Meier meint

RPG-Vorsilbenspielerei

von Markus Meier

Direktor HEV Schweiz

Seit 1980 ist das eidgenössische Raumplanungsgesetz (RPG) in Kraft. Gestützt auf Artikel 75 der Bundesverfassung ist es die gesetzliche Grundlage für eine haushälterische Nutzung des Bodens. In seiner ersten Revision namens RPG 1 wurde als Hauptanliegen die Siedlungsentwicklung nach innen ins Visier genommen. Das Ziel: Die über Jahrzehnte stattgefundene Zersiedelung und die damit verbundene flächenmässige Ausdehnung der Siedlungen soll eingedämmt werden. Das Stimmvolk hiess RPG 1 mit rund 63 Prozent Ja-Stimmen deutlich gut. Deshalb lautet das Zauberwort seit dem 1. Mai 2014 «Verdichtung nach innen».

Bis anhin erweist sich die verlangte Verdichtung jedoch eher als Dichtung. In der Realität zeigt sich vor allem der «Nimby (not in my backyard)-Effekt», nämlich: Verdichtung ja, aber nicht bei mir! In der Folge werden Projekte ausgebremst und verzögert, um schliesslich ganz verhindert zu werden. Dies sowohl auf unbebauten, eingezonten und erschlossenen Grundstücken als auch bei Erweiterungs- oder Ersatzneubauten. Nicht zuletzt auch infolge dieser Be- und Verhinderungen bewegen wir uns im Wohnungsmarkt auf eine Verknappung zu. Das Angebot vermag mit der stetig wachsenden Bevölkerung und demografischen Veränderungen nicht Schritt zu halten.

Zusätzlich scheint nun auch die bauliche Verdichtung in Städten mehr in den Fokus zu geraten. So habe ich jüngst von einem Stadtbauexperten gelesen, der an seinem Lehrstuhl nicht das Ver-, sondern das Entdichten der Stadt lehrt. Entdichtetes Bauen und entsiegelte Grünflächen sollen Städte wohnlicher und hitzetauglicher machen. Also eine flotte 180-Grad-Kehrtwende, sozusagen eine Vorsilbenumkehr von «ver-» zu «ent-». Da stellt sich mir unweigerlich die Frage, was diese Umkehr bringt? Soll es von der Bevölkerung zur Entvölkerung kommen? Wo liegen die Verwicklungen der bisherigen Entwicklungen? Führen entsprechende Entwirrungen bestenfalls zu Verwirrungen? Haben wir so versagt, dass nun bisherigen Planungen entsagt werden soll? Unter welchen Verdeckungen finden sich zielführende Entdeckungen? Können wir es uns leisten, die Zeiten vergehen und uns Chancen entgehen zu lassen?

Ohne Vorsilbenschaden bleibt für mich einzig unbestritten, was der einstige deutsche Bundespräsident Walter Scheel festgestellt hat: «Nichts geschieht ohne Risiko, aber ohne Risiko geschieht auch nichts.»

«Entdichtetes Bauen und entsiegelte Grünflächen sollen Städte wohnlicher und hitzetauglicher machen.»