Die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus einzelner Bauteile sowie des Gebäudes als Ganzes ist sowohl bei Neubauten als auch bei Sanierungen von höchster Wichtigkeit. Ganzheitlich betrachtet schneidet ein energetisch umsichtig sanierter Altbau bezüglich des ökologischen Fussabdrucks gegenüber einem Neubau immer besser ab. Der bedachte Weiterbau am Bestand leistet so einen signifikanten ökologischen Beitrag. Neben technischen und prozessualen Aspekten ist beim klimaverträglichen Sanieren die ökonomische, ökologische und soziokulturelle Qualität zu berücksichtigen.
Klimaverträglich bauen
Während der letzten 30 Jahre wurde im Zusammenhang mit umweltschonendem Bauen der Fokus meist auf betriebliche Aspekte von Gebäuden gelegt. Insbesondere galt die Aufmerksamkeit einem möglichst geringen Energieverbrauch, also der Minimierung von Wärmeverlusten und der Reduktion von CO2-Emissionen bei der Wärmeaufbereitung. Das Netto-Null-Ziel verlangt aber über erneuerbare Energiequellen und eine optimale Wärmedämmung hinaus eine ganzheitliche Betrachtung über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes. Seit einigen Jahren werden deshalb vermehrt auch Abbau, Verarbeitung, Produktion und Transport von Materialien und Bauteilen als energieintensive und mit hohen Treibhausgasemissionen verbundene Prozesse und Teilprozesse in die Thematik nachhaltigen Bauens integriert. Etwa 80 % der Wohngebäude im Gebäudepark Schweiz wurden vor 1990 erstellt. Der Umgang mit Bestandesbauten und damit verbundene Sanierungsarbeiten bergen deshalb ein grosses Potenzial in Bezug auf Klimaverträglichkeit. Ein Grossteil der «grauen Emissionen» fällt auf den Rohbau, also die Grundstruktur eines Bauwerks. Sanierungen zur Anpassung an sich verändernde Komfortansprüche und sich wandelnde Raumbedürfnisse sind in den allermeisten Fällen mit viel weniger CO2-Emissionen verbunden als Ersatzneubauten. Auch ältere Gebäude können durch eine energetische Sanierung, eine Umnutzung oder eine Erweiterung heutige Bedürfnisse erfüllen. Aus ökologischer Sicht sollten Bestandesbauten wenn immer nötig und möglich saniert und erst dann rückgebaut werden, wenn die Tragstruktur die weitere Nutzung nicht mehr sinnvoll zulässt. Im Falle eines Gebäude-Rückbaus stellt sich die Frage, welche Bauteile weiterverwendet oder rezykliert werden können.
Graue Energie und Materialökologie
Bei energetischer Gesamtbetrachtung macht der Anteil an grauer Energie in Wohnbauten oft den Grossteil des Gesamtenergiebedarfs aus, zumal viele Produkte selbst keinen direkten Energieverbrauch aufweisen. Als graue Energie wird diejenige Energie bezeichnet, die während der Rohstoffgewinnung, der Herstellung, dem Transport sowie der Lagerung und Entsorgung von Produkten, aber auch von Dienstleistungen verbraucht wird. Der Energieverbrauch während der Nutzungsphase gilt hingegen als direkter Energieverbrauch und wird demnach nicht zur grauen Energie gerechnet.
Heute kann bereits in der Planungsphase der Anteil grauer Energie berechnet und entsprechend optimiert werden. Um diesen Anteil möglichst gering zu halten, sollten vorwiegend Recyclingbaustoffe verwendet werden und Gebäude einfach und kompakt konstruiert sein. Ausserdem sollte auf aufwendige Tiefbauten verzichtet werden. Tiefbauten wie Kellergeschosse sind aufgrund des hohen Betonbedarfs sehr emissionsintensiv und aus energetischer Sicht auf das Nötige zu beschränken. Vor dem Hintergrund des späteren Recyclings ist auch auf eine gute Rückbaubarkeit zu achten, also auf eine einfache Trennung von Bauteilen und deren Komponenten. Glas ist, durch den Herstellungsprozess bedingt, ein energieintensives Produkt. Verglaste Flächen sollten dementsprechend nach Bedarf und nicht überdimensioniert geplant werden. Mit der Möglichkeit der Anpassung des Öffnungsgrades bei Totalsanierungen und der damit verbundenen Diskussion um den Fensteranteil entsteht oft ein Zielkonflikt zwischen möglichst geringem Glasanteil und maximaler Tageslichtnutzung. Diesen Zwiespalt gilt es, zusammen mit Fachplanern, in einer möglichst frühen Projektphase anzugehen.
Generell sollten, wo immer möglich, bei energetischen Sanierungen wie auch bei Neubauten Materialien mit geringer grauer Energie verbaut werden. Unter kbob.admin.ch, der Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren (KBOB), bietet die Liste «Ökobilanzdaten im Baubereich» einen Überblick zu Umweltauswirkungen von Baumaterialien, Gebäudetechnik, Transporten, Energieträgern und Entsorgung. Der Mehraufwand an grauer Energie für eine erhöhte Wärmedämmschicht zahlt sich durch den geringeren Energieverbrauch meist bereits nach kurzer Zeit aus. Mit Sanierungen lassen sich gegenüber Neubauten die grauen Emissionen um bis zu 65 % senken – durch die Verwendung umweltschonender Baustoffe und Bauteile sogar um bis zu 75 % 1. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich bei der Mehrheit der alten Gebäude die Tragstruktur und meist auch die Bausubstanz noch in einem sehr guten Zustand befinden. Im Zusammenhang mit der energetischen Sanierung von Wohnbauten kann also viel für einen möglichst geringen materiellen Fussabdruck getan werden. Bei der Materialwahl gilt es auf Langlebigkeit, Effizienz und wo möglich auf eine regionale Herkunft sowie auf die Verwendung von Recyclingprodukten zu achten.
Baustoffe mit einer guten Ökobilanz ermöglichen die Umsetzung von Sanierungsmassnahmen mit geringen Umweltauswirkungen. Eine umsichtige Materialwahl kommt aber nicht nur der Umwelt zugute, sondern auch den Bewohnern. Denn eine gesunde Wohnraumhygiene wirkt sich positiv auf die Gesundheit und das Wohlbefinden aus.
1 ZeroStrat – Strategien für Neubauten mit Niedrigstemissionen in der Erstellung, ETH Zürich und Intep – Integrale Planung GmbH im Auftrag vom Bundesamt für Energie BFE, 2023.
Die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus einzelner Bauteile sowie des Gebäudes als Ganzes ist sowohl bei Neubauten als auch bei Sanierungen von höchster Wichtigkeit.
Klimaverträglich sanieren – Tipps für Hauseigentümer:
●Klimaverträgliches Bauen verlangt eine Kombination verschiedener Massnahmen.
●Materialübergreifende Handlungsan-sätze sind optimal.
●Setzen Sie auf innovative Baustoffe und Bauteile.
●Nutzen Sie die Unterstützung der Produkte- und Systemhersteller bei der Erstellung der Ökobilanz.
●Als Besteller haben Sie direkten Einfluss auf die Umweltverträglichkeit Ihrer Sanierungsmassnahmen.
●Bei Totalsanierungen gibt es meist einige Baustoffe, die weiterverwendet werden können, auch in anderer Funktion.
●Weitere Informationen unter: kbob.admin.ch/de/oekobilanzdaten-im-baubereich