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Die Krux mit der Bewässerung

Der Frühling 2022 bescherte der Natur eine beängstigende Trockenheit. Dadurch wurde uns bewusst, wie wichtig es ist, im Garten sparsam mit wertvollem Wasser umzugehen. So giessen Sie Ihre Pflanzen richtig.

von Erwin Meier-Honegger

Gartenexperte und Inhaber Garten-Center Meier, Dürnten

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Gleich vorweg: Was frisch gepflanzt ist, muss separat betrachtet werden. Denn bei frisch gepflanzten Gewächsen sind regelmässige Wassergaben wichtig. Regelmässig heisst jedoch nicht täglich ein bisschen, sondern alle paar Tage durchdringend. Bleibt die Erde oberflächlich dauernd leicht feucht, sind die Pflanzen zu faul, um ihre Wurzeln auf der Suche nach Feuchtigkeit tief in die Erde zu treiben, und man macht seine Pflanzen quasi zu «Abhängigen». Damit eine frisch gepflanzte Pflanze tief wurzelt und dadurch robust wird, darf sie durchaus auch einmal etwas «lampen», bevor sie wieder Wasser erhält.

Die meisten Pflanzen sind ziemlich zuverlässige «Feuchtigkeitsanzeiger». Mit etwas Übung sieht man ihnen gut an, ob sie Wasser benötigen oder noch nicht. Die wichtigste Massnahme für sinnvolles Wassergeben ist, seine Pflanzen über einige Tage und Wochen genau zu beobachten und sich auf Veränderungen der Blattfarbe, -form und -ausrichtung vor und nach den Wassergaben zu konzentrieren. Gut sichtbar sind die Unterschiede zwischen deren nachmittäglichen Aussehen nach einem heissen Tag und dem nächsten Morgen nach der abendlichen Abkühlung. Selbst ohne Wassergaben erkennt man deutliche Unterschiede, die einem helfen, schnell ein gutes Auge für die Wasserbedürfnisse seiner Pflanzen zu entwickeln. So erkennt man deren Signale schon bald von Weitem.

Auch merkt man, welche Pflanzen trotz Trockenheit praktisch nie zusätzlich Wasser benötigen. Das eindrücklichste Beispiel hierfür sind sicherlich die im Freiland etablierten Rosen: Ich habe noch nie Welksymptome an Rosenpflanzen festgestellt. Rosen zu giessen ist ein Beispiel von unnötiger Wasserverschwendung. Dies gilt natürlich nicht für Rosenpflanzen in Gefässen oder für frisch gepflanzte Rosen.

Wie geht «durchdringend» wässern?

Bei frisch gepflanzten Sträuchern und Stauden sollte der ursprüngliche Wurzelballen gut durchnässt werden und das Erdreich darum herum 30 cm tief und breit feucht sein. Wenn man diesbezüglich nicht ganz sicher ist, lohnt sich ein Testloch. Hierfür einfach neben der einen oder anderen Pflanze zwei bis drei Stunden nach der Wassergabe ca. 30 cm von der Pflanze entfernt ein Loch graben, um zu kontrollieren, wo und wie die Erde feucht ist.

Bei bereits etablierten Pflanzen braucht es für die durchdringende Bewässerung ziemlich viel Wasser; bei einem grösseren Baum um 300 Liter Wasser pro Giessvorgang. Und zwar nicht um den Stamm herum, sondern im Tropfbereich der Krone. Dort, wo das Regenwasser von den Blättern oder Nadeln ins Erdreich runtertropft, ist das Wurzelwerk besonders aufnahmefähig.

Grundsätzlich können etablierte Bäume jedoch erstaunlich lange mit jener Feuchtigkeit auskommen, die durch Kapillaren aus dem Grundwasser aufsteigt. Sinkt der Grundwasserspiegel bei längerer Trockenheit ab, wachsen die Wurzeln sogar kurzfristig tiefer, um ausreichend versorgt zu sein. Je länger die Trockenheit anhält, desto schwerer kommt der Baum über die Wurzeln jedoch an dieses Wasser. Erst dann sind die erwähnten grosszügigen Wassergaben notwendig.

Zum allgemeinen Verständnis sei hier noch erwähnt, dass bei anhaltendem Regen das zurückströmende Grundwasser die neuen Wurzeln überflutet, ihnen dadurch den Sauerstoff nimmt und sie zum Absterben bringt. Oberhalb des neuen Grundwasserspiegels wachsen jedoch rasch neue Feinwurzeln, die sich an der Wasseroberfläche ansiedeln. Die Wurzeln passen sich dem Grundwasserspiegel immer wieder an. Ohne dass wir Menschen es wahrnehmen, ist die Natur erstaunlich gut eingerichtet. Dieses Grundverständnis ist wichtig, um bedarfsgerecht und wassersparend seinen Garten über Trockenphasen zu pflegen.

Bei Gefässen ist es etwas schwieriger

Nicht ganz so flexibel sind die Pflanzen in Gefässen. Die Grundregeln gelten jedoch auch für sie. Wenn schon Wasser geben, dann «richtig». Jedoch nützt es natürlich nichts, wenn das Wasser unten durchläuft. Auch aus diesem Grund sind Gefässe mit Wasserreservoir für Sträucher besonders empfehlenswert. Damit wird quasi das Grundwasser wie im Freiland simuliert, das mit Kapillarwirkung zu den Wurzeln hochkommt.

Wenn kein Wasserreservoir für das Auffangen des durchrinnenden Giesswassers zur Verfügung steht, sollten die Gefässe in zwei bis drei Anläufen gewässert werden. Immer gerade so viel, dass nichts unten herausrinnt. Nach 15 Minuten nochmals nachgiessen und vielleicht nach weiteren 15 Minuten abermals. So verteilt sich die Feuchtigkeit im Topf optimal und die Pflanzen können die Feuchtigkeit schrittweise aufnehmen.

Noch ein ergänzender Hinweis zu den Gefässen mit Wasserreservoir. Deren System respektive Vorteile funktionieren bei frisch gepflanzten Pflanzen noch nicht. Die Pflanzen müssen zuerst im Gefäss anwurzeln, bevor sie den Kapillareffekt nutzen können.

Bei kleinen Gefässen – z. B. Blumenkisten für Sommerflor – ist das Wasserreservoir in der Anwachsphase sogar sehr gefährlich. Durch das Wasserreservoir bleibt die Erde in den kleinen Blumenkisten dauerfeucht. Im nassen Substrat hat es für die feinen Saugwurzeln keinen Sauerstoff, und die lebenswichtigen, feinen Gebilde können sich darum nicht gesund entwickeln. Das Resultat sind kümmerliche Pflanzen, welche die Blüte verweigern. Sie sehen aus, als hätten sie zu trocken, dabei ist das Gegenteil der Fall.Dies ist generell eine Herausforderung bei der Deutung von Schadbildern: Zu viel des Guten ergibt dieselben Symptome wie Trockenstress. Man muss daher immer gut unterscheiden, welche der beiden möglichen Ursachen bei einer serbelnden Pflanze aktuell plausibler ist.

Verbrannter Rasen – was nun?

In Zeiten, in denen wir alle gemeinsam Wasser sparen müssen, darf der Rasen auch einmal verbrennen und dürr werden. Denn was die meisten kaum glauben mögen: Er erholt sich wieder. Die ursprüngliche Heimat der Rasengräser sind überwiegend sommertrockene, vollsonnige Steppen. Unsere Rasenmischungen sind daher gut an sommerliche Trockenheit angepasst. Die vertrockneten Halme schützen die Gräser vor dem vollständigen Absterben. Die Wurzeln bleiben intakt und treiben bei genügend Feuchtigkeit und grosszügiger Düngung wieder neu aus. Ein verbrannter Rasen ist somit lediglich ästhetisch ein Problem. Es ist jedoch grundsätzlich eine Art natürliche Schutzstarre, die dem Rasen das Überleben garantiert.

Weniger ist mehr – auch bei Blumen

Wenn der Sommerflor nicht üppig blüht, gibt es lediglich zwei mögliche Ursachen: Entweder zu regelmässig Wasser oder zu wenig Nährstoffe. Dank der heute üblichen Langzeitdünger kann Letzteres meist ausgeschlossen werden und die Blütenverweigerung ist dem Übereifer mit der Giesskanne geschuldet. Tests mit Petunienampeln von 30 cm Durchmesser haben gezeigt, dass diese genauso üppig blühen, wenn sie pro Tag 3 dl Wasser erhalten wie die Vergleichsampeln, die pro Tag einen Liter erhielten. An diesem Beispiel wird auch der Vorteil von Langzeitdüngern deutlich: Wenn wassersparend gegossen wird, erhält die Pflanze eher etwas zu knapp Flüssigdünger. Lediglich Langzeitdünger ermöglichen die wassersparende Bewässerung bei gleichzeitig genügender Nährstoffversorgung.

Ohne dass wir Menschen es wahrnehmen, ist die Natur erstaunlich gut eingerichtet.

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Zehn Regeln fürs richtige Giessen von Markus Kobelt, Gründer Lubera Baumschulen

  • Es ist nicht das eigentliche Ziel des Giessens, den Giessenden zu erfrischen und leicht nass zu machen. Wenn ich das aktuelle Giessverhalten meiner Mitbürger als Massstab nehme, scheint hier ein kleines, aber systematisches Missverständnis vorzuliegen.
  • Es ist das eigentliche Ziel des Giessens, das Wasser in die Wurzelzone der jeweiligen Pflanze zu bringen. Das kurze Giessen über Blatt und Blüten fördert nicht nur die Entwicklung von Krankheiten, sondern täuscht der Pflanze eine nicht zutreffende Wetterrealität vor (auf die sie sich dann wiederum falsch einstellt).
  • Wenn Sie ohne Giessen auskommen oder bis Anfang August nie ans Giessen gedacht haben (und wenn Ihr Garten immer noch akzeptabel aussieht), dann haben Sie grundsätzlich, ohne es zu wollen, alles richtig gemacht. Nicht-Giessen ohne allzu offensichtliche Trockenheitsschäden ist in jedem Fall viel besser als Giessen ohne sichtbare Effekte (was bei Weitem der häufigste Fall beim Giessen ist).
  • Richtiges Giessen braucht Geduld und dauert nach modernen Zeitmassstäben gerechnet richtig lange. Wer zehn Minuten giesst, liegt sicher falsch; wer zwei Stunden giesst, ist eher auf der richtigen Seite. Aber natürlich kann der Gärtner selber schon nach zehn Minuten genügend nass und erfrischt sein. Wenn dies das eigentliche Ziel ist, ist das natürlich auch o.k.
  • Der gut ausgebildete Giesser giesst unter dem Blattwerk, direkt auf die Erde, den Topfboden, mit einem möglichst weichen Strahl. Denn wie schon gesagt, sind das Ziel nicht nasse Blätter, sondern feuchte Wurzeln. Braune Sturzbäche, die den Hang herunterfliessen, sind ebenfalls nicht zielführend.
  • Am besten giesst man eine Gartenpartie, eine Topfgruppe in mehreren Durchgängen immer wieder, bis sichergestellt ist, dass das Wasser in die Wurzelzone vorgedrungen ist. Hier reicht es, mal nach dem dritten Durchgang mit dem Spaten ein 20 bis 30 cm tiefes Stück Boden auszuheben. Wenn das Wasser nur zwei bis fünf Zentimeter vorgedrungen ist, dann zeigen Sie immer noch viel zu wenig Geduld beim Giessen.
  • Für die Pflanzen (wenn auch nicht für das Gewohnheitstier Gärtner) ist es viel besser, wenn sie zweimal pro Woche als einmal pro Tag gegossen werden. So bekommen sie Wasser und müssen sich doch noch anstrengen.
  • Die richtige Giesszeit ist heiss umstritten. Wir plädieren für die frühen Morgenstunden oder für den späten Abend. Würden wir selber nicht so gerne ausschlafen, gäbe es noch etwas bessere Argumente für den frühen Morgen …
  • Junge, frisch gepflanzte Pflanzen sind früher und häufiger zu giessen als fünfjährige, etablierte Gewächse. Eine Johannisbeere, die im Juni oder Juli ihre Ernte abgeliefert hat und das schon seit Jahren, muss nach der Ernte ganz sicher nicht mehr gegossen werden.
  • Gibt es eine Pflanze, die wir ganz sicher nie giessen würden? Ja: die Rebe! Sie ist ja eigentlich ein Unkraut, wächst fast überall, hasst allerdings Bodenverdichtungen. Und sie holt sich mit den Wurzeln, was auch immer zu holen ist. Nicht von ungefähr ist in vielen klassischen Weinbaugebieten die künstliche Bewässerung nicht gestattet: Sie würde ganz einfach die Trauben aufblasen und die Inhaltsstoffe verwässern. Wollen Sie das?