Garten und Terrasse

Mehr (Terrassen-)Bäume fürs Klima

Üppig begrünte Hochhäuser in aller Welt machen es vor – mit Schattenbäumen bepflanzte Gebäude wirken nicht nur der sommerlichen Überhitzung entgegen, sie steigern auch die Lebensqualität der Bewohner.

von Tobias Franzke

Silvedes AG, Brütten

Der Anfang des Sommers 2024 dürfte vielen in der Schweiz als kalt und verregnet in Erinnerung bleiben. Als sich im Juli die Sonne endlich zeigte, war die Hitzewelle da – ebenso plötzlich wie heftig. Der August lag in Zürich wieder 2,5 Grad über dem Temperaturdurchschnitt der letzten 30 Jahre. In den Städten werden die heissen Sommermonate zusehends unerträglich. Die Bestrebungen für mehr Grün im öffentlichen Raum mögen Schritte in die richtige Richtung sein – langfristig wird aber nur die zusätzliche Nutzung von Dächern und Fassaden als natürliche Klimaanlagen für Linderung sorgen können. Dabei ist nicht die mancherorts vorgeschriebene Extensivbegrünung von Flachdächern gemeint. Diese Art der Minimalbepflanzung mag das Problem von zu viel Oberflächenwasser durch die Flächenversiegelung mildern, da sie wie ein Schwamm das Regenwasser aufnimmt. Kohlendioxidbindung, Sauerstoffproduktion und die immens wichtige Kühlwirkung sind aber um ein Vielfaches geringer, als dies bei einer intensiven Begrünung mit wertvollen Schatten spendenden Bäumen der Fall wäre.

Bosco Verticale in Mailand: Stadtoase für Tier und Mensch

Der Bosco Verticale in Mailand macht es bereits seit 2014 vor: Die Gebäudehüllen der beiden etwa 100 Meter hohen Wohntürme beherbergen durch die speziell abgestimmte Architektur über 5000 Bäume und Sträucher sowie etwa 15 000 weitere Grünpflanzen. Neben Stauden und Büschen wurden auf den 400 Terrassen auch Gehölze gepflanzt, deren Kronen sich über mehrere Stockwerke erstrecken. Architekt Stefan Boeri schuf damit auf einer urbanen Grundfläche von nur rund 1500 m2 ein Wald-Äquivalent von 1 bis 2 Hektaren Grösse, dessen CO2-Bindung auf etwa 30 000 kg pro Jahr beziffert wird. Bemerkenswert ist der Effekt auf Bewohner und Umgebung. So bildet die Stadtoase nicht nur einen Lebensraum für zahlreiche Vögel und Insekten – auch der Mensch kann sogar im 27. Stock im Grünen leben. Im Sommer liegt die Umgebungstemperatur rund um die beiden Hochhäuser gut zwei Grad unter jener im Rest der Stadt. Vom kühlen Inneren der Wohnungen und der damit verbundenen Energieeinsparung für die Klimatisierung der Liegenschaft ganz zu schweigen.

Grüne Hochhäuser

Diesen Sommer wurde in Hamburg ein Paradebeispiel für die intensive Begrünung bestehender Hochbauten fertiggestellt. Der gegen Ende des Zweiten Weltkrieges während 300 Tagen in Zwangsarbeit erstellte Flakbunker diente als Zufluchtsort für bis zu 25 000 Menschen und prägt als weithin sichtbares Mahnmal die Hansestadt. Mit etwa 50 Metern Höhe überragt er das Millerntor-Stadion – die Heimat des FC St.Pauli – und das Heiligengeistfeld, auf dem dreimal jährlich das Volksfest, der Hamburger Dom, stattfindet. Mit über 5000 Gehölzen und Stauden wurde der Betonklotz nun in einen öffentlich zugänglichen Dachgarten verwandelt. Der bis zu sechs Meter breite «Bergpfad» windet sich aussen einmal rund um den «Grünen Bunker» herum und bietet bereits auf dem Weg nach oben eine grossartige Aussicht über die Stadt.

Positiv wirken sich auch die Schweizer Projekte in Sachen grüne Hochhäuser auf ihre Umgebung aus. Der 2016 erbaute Garden-Tower in Wabern bei Bern bringt es bei einer Höhe von gut 50 Metern immerhin auf etwa 1200 m2 begrünte Fassadenfläche. Das rund 70 Meter hohe Garten-Hochhaus «Aglaya» in Rotkreuz wurde 2019 fertiggestellt. Neben 700 Gehölzen fanden mehr als 1000 Kletterpflanzen und über 10 000 Stauden auf dem Gebäude Platz. Die Idee Corbusiers, Landhäuser zu «stapeln», wurde hier von Ramser Schmid Architekten aufgegriffen. Anstatt nur die Aussenhülle zu begrünen, schufen sie für jede Wohnung quasi einen eigenen Garten, der im Zusammenspiel mit der Aussicht in luftiger Höhe das Raum- und Wohngefühl entscheidend prägt. Dieser dreidimensionale Ansatz, die Wohnflächen optisch auf den lebendigen Aussenraum zu erweitern, lässt sich auch gut auf Terrassenwohnungen übertragen.

Dach- und Terrassenflächen nutzen

Jeder einzelne Baum zählt, um bei der notwendigen verdichteten Bauweise einen Beitrag gegen die Überhitzung im Sommer zu leisten. Während sich die Grünflächen im öffentlichen Raum nur begrenzt ausweiten lassen, bieten die vielen ungenutzten Dachflächen ein enormes Potenzial. Nicht nur sengend heisse Attikaterrassen lassen sich mit dem entsprechenden Know-how in grüne Wohlfühloasen mit angenehmen Schattenplätzchen verwandeln. Auch auf Bürogebäuden und öffentlichen Einrichtungen könnten die Flachdächer in Erholungsorte für Mitarbeiter verwandelt und als natürliche Klimaanlagen hinzugewonnen werden. 2019 wurde die hierzulande begrünbare Dachfläche auf 10 000 Fussballfelder beziffert. Das wären etwa zwei Drittel der insgesamt rund 150 Millionen Quadratmeter Flachdächer in der Schweiz. Die daraus resultierende CO2-Bindung und die Kühlwirkung dieser grünen Lungen würden signifikant zur Steigerung der Lebensqualität beitragen.

Die Begrünung der Städte darf sich nicht nur auf prominente Leuchtturmprojekte beschränken. Jeder einzelne Terrassen- und Flachdachbesitzer kann zur grünen Klimatisierung beitragen. Neben einer Aufwertung der Liegenschaft und der Einsparungen für die Gebäudekühlung fällt vor allem das gesteigerte Wohlbefinden der Bewohner ins Gewicht. Sommerlich heisse Attikaterrassen lassen sich mit sturmsicher verankerten Schattenbäumen in wahre Stadtoasen verwandeln. Das lebendige Grün wirkt als Balsam für die Seele und macht aus verwaisten Terrassen und Dachflächen wertvolle Lebensräume für Mensch und Tier. Nicht nur bei Neubauten lassen sich die Flachdächer als naturnahe Erholungsorte planen – viele bestehende Dächer und Terrassen würden sich mit grünen Schattenspendern vortrefflich nutzbar machen und aufwerten lassen.

Terrassengestaltung

Weitere Informationen zum Thema Terrassengestaltung sowie Hilfe von Fachleuten finden Sie auf der folgenden Website: silvedes.ch