Teppiche

Bodenschätze

Mit dem Herbst kommt die Zeit, in der Interior-Design-Enthusiasten ihre Räume behaglicher gestalten wollen. Einer der besten Wege, um Gemütlichkeit zu schaffen, ist das Einsetzen von Teppichen. Mit ihnen verleiht man jedem Raum Wärme, Textur und Charakter.

von Andrea Eschbach

Journalistin, Zürich

Ein herausragender Trend ist derzeit die Rückkehr zu handgefertigten Teppichen. Diese Unikate zeichnen sich durch ihre individuelle Gestaltung und hohe Qualität aus. «Bei mir bekommt man einen Teppich nach Mass – das gilt nicht nur für die Grösse, sondern auch für die Farbkombination», erklärt Anna Saarinen. Die Textilingenieurin fertigt in ihrem Atelier in der Zürcher Altstadt Entwürfe, die an die Tradition der Baumwollteppiche ihrer Heimat Finnland anknüpfen. «Die Entwürfe entstehen in meinem Kopf. Ich sehe den Teppich vor mir, bevor ich mich an den Webstuhl setze – und dann verändert er sich im Kontakt mit der Kundschaft, bis er genau dorthin passt, wo er liegen wird.» Ihr Atelier ist Laden, Showroom und Arbeitsort zugleich. Wer es betritt, hört an manchen Tagen auch die rhythmischen Klänge des Webstuhls. «Nicht selten wollen meine Kunden auch sehen, wie ihre Teppiche gefertigt werden.»

Teppiche mit nordischem Flair

Zusammen mit einem Team von selbstständigen Weberinnen in der Schweiz und Finnland entstehen die handgefertigten Teppiche aus Baumwollbändern, Leinen und Papier – eine Nische, ist man in der Schweiz doch eher Wollteppiche gewohnt. «Die Kombination von textilem Gestalten und Spielen mit Farben und Mustern ist meine Leidenschaft. Nordisches Design inspiriert mich. Während mich anfangs Traditionen leiteten, sind meine Entwürfe über die Jahre schlichter, einfacher geworden. Ihr nordisches Flair haben sie dabei nie verloren», sagt Saarinen. Eine der Kollektionen ist «Kirjasto». Kirjasto heisst auf Finnisch Bibliothek, denn ursprünglich entwarf Saarinen diese Teppiche für die Luzerner Zentralbibliothek. Jeder Teppich ist ein Unikat aus starken Farbkombinationen. Inspiration für ihre Entwürfe findet die Designerin in vielem: «Im Kleid einer Frau, die vorbeigeht, in einer Kunstausstellung, in den Farben des Himmels im finnischen Sommer.»

Teppiche sind wieder gefragt. «Während der Covid-Pandemie verbrachten die Menschen mehr Zeit zu Hause und hatten auch mehr Zeit, über Einrichtung nachzudenken», sagt Saarinen. Das bestätigt auch Tim Kramis, Leiter Marketing und Verkauf bei Kramis Teppich Design in Altbüron: «Die Nachfrage nach Teppichen ist sprunghaft angestiegen.» Hinzu komme, dass die zeitgenössische Architektur eher kühl und von Beton und grossen Fensterfronten geprägt ist. «Die Menschen investieren als Kontrast dazu wieder in Wollteppiche, um eine persönliche Wohlfühloase zu schaffen.» Alle Teppiche des Familienbetriebs sind auf Mass aus Schurwolle und Leinen individuell gefertigt, allesamt Unikate. Die Manufaktur hat sich auf Handtufting spezialisiert – eine Technik, bei der jeder Teppich einzeln in Handarbeit entsteht. Dabei wird ein Holzrahmen mit einem Trägergewebe bespannt, anschliessend wird das Garn mit einer Handtuftmaschine in das Gewebe eingestickt. Dies erfolgt Reihe für Reihe, bis eine Teppichfläche entsteht. Dabei können hohe oder flache und geschlossene oder aufgeschnittene Schlingen entstehen. Dies führt dazu, dass ein breites Spektrum an unterschiedlichen Teppichstrukturen möglich ist.

Traditionelle Handwerkskunst

Um den Kunden die Auswahl zu erleichtern, ist das Sortiment in thematische Kollektionen strukturiert, die sorgsam ausgearbeitete Farbstellungen zeigen. So beispielsweise die Kollektion «Zytgeischt», bei der Schurwolle mit Leinen in gleicher Farbe kombiniert wird. Brandneu im Kramis-Portfolio ist die Kollektion «Swisscraft». Mit diesen Entwürfen schlägt das Unternehmen eine neue Richtung ein, ist es doch der erste Teppich aus 100 % Schweizer Schurwolle und Leinen. Das Design stammt von Alexa Blum. Entstanden sind drei Modelle und drei Colorits, die frei miteinander kombiniert werden können. «Wir stützen uns dabei konsequent auf regionale Materialien und Prozesse ganz in Schweizer Tradition: hochwertige Rohstoffe, solides technisches Know-how und ein Design, das im direkten Dialog mit dem Handwerk entsteht», sagt Kramis. In der Schweiz seien nach wie vor neutrale Töne wie Beige, Grau und Weiss besonders beliebt, weiss Kramis. «Viele Kunden scheuen kräftige Farben aus Angst, dass ihnen der Teppich in auffälligen Farben bald verleiden könnte.»

Dezente Töne sind auch bei Ruckstuhl gefragt. Beim Teppich «Horu» setzt die Langenthaler Teppichmanufaktur auf die natürliche, ungefärbte Wolle des Walliser Schwarznasenschafs. Dessen lange, gedeckt weisse Wolle ist weich, warm und besteht zu 85 % aus Luft – ideal für das Mikroklima in jedem Raum. Die Wolle bleibt während des gesamten Herstellungsprozesses – von den am Fuss des Matterhorns weidenden Schafen bis hin zum fertigen Produkt – stets in der Schweiz: Die Wolle wird in der Wollspinnerei Huttwil nach traditioneller Handwerkskunst gewaschen, gesponnen und weiterverarbeitet. Auch die jüngste Kollektion verwandelt die Wolle vom Schwarznasenschaf in einen Bodenbelag – einen mit Symbolkraft dazu. Gemeinsam mit dem deutschen Design-Duo Guido Metz und Michael Kindler entstand der drei-dimensionale getuftete Teppich «La Suisse en Laine». Um das Schweizer Relief als Teppich umzusetzen, sind umfangreiche Anpassungen am Tuftingroboter notwendig. Anschliessend wird die Schweiz in acht unterschiedliche Höhenstufen unterteilt, die als Grundlage für die CAD-Daten des Roboters dienen. Am Ende entsteht nach vielen Arbeitsstunden ein wahres Kunstwerk: ein teppichgewordenes Stück Schweiz.