft ausgeblendet. Dank Garfield und Bob wurden rote Kater sehr begehrt, ohne dass der Charakter des einzelnen Büsis berücksichtigt wurde. Und leider führt aktuell Taylor Swifts Faltohrkatze dazu, dass mehr Katzen aus dieser Qualzucht gekauft werden, ohne dass sich die Käufer über die chronischen Schmerzen dieser Rasse und der damit verbundenen Tierarztkosten bewusst sind.

Basiert der Wunsch nach einem Haustier auf solchen Modetrends, können Tiere nur verlieren. Denn genauso schnell wie das Begehren geweckt wird, geht das Interesse wieder verloren, wenn der tierische Begleiter so gar nicht den Wunschvorstellungen entspricht oder wenn neue Trends entstehen.

Wichtige Fragen vor der Anschaffung

Bevor man ein Tier in die Familie aufnimmt, sollten unter anderem folgende Fragen ehrlich beantwortet werden:

Welche Bedürfnisse hat das Tier?

Können und wollen wir diese Bedürfnisse befriedigen?

Wer kümmert sich um das Tier?

Haben wir den nötigen Platz und auch die Zeit, uns täglich mit dem Tier zu beschäftigen?

Verfügen wir über die nötigen finanziellen Mittel, um auch unerwartete oder grössere Tierarztrechnungen bezahlen zu können?

Was passiert mit dem Tier, wenn wir in die Ferien fahren?

Hält unsere Freude am Tier sein ganzes Leben lang an (zum Beispiel bei Hunden 14, bei Katzen 20 und bei Schildkröten weit über 60 Jahre)?

Freuen sich alle in der Familie über das neue Mitglied oder wird es der Grund für Auseinandersetzungen sein, deren Konsequenzen dann vor allem das Tier tragen muss?

Bestehen allenfalls Allergien?

Sind wir uns bewusst, dass ein Tier auch Dreck verursachen wird, Haare verliert und auch Dinge kaputt machen kann?

Alternativen zum eigenen Haustier

Fachleute sind sich einig: Das Aufwachsen mit Tieren wirkt sich positiv auf die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern aus. Auch für Erwachsene sind Tiere ein Gewinn, findet man doch Trost und diskussionslosen Zuspruch bei ihnen. Das Streicheln von Tieren setzt Glückshormone frei, wirkt stressmindernd und senkt den Blutdruck, und so mancher Stubenhocker wird durch einen Hund sogar zum Naturliebhaber. Das alles spricht eindeutig für die Haltung von Tieren. Aber nur, wenn man sich der damit einhergehenden Verantwortung und der allfälligen Nachteile bewusst ist, kann aus der Verbindung eine gute Beziehung für alle Parteien entstehen.

Für glänzende Augen unter dem Weihnachtsbaum kann man auch ohne lebende Tiere sorgen: Verschenken Sie Ratgeber zur artgerechten Tierhaltung des Wunschtiers, und gehen Sie diese Kapitel für Kapitel mit Ihrem Kind durch. Basteln Sie einen Gutschein für Ausflüge ins Tierheim, um die Tiere besser kennenzulernen. Finden Sie Gelegenheiten, um mit einem Hund Gassi zu gehen. Regelmässige Spaziergänge – bei Wind und Wetter – mit einem Tierheimhund zeigen bald, ob man sich wiederholt die Zeit dafür nehmen will oder ob es sich beim Hundewunsch nur um ein Schönwetterbedürfnis handelt. Beschäftigen sich die Kinder bei Hundewetter doch lieber mit der Playstation, hat sich das Thema Haustier vielleicht von alleine erledigt.

Stellt man fest, dass man gar nicht den Platz, die Zeit und die Mittel für eine artgerechte Tierhaltung hat, kann auch eine Patenschaft für ein Tier in einem Tierheim, einer Auffangstation oder auf einem Lebenshof eine gute Alternative sein. Welches Kind wäre nicht gerne Gotti oder Götti von einem Vierbeiner, den man dann auch noch besuchen darf?

Ein Tier ist kein Geschenk. Wenn man sich für die Haltung eines Haustieres entscheidet, sollte das nie aus einem Impuls heraus geschehen, sondern immer gut durchdacht sein, damit sich alle über die neue Beziehung ein Leben lang freuen können.

Neue Autorin für Tierthemen

Dieser Artikel ist der erste unserer neuen Autorin Esther Geisser. Sie wird regelmässig Ratgeber und Fachartikel zu verschiedenen Aspekten der Tierhaltung und des Tierschutzes schreiben.

 

Esther Geisser ist Präsidentin und Gründerin von Network for Animal Protection (NetAP). Sie ist Juristin, hat ein Diplom als Verhaltenstherapeutin für Kleintiere (I.E.T), ist Mitglied der VIETA und hat die FBA für Betreuungspersonal in Tierheimen inkl. Praktikum erfolgreich absolviert. Im Tierschutz ist sie seit frühester Kindheit aktiv.

 

Weitere Informationen finden Sie auf der Website der Organisation unter: netap.ch

Tipps für Eltern

Führen Sie Ihr Kind an das Wunschtier heran. So finden Sie schnell heraus, ob Sie und Ihr Kind bereit sind, eine solche Verpflichtung einzugehen und sich ein Haustier in Ihren Familienalltag integrieren lässt:

Besuchen Sie mit Ihrem Kind Tierheime in Ihrer Nähe. So lernen Sie und Ihr Kind die Tiere besser kennen.

Fragen Sie im Tierheim an, ob Sie mit Tierheimhunden regelmässig spazieren gehen dürfen.

 

Sollten Sie für sich entscheiden, dass ein Haustier nicht in den Familienalltag passt, können Sie Ihrem Kind damit eine Freude machen:

Schliessen Sie für Ihr Kind eine Tierpatenschaft ab in einem Tierheim, einer Auffangstation oder auf einem Lebenshof. Als Gotti oder Götti darf Ihr Kind «sein» Tier regelmässig besuchen.