Die ganze Schweiz macht sich seit Monaten Gedanken um die Versorgungssicherheit. Die ganze Schweiz? Nein – Familie Wartmann vom Holzhof im thurgauischen Amlikon-Bissegg kann getrost darauf verzichten, sich mit Kerzen und Brennholz einzudecken. Bereits seit mehr als zwanzig Jahren gehört ein Biogas-Kraftwerk zu ihrem Landwirtschaftsbetrieb, der sich dadurch selbst mit Energie versorgen kann. Die Autarkie war allerdings nicht der einzige Grund für das Kraftwerk, denn die Wartmanns haben gleichzeitig den Anspruch, möglichst umweltverträglich zu produzieren. Dass dies gelingt, zeigt sich daran, dass der Holzhof den einzigen CO2-neutral produzierten Käse der Schweiz anbietet.
Aus Dünger wird Biogas
Wie funktioniert die Energieversorgung des Betriebs? Am Anfang steht Biomasse in Form von Gülle und Mist. Anstatt diesen Dünger auf den Feldern zu verteilen, wird er in einer Grube gesammelt und vermischt. Das Gemisch kommt anschliessend in den Fermenter, einen grossen runden Tank (siehe Grafik oben). Bei einer Temperatur von mehr als 40 °C wandeln dort spezialisierte Mikroorganismen die Biomasse über ihren Stoffwechsel in Biogas um. Das Biogas besteht hauptsächlich aus Methan, der Fermentierungsprozess wird deshalb auch als Methanisierung bezeichnet.
Nach einigen Wochen wird die Biomasse aus dem Fermenter in den Nachgärbehälter überführt. In diesem zweiten Tank entsteht weiteres Biogas, bis das Methanisierungspotenzial der Biomasse nach etwa zwei Monaten aufgebraucht ist. Das übriggebliebene Material lässt sich bestens weiterverwenden, denn durch die Methanisierung ist es zu einer Art Super-Dünger geworden. Dieser stinkt im Gegensatz zum üblichen Hofdünger nicht und kann dank seiner verbesserten Viskosität von den Pflanzen besser aufgenommen werden. Der Gehalt an Stickstoff und Phosphor wird durch die Vergärung nicht verändert. Dafür liegt der Anteil an schnell verfügbarem Stickstoff nach der Vergärung höher, wodurch die Pflanzen den Dünger rasch aufnehmen können. Der Gardünger fördert so das Wachstum der Futterpflanzen, die den Nutztieren auf dem Hof als Nahrung dienen. Über deren Verdauung beginnt der Kreislauf erneut.
Strom und Wärme
Zurück zum Biogas, das in den drei Fermentierungs-Tanks entsteht. Es lässt sich auf dem Holzhof sehr vielseitig einsetzen. Ein Grossteil wird in einem Gasmotor in Strom umgewandelt, der teilweise vor Ort genutzt und teilweise ins öffentliche Netz eingespeist wird. Die Wärme, die bei diesem Prozess entsteht, lässt sich ebenfalls nutzen: Für die Beheizung der Gebäude auf dem Areal, für die Erwärmung der drei Fermenter und für die Käseherstellung. Die Abwärme reicht auch im Winter für eine hundertprozentige Selbstversorgung.
Dass das Methan in Tanks gesammelt und in Form von Biogas weitergenutzt wird, ist auch eine gute Nachricht für die Umwelt. Methan hat bei unkontrollierter Freisetzung einen negativen Einfluss auf das Klima: Es ist etwa 25-mal klimaschädlicher als CO2. So spart der Holzhof jedes Jahr etwa 700 Tonnen CO2-Äquivalent (CO2-Zertifikate) ein. Zum Vergleich: Das entspricht der Menge, die 500 Autos mit einem durchschnittlichen Verbrauch (6 Liter Benzin auf 100 Kilometer, Jahresleistung 10 000 Kilometer) in einem Jahr ausstossen.
Klimaneutraler Käse
Dank der Biogasanlage kann die Familie Wartmann ihre Käserei CO2-neutral betreiben. Die Käseproduktion benötigt viel Wärme, die meist durch heizöl- oder gasbetriebene Dampfkessel bereitgestellt wird. Da der Holzhof diese Prozessenergie mit der Abwärme aus dem eigenen Biogaskraftwerk abdecken kann, lassen sich auch in diesem Bereich Treibhausgasemissionen einsparen. Einzig der Transport der Milch sowie gewisse Zusatzprodukte wie Reinigungs- und Desinfektionsmittel oder Verbrauchsmaterial wie Verpackungen verursachen noch Emissionen. Diese kann der Holzhof durch eigene CO2-Zertifikate kompensieren.
Weitere Projekte
In den kommenden Jahren will Familie Wartmann einige Projekte angehen, um weitere Prozesse des Landwirtschaftsbetriebs klimaneutral zu gestalten. Als nächstes sollen die bisher mit fossilem Treibstoff betriebenen Transport- und Zugfahrzeuge auf dem Hof durch klimaneutral betriebene Fahrzeuge ersetzt werden. Mit dem selbst produzierten Biogas steht dafür bereits ein erneuerbarer Energieträger zur Verfügung. Ebenfalls noch nicht CO2-neutral ist bis anhin die Milchproduktion. Dort will der Holzhof ebenfalls weiterkommen und den CO2-Ausstoss verringern. Energieautark und immer umweltfreundlicher – der Holzhof und sein klimaneutral produzierter Käse sind eine echte Inspiration.
In den kommenden Jahren will Familie Wartmann einige Projekte angehen, um weitere Prozesse des Landwirtschafts-Betriebs klimaneutral zu gestalten.
Die Biogasanlage des Holzhofs
Erstellungsjahr 1999
Modernisierung/Erweiterung 2019
Jahresinput Biomasse ca. 20 000 t
Fassungsvermögen Fermenter 2800 m3
Jahresstromproduktion 5,0 GWh
Jahreswärmeproduktion 5,5 GWh
Emissionsreduktion 700 t CO2-Äquivalent