Nicht nur bei uns Menschen liegen Frühlingsgefühle in der Luft. Auch viele Vögel sind jetzt damit beschäftigt, einen Partner zu finden, ein Nest zu bauen und gemeinsam Junge aufzuziehen. Je nach Vogelart bestehen andere Ansprüche an den Standort, der sich als sichere Kinderstube eignen soll. Während manche Vogelarten ihr Nest in Büschen oder Bäumen bauen, nisten andere an Gebäuden. Zu letzteren zählen beispielsweise Mauersegler oder Haussperling. Diese sogenannten Höhlenbrüter ziehen ihre Jungen in Hohlräumen unter Ziegeln, in verwittertem Mauerwerk oder auch in Storenkästen gross. Andere Vogelarten, unter ihnen Hausrotschwanz oder Bachstelze, nutzen lieber Nischen als Neststandort. Diese finden sie beispielsweise zwischen Dachbalken und Hauswand. Eine ganz eigene Strategie haben Mehl- und Rauchschwalben – sie bauen ihr Nest in mühevoller Kleinarbeit aus Hunderten Lehmklümpchen, die sie an die Aussenwand von Gebäuden oder ans Deckengebälk von Ställen kleben.
Knapper Wohnraum
Gebäudebrüter haben es heutzutage allerdings nicht einfach. Einerseits haben Vögel als Nachbarn vielerorts an Akzeptanz verloren, weswegen ihnen der Zugang zu Nistplätzen am Gebäude verwehrt wird. Andererseits wird der Wohnraum für Vögel auch aus bautechnischen Gründen knapper. Moderne Gebäude weisen oftmals keine geeigneten Brutplätze auf, und ältere Gebäude, die reich an Nischen oder Hohlräumen sind, werden vielfach abgerissen oder saniert. So gehen Jahr für Jahr etliche Brutplätze verloren. Längerfristig dürfte dies eine grosse Herausforderung für Gebäudebrüter werden. Besonders betroffen sind Schwalben und Segler, die ihre Nester über viele Jahre nutzen und im Hinblick auf die Standortwahl zudem weniger flexibel sind als beispielsweise Haussperlinge.
Finden Bauvorhaben während der Brutzeit statt, so kann dies ferner zu Notsituationen führen, da Nester offengelegt werden und Bruten zu Schaden kommen können.
Gebäudebrüter bewegen die Gemüter
Beim Thema Gebäudebruten stehen sich nicht selten die Interessen von Vögeln und Menschen gegenüber. Dies führt in der Praxis oft zu Unsicherheiten oder Missverständnissen, wie mit Nestern an Gebäuden zu verfahren ist. Die Schweizerische Vogelwarte hat daher in Zusammenarbeit mit der Jagd- und Fischereiverwalter-Konferenz der Schweiz und des Fürstentums Liechtenstein (JFK) eine Entscheidungshilfe erarbeitet. Diese basiert auf dem Leitgedanken, dass wir Menschen eine Verantwortung für das Wohlergehen und den Schutz von Gebäudebrütern tragen, sind sie doch für ihr Überleben auf unser Wohlwollen angewiesen. Nester mit Eiern oder Jungvögeln sind daher grundsätzlich tabu und dürfen nicht entfernt werden. So stellt das Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel (JSG) das Ausnehmen von Eiern und Jungvögeln sowie die Störung des Brutgeschäfts unter Strafe. In der Konsequenz sollten auch Arbeiten zur Brutzeit unterlassen oder höchstens mit grösster Vorsicht vorgenommen werden, falls Bruten und Nistplätze an Gebäuden bekannt sind.
Gut geplant ist halb gebaut
Nester an Gebäuden sind für Bauprojekte unter Umständen eine Herausforderung. Mit einer vorausschauenden Planung können jedoch unliebsame Überraschungen und Zeitverzögerungen verringert werden. Gut beraten ist, wer frühzeitig mit Fachpersonen Kontakt aufnimmt. So kann abgeklärt werden, ob und welche Arten am Gebäude brüten und wie man auf diese Rücksicht nehmen kann.
Viele Vogelarten, unter ihnen beispielsweise der Hausrotschwanz, bauen jedes Jahr ein neues Nest und wechseln dabei oft den Standort. Ausserhalb der Brutzeit kann man die Nester daher entfernen. Anders sieht es hingegen aus, wenn beispielsweise Schwalben oder Segler brüten. Sie bauen nicht nur äusserst aufwendige Nester, sondern nutzen sie auch jahrelang, weswegen ihre Nester und Neststandorte erhalten bleiben sollen. Die Schweizerische Vogelwarte und die kantonalen Jagdverwaltungen beraten Bauherrinnen und Bauherren gerne dabei, wie dies am besten geschieht. Ist ein Erhalt in speziellen Fällen nicht möglich, so sollte der verloren gegangene Wohnraum mit spezifischen Nisthilfen kompensiert werden. Bei Fragen dazu – wie auch bei Unklarheiten zur brütenden Vogelart – hilft die Vogelwarte ebenfalls gerne weiter. Für Laien ist es nämlich nicht immer einfach, den gefiederten Untermieter zu identifizieren. Je nachdem, um welche Art es sich handelt, sind die Massnahmen aber ganz andere.
Chancen nicht ungenutzt lassen
Bauvorhaben sind für die Artenförderung nicht nur eine Herausforderung, sondern bieten auch Chancen. Oft wird ein Baugerüst installiert, das auch für die Montage von Nistkästen genutzt werden kann. Im Falle von Nisthilfen für Mauersegler besteht zudem die Möglichkeit, sogenannte Niststeine zu verwenden, die bei Neubauten direkt in die Fassade oder das Mauerwerk integriert werden können. So können Mauersegler auch an Gebäuden mit Flachdächern gefördert werden.
Gebäudebrütern unter die Flügel zu greifen ist auch dann sinnvoll, wenn kein Bauvorhaben ansteht. Sei es, indem man ihnen mittels Nisthilfen zusätzlichen Wohnraum anbietet, oder indem man ihren Nestbauaktivitäten mit etwas mehr Nachsicht begegnet. Denn schlussendlich haben gefiederte und menschliche Hausbewohner dasselbe Grundbedürfnis – ein sicheres Zuhause für die Familie.
Nester mit Eiern oder Jungvögeln sind grundsätzlich tabu und dürfen nicht entfernt werden.
Was tun bei Vogelnestern an Gebäuden?
Der Umgang mit Nestern an Gebäuden wirft oft Fragen auf. Die Schweizerische Vogelwarte hat daher in Zusammenarbeit mit der JFK eine digitale Entscheidungshilfe erarbeitet. Sie soll helfen, die richtige Vorgehensweise zu wählen: vogelwarte.ch/gebaeudebruten