Wildtiere

Der Biber ist zurück

Wildtiere Eine Erfolgsgeschichte des Naturschutzes: Biber haben die Schweiz zurückerobert. Beim Spaziergang findet man an immer mehr Bächen und Flüssen unübersehbare Biberspuren. Kaum zu glauben, dass die Nager einst ausgerottet waren.

von Alexandra von Ascheraden

Journalistin

Biber sind unsere grössten heimischen Nagetiere. Die imposanten Nager können auch mal so viel wie ein ganzes Reh wiegen. «Ein ausgewachsener Biber bringt zwischen 20 und 30 Kilogramm auf die Waage und wird bis zu einem Meter lang», erklärt Nora Lüdi von Pro Natura Baselland. Dazu kommen nochmals zwanzig bis dreissig Zentimeter Schwanz, die sogenannte «Kelle». Sie ist nicht behaart, sondern von Hornschuppen umgeben, die ein wenig an Schlangenhaut erinnern. Der Biber speichert darin Fett für den Winter.

Eine besonders leckere Fischart?

Seiner aquatischen Lebensweise «verdankt» der Biber (Castor fiber), dass er bei uns einst ausgestorben war. Am Konstanzer Konzil (1414-18) beschlossen die Vertreter der katholischen Kirche, dass alle im Wasser lebenden Tiere Fische seien und somit während der 40-tägigen Fastenzeit gegessen werden dürften. Darunter fielen dann nicht nur Felchen und Frösche, sondern auch Enten, Otter oder Biber. Das enorm dichte Fell der zu Braten verarbeiteten Biber wurde gern zur Herstellung wasserdichter Hüte verwendet. Es ist so dicht wie kaum ein anderes. Ein Quadratzentimeter Biberbauch-Fell besteht aus 23 000 Haaren und ist vollkommen wasserdicht. Auch das sogenannte Bibergeil – der Duftstoff, mit dem der Biber sein Revier markiert – war als medizinisches Allheilmittel gegen Beschwerden, die von Gicht bis Hysterie reichten, begehrt. Als vermeintliches Aphrodisiakum sowieso.

So kam es, wie es kommen musste: «Ende des 19. Jahrhunderts war der Biber in der Schweiz ausgerottet. Ab 1956 wurden erneut erste Biber ausgewildert. Mittlerweile zählt man in der Schweiz und Liechtenstein zusammen etwa 1400 Biberreviere, in denen 4900 Biber leben. Eine Erfolgsgeschichte des Naturschutzes», so Nora Lüdi. Seit 2022 ist der Biber auf der Roten Liste der Säugetiere als nicht mehr gefährdet eingestuft.

Zwei Nachwuchsgenerationen im selben Bau

Ein Revier wird maximal von einem Elternpaar und dessen Jungen zweier aufeinanderfolgender Jahre besetzt. Das Weibchen bringt pro Wurf zwischen zwei und vier Jungen zur Welt. Die Jungen bleiben zwei Jahre in der elterlichen Biberburg und müssen sich erst dann eigene Reviere suchen. Die Grösse des Reviers hängt von der Verfügbarkeit von Nahrung ab. In nahrungsreichen Auenlandschaften kann sich teils alle 500 Meter ein Biberrevier befinden. Andernorts kann ein Revier mehrere Kilometer Bachabschnitt umfassen.

Biber verteidigen ihre Reviere energisch. Die höchste Biberdichte gibt es zurzeit im unteren Thurtal bei Frauenfeld und entlang der Aare und deren Seitengewässern zwischen Thun und Bern. Im Winter 2022 besiedelten Biber bereits 2460 Kilometer Bäche, Flüsse und Seeufer in der Schweiz. 30 Jahre früher waren es gerade 280 Kilometer.

Gestalter von Lebensräumen

Nora Lüdi findet vor allem eine Eigenschaft am Biber grossartig: «Er besitzt die Fähigkeit, seinen Lebensraum aktiv zu gestalten und an seine Bedürfnisse anzupasssen.» Durch Aufstauen schafft er sich genau die Art Landschaft, die er benötigt. Von den entstehenden Lebensräumen profitieren auch eine Menge anderer Lebewesen, etwa Insekten, Fische und Amphibien.

Der Biber ist mit seinem stromlinienförmigen Körper perfekt ans Wasser angepasst. An Land hingegen ist er eher träge unterwegs. Kein Wunder bewegt er sich, wenn möglich, lieber im Wasser. Mit Biberdämmen erhöht er die Wassertiefe so, wie sie ihm behagt, und erweitert den Radius, den er schwimmend erreichen kann. Dafür braucht er Holz als Baumaterial. Mit seinen vier grossen, orangefarbenen Nagezähnen fällt er vorwiegend Weichhölzer im Uferbereich. Die auffallende Farbe seiner Zähne kommt von Eiseneinlagerungen im Zahnschmelz. Dadurch werden seine Zähne beneidenswert widerstandsfähig. Wie bei anderen Nagetieren auch sind sie wurzellos und wachsen ständig nach, da sie sich durch die Nagetätigkeit abnutzen.

Vegetarischer Gourmet

Als reiner Vegetarier frisst der Biber im Winter vor allem Knospen und Rinde. Dafür muss er Bäume fällen, denn klettern kann er nicht. Gefällte Bäume sollte man nicht wegräumen, sondern ihm überlassen, bis er alles abgefressen hat, was ihm daran schmeckt, und er die anderen brauchbaren Teile zu seinem Damm geschleppt hat. Sonst fällt er umgehend die nächsten. «Der Biber frisst etwa 300 verschiedene Pflanzenarten. Da in der Schweiz mittlerweile 40 Prozent der Biberreviere in Landwirtschaftsgebieten liegen, kann es auch zu Nutzungskonflikten kommen», berichtet Nora Lüdi. Dem Biber würden nämlich auch Feldfrüchte wie Zuckerrüben und Mais schmecken. Gewöhnlich fresse er nicht mehr als 20 Meter vom Ufer entfernt. «Es gibt jedoch Ausnahmen, in denen er deutlich grössere Wege auf sich nimmt, um an besonders begehrte Feldfrüchte zu kommen.»

Und die Zukunftsaussichten? Man rechnet mit einer Verlangsamung der Ausbreitung, da viele der potentiell geeigneten Gebiete bereits von Bibern besiedelt sind und Biber ihr Revier verteidigen. Der Nager darf nicht gejagt werden (der Schutzstatus steht zurzeit jedoch zur Diskussion, Anm. d. Red.), weshalb der Mensch als Feind wegfällt. Und Bibergeil würde wohl ohnehin niemand mehr in der Apotheke verlangen. Der einzige nachweisbare medizinische Wirkstoff darin ist die Acetylsalicylsäure, die von der Weidenrinde herrührt, welche die Biber so gern fressen. Und diese kann man als chemisch hergestelltes Schmerzmittel, etwa in Aspirin, seit Anfang des 20. Jahrhunderts längst biberfrei in jeder Apotheke bekommen.

Unterscheidung Biber und Nutria (Biberratte)

 

Biber

Bis zu einem Meter lang – ohne Schwanz gemessen

Der Schwanz ist bis zu 20 cm lang, platt, fellfrei und von Hautschuppen überzogen

Beim Schwimmen liegen Augen, Nase und Ohren auf einer Linie über der Wasseroberfläche

Der Rücken liegt fast völlig unter der Wasseroberfläche

 

Biberratte / Nutria

50-60 cm lang, also deutlich kleiner als der Biber

Der Schwanz ist lang und rund

Dicke, weisse Barthaare und sichtbare Ohren

Der Rücken ist beim Schwimmen sichtbar, da Nutrias höher im Wasser liegen als Biber

Biber im Garten – was nun?

Biber schaffen mit ihren Dämmen wertvolle Ökosysteme. Umso schöner, dass es dem Biber in der Schweiz immer besser gefällt und die Bestände steigen. Aber was, wenn er es beim Bäumefällen nicht bei Hasel und Weiden vom Bachufer belässt, sondern es ausgerechnet der liebevoll gehegte Apfelbaum sein muss? Je weiter die imposanten Nager in kleinere Gewässer vordringen, desto höher ist die Chance, dass sie ihre Zähne auch mal in den Gärten der Anwohner ansetzen. Das wirksamste Gegenmittel ist, vorsorglich alle Stämme mit Diagonalgeflecht zu sichern. Dagegen kommt der stärkste Zahn nicht an. Hühnerdraht ist zu schwach, den kann der Biber herunterreissen. Wichtig ist, die Drahthosen regelmässig zu kontrollieren und sie auch dem wachsenden Stammumfang anzupassen. Da ein entschlossener Biber sich zum Nagen auf seinen Hinterbeinen gewaltig in die Höhe strecken kann, sollte der Draht mindestens 1,30 Meter hoch sein.

Biberdämme dürfen, selbst wenn sie dafür sorgen, dass die eigene Wiese geflutet wird, nicht gestört werden. Biber, wie auch ihr Bau, sind streng geschützt. Die Biberfachstellen wissen Rat und können in Rücksprache mit den zuständigen Behörden, meist dem kantonalen Wildhüter und Jagdverwalter, auch Vorschläge für Lösungen erarbeiten.

 

Weitere Informationen:

Biber Beratungsstelle