Rasen oder Blumenwiese

Garten: englischer Rasen oder Blumenwiese? Edles Grün oder Biodiversität?

Garten Wer einen Garten neu anlegt oder verändert, steht vor der Wahl: Blumenwiese oder Zierrasen? Aber es muss keine Entweder-oder-Entscheidung sein.

von Judith Supper

Journalistin

Im öffentlichen Grün, aber auch in vielen Privatgärten werden anstelle des klassischen Zierrasens immer häufiger Blumenwiesen angelegt. Das hat einen guten Grund, denn artenreiche Wiesen sind für zahlreiche Insekten und andere Tiere lebensnotwendig. Reine Zierrasenflächen hingegen sind aus ökologischer Sicht wertlos. Doch wenn es um die Ästhetik geht, hat der Zierrasen meist die Nase vorn: als die perfekte Bühne, um Staudenbeete, den Pool oder andere Gestaltungselemente zur Geltung zu bringen.

Letztlich ist alles eine Frage der persönlichen Vorliebe, der Nutzung – und der Umstände. Eine Blumenwiese ist kein Ort, wo die Gartenparty stattfindet oder wo die Kinder spielen. Dafür ist ein strapazierfähiger, ganzjährig begehbarer Gebrauchsrasen besser geeignet. Ein Rasen bietet einen gepflegten und ordentlichen Look, während eine Wiese von natürlicherem und wilderem Charme ist. Hinzu kommen die Herausforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt. Blumenwiesen müssen nicht gewässert werden, sie entwickeln sich an trockenen, nährstoffarmen Standorten am besten – im Gegensatz zu den meisten Zierrasen-Mischungen, die bei Trockenheit viel Giesswasser verlangen. Bei Temperaturen um die 30 Grad können das pro Quadratmeter, je nach Sorte, 20 bis 30 Liter sein. Für einen perfekten grünen Rasen gehören regelmässiges Mähen und, speziell im Frühjahr, Düngen zum Arbeitspaket dazu, ebenso wie Jäten, Vertikutieren und Aerifizieren.

Es gibt nicht «den» Rasen

Im Fachhandel findet sich eine breite Palette an Rasenmischungen für unterschiedliche Einsatzbereiche und Standorte. Wer vor dem Regal steht und seine Wahl treffen möchte, kann sich bisweilen überfordert fühlen. Denn zwischen dem «englischen Zierrasen» und der «Wildblumenmischung» gibt es zahlreiche Abstufungen: Schattenrasen, Bienenweiden, Wild-Schnittblumen, Sportrasen, Alpenblumen-Rasen, Klimarasen, Kräuterduft-Rasen, Trockenrasen und unzählige mehr. Von all den Profi-Anwendungen zum Beispiel für Golfrasen oder Sportplatzrasen ganz zu schweigen.

Dass es all diese vielen Formen gibt, ist nicht überraschend. Allein beim Zierrasen haben sich die Gräsermischungen in den vergangenen Jahren wegen des Klimawandels beständig geändert. Dazu sagt Patrik Siegrist, Product Manager Rasen bei der Eric Schweizer AG in Thun: «Grundsätzlich werden mit der Tendenz zu extremen Wetterbedingungen die trockenheitstoleranten Sorten züchterisch weiterverfolgt. Allerdings wird vorwiegend nach Alternativen gesucht. Es gibt etwa erste Versuche mit dem Bermudagras, das sommergrün und sehr robust ist. Im Trend liegen auch moderne Sorten wie das Englische Raigras (Lolium perenne), das sich züchterisch immer weiter in Richtung Stress- und Krankheitstoleranz bewegt.»

Welche Aspekte stressen die Gräserarten ganz konkret, und wie kann eine Lösung aussehen? «Faktor 1 ist sicher der Wasserhaushalt des Bodens», erklärt der Fachmann. «Hinzu kommen starke externe Belastungen. Damit die Pflanzen ihren Wasserhaushalt vor der direkten Sonneneinstrahlung schützen können, empfiehlt es sich, die Schnitthöhe in den heissen Monaten nach oben zu korrigieren. Das ist bei bevorstehenden Trockenheitsperioden kurzfristig wirkungsvoll.» Prophylaktisch sei eine ausgewogene Nährstoffversorgung des Rasens zentral. «Ziel ist es, eine optimale Wurzelbildung zu erreichen, die das Durchhaltevermögen der Pflanze verlängert.»

Von Jahr zu Jahr schöner

Der Markt für Wildblumensaatgut ist in den letzten Jahren beständig gewachsen. Mehrjährige Mischungen namhafter Produzenten, die sich aus in der Schweiz heimischen Wiesenpflanzen zusammensetzen, sind die erste Wahl. Die grosse Bandbreite an verfügbaren Saatgutmischungen erklärt sich auch daraus, dass die Züchter regionales oder sogar autochthones (in der Region direkt geerntetes Saatgut) vertreiben – denn eine Wiese, die im südlichen Tessin funktioniert, wird in den Voralpen einen traurigen Anblick bieten.

Ganzheitlich ist für Patrik Siegrist der Trend in Richtung Blumenrasen spürbar – «jedoch nicht in einem Ausmass, wie es etwa mit dem politischen Dialog zu vermuten ist.» Nicht der gut gepflegte, dichte Rasen würde durch Blumenrasen oder Kleerasen ersetzt. «Eine Anpassung kommt aber oft infrage, wenn auch der Pflege- und Versorgungsaufwand ein zentraler Faktor ist.» Allerdings prognostiziert Siegrist mit den Anpassungen in der Pflanzenschutzmittel- und Düngerverordnung Veränderungen auf dem Markt. «Der englische Zierrasen wird dann kaum noch unterhaltbar sein.»

Das Beste aus zwei Welten

Ob es nun ein Gebrauchsrasen oder eine Blumenwiese wird, muss keine Entweder-oder-Entscheidung sein. Warum nicht einzelne Bereiche, zum Beispiel Randstreifen oder «Inseln», in eine Wiese umwandeln? Auch aus gestalterischer Sicht ist es sehr reizvoll, wenn reichblühende Wiesen auf kurzgeschnittene Rasenflächen treffen. Mit dem Rasenmäher geschnittene Wiesenwege bieten die Möglichkeit, Schmetterlinge und Bienen aus der Nähe zu erforschen. Und wer auf blühende Vielfalt setzt, aber gleichzeitig einen Grillabend veranstalten will, dem bietet sich ein Blumenrasen an. Er verbindet die Vorteile eines Zierrasens – niedriges Wachstum, Mahd per Rasenmäher, recht trittfest – mit der Ökologie einer Blumenwiese.

Zwischen dem englischen Zierrasen und der Wildblumenmischung gibt es zahlreiche Abstufungen.