Der Schweizerische Hauseigentümer: Welche Ziele verfolgt eine smarte Gebäudetechnik? Philipp Heer: Klassisch verfolgt Gebäudetechnik und Gebäudeautomation die Anwendung eines robusten Anlagenbetriebs, um Komfort für Gebäudenutzer kosteneffizient bereitzustellen. Mit digitalisierten Gebäuden kann man auch über das einzelne Gebäude hinausdenken. Beispielsweise können der Energieverbrauch gesenkt und flexibilisiert, Unterhaltsarbeiten verringert und der Raumkomfort gesteigert werden. Dies ist attraktiv für Mieter, Eigentümer und Energieversorger, geht aber über die klassische Gebäudeautomation hinaus. Ein spannendes Forschungsgebiet.
Welche Entwicklungen sehen Sie aktuell in diesem Bereich?
Ein grosses Thema ist die Digitalisierung des Bestands, sprich: Wie können Gebäudeautomation, Smart-Grid- oder Smarthome-Funktionen in bestehende Gebäude gebracht werden? Dies betrifft Heizungen und Ladestationen, aber auch Raumkomfort wie Verschattung und Raumklima.
Von der smarten zur selbstlernenden Technik: Welches waren die wichtigsten Fortschritte im Bereich der selbstlernenden Gebäudetechnik in den letzten fünf bis zehn Jahren?
Selbstlernende Gebäudeautomation und Energiesystemplanung haben es auf den Markt geschafft. Vor allem bei der Zuverlässigkeit, Datenintensität und Rechenintensität wurden enorme Fortschritte gemacht. Modelle mit künst-licher Intelligenz (KI) können nun zuverlässig sehr gute Resultate erzielen, sie kommen mit wenig Daten aus und benötigen dafür nur noch handelsübliche Hardware. Diese drei Aspekte sind noch nicht ausgereizt, und wir werden weiterhin Verbesserungen sehen.
Inwiefern eignen sich solche KI-basierten Anwendungen auch für die Optimierung von Bestandesbauten?
Bestehende Anlagen «KI-ready» zu machen ist schwierig. Typischerweise ist keine Schnittstelle zum Auslesen von Daten oder senden von Betriebspunkten vorhanden. Was sich jedoch sehr einfach in den Bestand einfügen lässt, sind Anwendungen, die von den Bewohnern einfach bedient werden könnten, beispielsweise «smarte» Thermostate, die mit künstlicher Intelligenz 20 Prozent Energie einsparen können.
Wie kann künstliche Intelligenz den Betrieb von gebäudetechnischen Anlagen effizienter machen?
KI kann da hilfreich sein, wo viele repetitive Tätigkeiten erledigt werden müssen. Im Betrieb kann die Automation der MSRL (Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik) oder des Raums auf Basis einer KI geregelt werden. Es ist aufwendig und teuer, den Betrieb der Gebäudetechnik «optimal» auf eine Anlage abzustimmen. Daher werden oft das energetische Potenzial sowie das Kostenpotenzial nicht ausgeschöpft. KI kann dieses (Nach-)Justieren übernehmen und Anlagen selbstständig und kontinuierlich überwachen. Dies kann eine grosse Unterstützung für den Betreiber sein. Durch KI lohnt es sich auch, vermehrt kleinere Anlagen, z. B. Heizanlagen in Ein- und Mehrfamilienhäusern, über den Stand der Technik hinaus zu auto-matisieren, damit beispielsweise vorausschauend und abgestimmt auf die lokale PV-Produktion eine Wärmepumpe betrieben werden kann. Ohne KI ist das auch möglich, aber mit KI sind solche Betriebsoptimierungen deutlich günstiger und skalierbarer.
Wie genau kann KI zur Nachhaltigkeit beitragen?
KI kann aufgrund von lokaler Datenanalyse Möglichkeiten aufzeigen, damit die Nutzer das eigene Verhalten nachhaltiger gestalten können. Ihnen ist oft nicht klar, welche Handlung welchen Einfluss auf ihren CO2-Fussabdruck hat. KI kann verständlich informieren. Im Hintergrund kann KI in der Gebäudeauto-mation analysieren, wann Strom aus der Steckdose am günstigsten respektiv nachhaltigsten ist, und die Heizung oder die Ladesäulen für Elektromobilität oder für anderen flexiblen Verbrauch entsprechend steuern und regeln.
Heizen ist ein Thema, das unsere Leser und Leserinnen beschäftigt. Wird die KI in diesem Bereich Anwendung finden?
Heizen, zusammen mit dem Wandel hin zur Elektromobilität, ist ein Kernanliegen im Hinblick auf ein erneuerbares Energiesystem. Mit KI-Gebäudetechnik kann klar ein Mehrwert für Mieter (Komfort), Eigentümer (Rendite / Attraktivität) und Betreiber (risiko- / wartungsarmer und informierter Betrieb) generiert werden. Es gibt bereits heute smarte Thermostate und automatische Optimierungen von Heizungseinstellungen wie etwa der Vorlauftemperatur.
«Künstliche Intelligenz kann da hilfreichsein, wo viele repetitive Tätigkeiten erledigt werden müssen.»
Interessantes zum Thema
Weitere Informationen finden Sie unter den folgenden Links:
- Energieforschungsplattform Energy Hub: empa.ch/web/energy-hub
- Empa-Spin-off «viboo»: empa.ch/web/s604/viboo
- Planeto (Englisch / Französisch: planeto-energy.ch