Der Verein «mobiglias» will helfen, qualitativ hochstehende Möbel und Objekte aus Bündner Rohstoffen auf den Markt zu bringen. Die Bündner Gruppe hat diesen Herbst an der Messe «neue räume» nach 2019 bereits zum zweiten Mal die Ergebnisse eines Designwettbewerbs gezeigt. Von den sechs prämierten und vier nominierten Arbeiten stellten «mobiglias»-Produktionsbetriebe Prototypen her, welche die Besucherinnen und Besucher der Designmesse in Augenschein nehmen konnten. Zu kaufen gibt es diese Möbel (noch) nicht.
Bündner Holz in jungem Design
Auf dem ersten Rang findet sich diesmal das Regal «Sela» von Julian Valentin Bräm und Noëmi Bräm (Winterthur), zusammen mit der Sitzbank «Scarsola» von Justinas Zuklys (Zürich). «Sela», hergestellt von der Falegnamaria Armon Lingenhag in Strada, ist von den Vorratsgestellen in traditionellen Bündner Häusern inspiriert. Das Regal lässt sich in vielerlei Positionen einsetzen: an der Wand hängend, stehend, liegend, aber auch als Bank. Die Sitzbank «Scarsola» wurde von der ruwa AG Holzbau in Küblis und dem Klosterser Polsteratelier Sereina Brosi gefertigt. Sie ist durch die filigrane Bauweise der althergebrachten Transportschlitten für Heu und Waren aller Art inspiriert. Keile halten die schlanke Konstruktion aus rezykliertem Lärchenholz zusammen. Das Möbel wird mit dem angeknoteten Sitzkissen zur Sitzgelegenheit.
Bleibenden Eindruck hinterliess an der «mobiglias»-Sonderschau aber auch das mächtige und doch schlichte, unverschämt fein duftende Arven-Sideboard «orizont» der Schreinerei Trutmann GmbH aus Samedan – kein Prototyp, sondern die Variation eines Möbels, das bereits einmal als Spezialanfertigung entstanden ist. Es zählte zu drei Arbeiten in der Ausstellung, die am Wettbewerb teilgenommen hatten, jedoch nicht zu den Preisträgern und Nominierten gehörten. Stefan Trutmann führt seit 2020 die über hundertjährige Handwerkstradition der Familie Zangger-Rechsteiner unter neuem Namen fort. Trutmann hat selbst lange im Zangger-Betrieb gearbeitet, den er vor zwei Jahren übernommen hat.
Der Dreh mit dem Bein als Markenzeichen
Vor zehn Jahren haben die beiden jungen Designerinnen Christine Urech und Simone Hölzl zusammen mit dem Schreinermeister Heinz Spychiger, damals Geschäftsleiter der Feldmann & Co. AG in Lyss, den «Wood Award» des Verbands Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten VSSM für ihren eigenwilligen Tisch und Hocker «niu» gewonnen. Markenzeichen der beiden damals rund geformten Möbel war und ist die Ausführung der Beine, denen eine topmoderne CNC-Maschine ihre gekonnt gedrehte Form verleiht. Heute bieten die beiden Gestalterinnen, die sich in der niuform GmbH in Luzern zusammengetan haben, neben Produkt- und Interior-Design eine ganze «niu»-Kollektion an, in der sich nun auch ein viereckiger Hocker, ein Sofatisch, eine Sitzbank, die auch ein Sideboard sein kann, ein runder und ein rechteckiger Esstisch sowie Beistelltische finden, je nach Gusto mit drei oder vier Beinen. Alle «niu»-Modelle werden seit 2014 bei der Möbelfabrik vonrickenbach.swiss AG in Muotathal gefertigt – in Esche, Eiche oder Nussbaum.
Das pfiffige Design von «niu» kommt nicht nur bei privaten Einrichterinnen und Einrichtern an. Wer die Glattalphütte der SAC-Sektion Mythen schon einmal von innen gesehen hat, kennt auch deren Interieur: Rund 40 vierbeinige «niu»-Hocker und fast ein Dutzend ebensolcher Tische prägen es.
Die beiden Macherinnen, die konsequent auf hochwertige Naturmaterialien und die Zusammenarbeit mit dem lokalen Gewerbe setzen, widmen sich seit 2020 verstärkt dem Vertrieb ihrer Kollektion. Wie wollen sie die Möbelfamilie weiterentwickeln? «Wir denken an einen Stuhl mit Rückenlehne», verrät Christine Urech. «Vielleicht sind wir bereits ab 2023 so weit, dass wir ihn auch in grösserer Stückzahl anbieten können.»
Gesteckt und geklickt – ganz ohne Metall
Einer, der ebenfalls auf Hightech-Fertigung setzt, ist der Möbel-Quereinsteiger Christian Albrecht. Der gelernte Hochbauzeichner hat nach Jahrzehnten als Stadtplaner mit 48 Jahren noch einmal eine Berufslehre als Schreiner gemacht und konzentriert sich jetzt, inspiriert von der Kunst traditioneller asiatischer Holzverbindungen, mit seiner Berner Firma holzsinn.ch GmbH auf eine Spezialität: Steckmöbel.
Ob Pult, Bett oder Sideboard: Albrechts SteckHolz-Möbel mit ihren CNC-gefrästen Steckverbindungen kommen vollständig ohne Dübel, Leim und Schrauben aus. Die Einzelteile verbinden sich mit einem einfachen Klick, ohne dass man beim Zusammenbau zu einem Werkzeug greifen muss. Für jede Holzart hat der Tüftler sein System ausjustiert. Neuerdings setzt Albrecht mehrheitlich auf Sperrholzplatten, aber angefangen hat alles mit massivem Ahorn aus dem Berner Wald.
Albrechts Möbel sind funktional und wirken rational. Das spiegelt sich auch in seinem «Steck-Sideboard» in Ahorn wider. Langlebigkeit ist hier Programm: Das Sideboard ist voll zerlegbar und lässt sich immer wieder neu montieren.
Holz und nur Holz: ein Regal räumt ab
Klick gemacht hat es mit dem Massivholz und leimfreien Verbindungen bei Roger Lindauer schon vor fast 20 Jahren. Zuerst hat der ausgebildete Schreiner und Baubiologe, dessen Schreinereibetrieb in Steinen heute über 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zählt, aus Massivholz ein Bett gemacht, dann eine Küche, später Tische, Schränke und Badmöbel. Und er hat dafür eine Klicktechnik entwickelt, mit der sich die einzelnen Teile, etwa für eine Küchenfront, elegant, optisch perfekt und zugleich ökonomisch ohne Leim aneinander fügen.
Als Lindauer damit anfing, aus lokalem Rohstoff massiv und leimfrei zu fertigen, waren die entsprechenden Aufträge nicht mehr als ein Zubrot. Heute halten sich in seinem Unternehmen dieses Segment und die konventionellen Schreinerarbeiten vom wirtschaftlichen Gewicht her in etwa die Waage. Die Schreinerei Lindauer stellt vor allem Küchen her. Doch Lindauers Massivholz-Philosophie setzt ein Möbel aufs Schönste um: das Regal «001» aus Innerschweizer Esche. Entstanden ist das Gestell 2021 in Zusammenarbeit mit den beiden jungen Architekten Philipp Schaefle und Hendrik Steinigeweg, die 2019 zusammen das Zürcher Büro noun GmbH gegründet haben.
Jedes Regalbrett fügt sich aus vier Teilen ohne Werkzeug per Klick zusammen. Schmale, unten eingeschobene Querstreben stabilisieren es. Und dann geht es ohne jedes Werkzeug weiter: Aufgebaut wird Ebene um Ebene mit Eschenstäben, die sich von Hand ineinanderschrauben lassen. Innen- wie Aussengewinde sind in die Stäbe eingefräst. Kurz: An diesem Möbel ist nichts anderes dran als Holz und modernste Fertigungstechnologie. Dafür gab es 2021 verdientermassen einen «Sonderpreis Schreiner» des Prix Lignum 2021. Zu haben ist das Regal «001» in verschiedenen Ausführungen über madeofwood.ch.
Infos
Ausgewiesene Schreiner-Spezialisten finden Sie unter: schreiner.ch. Betriebe, die das «Label Schweizer Holz» führen unter: holz-bois-legno.ch. Die technische Beratung der Lignum erteilt unter Tel. 044 267 47 83 von Montag bis Donnerstag jew. morgens von 8–12 Uhr kostenlos Auskunft zu allen Fragen rund um Holz und seine Anwendung am und im Haus. lignum.ch