Pferde

Vom Spielen mit Pferden

Tiere Hans Schmutz ist kein Pferdeflüsterer – und schon gar kein Cowboy. Viel mehr ist er ein Horseboy mit ganz eigener Pferdephilosophie. Ein Besuch auf seiner Ranch in Rubigen BE zeigt, was er darunter versteht.

von Isabelle Wachter

Journalistin, Zürich

Am Bahnhof Rubigen wartet Hans Schmutz mit seinem knallgelben Citroën Méhari. «Das ist mein Sommerauto. Ich finde es angenehm, den Fahrtwind durch die offenen Seitenfenster und das Softdach zu spüren», erzählt der siebzigjährige, aufgestellte Rubiger. Beim Betreten der Magic Vision Ranch, die er im Jahre 2000 erworben hat, wird einem sofort klar: Hier wohnt ein absoluter Tierliebhaber. Hündin Dajana begrüsst uns schwänzelnd und folgt Hans Schmutz auf Schritt und Tritt. Er wohnt zusammen mit seiner Frau auf der Ranch. Sie teilen nicht nur ihr Leben miteinander, sondern auch die Liebe zu den Pferden. Das alte Bauernhaus fügt sich hervorragend in das Western-Ambiente der Ranch ein. Vor dem Haus befindet sich eine Veranda, deren Geländer in alter Western-Manier hölzerne Wagenräder zieren. Geranien schmücken die Fenstersimse und ein grosszügiger Rasen lädt zum Verweilen ein. Gleich daneben befindet sich ein Gehege mit Vögeln, Enten und Kaninchen – und natürlich das Pferdegehege.

Pferdeparadies mit eigenem Pool

Die zwei Stuten Princess und Müsli suchen bei den vorherrschenden Temperaturen von über 30 Grad den Schatten. Davon ist in ihrem Gehege genug vorhanden. Wobei – eigentlich muss man eher von einem Pferdeparadies oder einer Pferdewohnung sprechen als von einem Gehege. Princess und Müslis Paradies beinhaltet neben einem grossen überdachten Bereich mit Futterplatz auch zwei Brunnen, eine grosszügige Weidefläche und sogar einen Pool, in dem sie sich an heissen Tagen immer wieder abkühlen können. Da alle Bereiche miteinander verbunden sind, geniessen sie Tag und Nacht das Privileg, sich aufzuhalten, wo auch immer es ihnen gerade beliebt. «Eine Haltung mit grosszügigen Flächen ist Teil meiner Philosophie. Sie ist Basis für das gegenseitige Vertrauen, das es aufzubauen gilt», sagt Hans Schmutz. Pferdehalterinnen und -haltern, die über beschränkten Platz verfügen, empfiehlt er, mindestens dafür zu sorgen, dass die Pferde Auslauf haben.

Vom Trainieren zum Spielen

Auch der Sandplatz ist in das Pferdegehege integriert. Den Sandplatz nennt Hans Schmutz Spielplatz. Hier hat er mit seinen Pferden in früheren Jahren für Western-Turniere trainiert. Die Disziplinen im Westernreiten heissen Reining, Trail und Pleasure. Dabei ist das Reining mit seinen Galoppwechseln, Sliding Stops und Spins die Königsdisziplin. Bei der Disziplin Trail durchläuft und überquert das Pferd diszipliniert und konzentriert Hindernisse. Und beim Pleasure werden die drei Gangarten so langsam wie möglich geritten. «Ich reite schon seit vielen Jahren keine Turniere mehr. Irgendwann habe ich realisiert, dass ich mit den Pferden kein Hochleistungstraining mehr machen möchte. Vielmehr möchte ich mit ihnen «spielen». Denn der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses dauert bei einem Fluchttier viel länger als beispielsweise bei einem Hund.» Heute legt er seinen Pferden nicht mal mehr eine Wassertrense an. Hans Schmutzs Pferde tragen nur noch einen einfachen Bosal, ein Halfter oder gar nichts.

Der Schmutz-Reitstil

Auch wenn er den Turnieren abgeschworen hat, ist er dem Western-Reitstil treu geblieben. Aus seiner Sicht ist das Westernreiten naturverbundener. Er betont aber eindringlich, dass es sowohl in der Western- als auch in der Englisch-Reitszene Menschen gäbe, die gut oder schlecht mit ihren Pferden umgehen würden. «Eigentlich habe ich mittlerweile meinen eigenen Reitstil – den schmutzschen», meint er. Das A und O seiner Pferdephilosophie sei viel Zeit zu investieren und unter gar keinen Umständen physische Gewalt anzuwenden. Anhand der vielen Bilder und Filme, die Hans Schmutz vorführt, sieht man denn auch, was er damit erreicht hat. Die Pferde vertrauen ihm durch und durch. Liegt er auf der Wiese, legen sie sich zu ihm. Sie laufen ihm nach, ähnlich wie die Hündin Dajana. Und einmal ist ihm ein Pferd sogar in sein Haus gefolgt. «Das alles ist der Lohn jahrelanger vertrauensbildender Arbeit», erklärt Schmutz.

Zeit, Geduld und Belohnung

In der Pferdeszene hört man oft, jedem Pferd müsse «der Wille gebrochen werden», damit man es reiten könne. Denn grundsätzlich sei ein Pferd ein Fluchttier und wolle nicht geritten werden. Hans Schmutz ist da anderer Meinung: «Klar muss man dem Pferd aufzeigen, wer die Autorität hat. Aber auf gar keinen Fall mit physischer Gewalt. Ein Fluchttier kann nie mit Gewalt gebändigt werden und vergisst keinen einzigen Schlag.» Manchmal müsse man das Pferd einfach machen lassen. Wenn es beispielsweise nicht in den Anhänger steigen möchte, sollte man das Pferd vom Halfter nehmen, rumrennen lassen und es dann durch Worte, die Hand oder einen Gegenstand (ohne physischen Kontakt) zum Stehenbleiben bewegen. Das Pferd werde dann in die andere Richtung rennen. Nach einer gewissen Zeit soll man den Vorgang wiederholen. «Dann realisiert das Pferd, dass du das Sagen hast. Ganz wichtig ist, dass man das Pferd dann belohnt, indem man es streichelt. Und wenn es dann schliesslich in den Anhänger steigt, gibt man ihm ein Gutzi. Das ist Bildung von Vertrauen.»

Reiten für einen guten Zweck

Hans Schmutz ist auch für seine Wanderritte bekannt. Jedes Jahr reitet er von einem berühmten Ort im Ausland zum Bundesplatz in Bern. Dabei lässt er sich von einer prominenten Person verabschieden. Auch auf dem Bundesplatz wird er von Personen aus der Schweizer Prominenz empfangen, beispielsweise von Bundesrätin Simonetta Sommaruga. Die Berner Zeitung ist jeweils vor Ort und berichtet über das Spektakel. Dabei gehe es aber nicht nur um Publicity, meint Schmutz. Er sammelt unterwegs Spenden für die Organisation «Ärzte ohne Grenzen». Damit die Spenderinnen und Spender auch sicher sein können, dass das Geld bei der Hilfsorganisation ankommt, publiziert die Berner Zeitung all ihre Namen. Seine Reisen haben Schmutz schon vom roten Teppich in Cannes, von Le Mont-Saint-Michel, vom Trentino oder von Ribnica (Slowenien) auf den Bundesplatz geführt. Das sind bis zu 1000 Kilometer Distanz. Einen Viertel der Strecke geht er jeweils zu Fuss.

Autor, Tierschützer und Coach

Neben seinen Wanderritten ist Hans Schmutz auch Autor. Er hat die Bücher «Das Pferd ist was Du bist» geschrieben und «Wissenswertes im Umgang mit Pferden». Zudem hat er den Film «Ich hab’ einen Freund» produziert, der in mehreren kleinen Kinos in der Region Bern gezeigt wurde. Der Tausendsassa ist auch als Tierschützer und Coach tätig. Immer wieder wird er für Vorführungen angefragt. Viele Pferdebesitzerinnen und -besitzer suchen bei ihm Rat, wenn das eigene Pferd beisst, ausschlägt oder eine sonstige Verhaltensauffälligkeit zeigt. «Ich freue mich immer, wenn ich den Menschen und vor allem auch den Pferden helfen kann. Es ist mir wichtig, meine Philosophie weitergeben zu können», sagt Schmutz und steigt schmunzelnd in seinen Citroën Méhari. Auf gehts zum Bahnhof. Das Paradies mit den glücklichen Pferden wird mir noch lange in Erinnerung bleiben.

Liegt er auf der Wiese, legen sich die Pferde zu ihm.

Weitere Informationen

Mehr über Hans Schmutz, seine Methoden und die Ranch erfahren Sie unter:

magic-vision-ranch.com

E-Mail: haschmutz@bluewin.ch