Einen achtgeschossigen Neubau in die historisch gewachsene, stark verdichtete und denkmalgeschützte Innenstadt von Basel zu setzen, ist keine einfache Aufgabe. Wenn es dann auch noch einer mit Solarfassade sein soll, wird es wirklich spannend. Spoiler: Es ist gelungen. Und zwar so gut, dass der Bau mittlerweile mehrere Preise eingeheimst hat.
Das Basler Amt für Umwelt und Energie (AUE) hat Mut bewiesen und einen Neubau mit Vorbildcharakter erstellt. Energieeffizienz im Betrieb war das erklärte Ziel. Zudem sollte beim Bau so wenig graue Energie wie nur möglich entstehen. Das begann schon damit, dass das Gebäude auf der alten, massiven Bodenplatte der beiden Häuser Spiegelgasse 11 und 15 errichtet wurde, die für den Neubau abgerissen wurden. Dazu kam, wo immer möglich, die Verwendung umweltfreundlicher Baustoffe. Und schliesslich konnte die Zertifizierung nach Minergie-A-ECO-Standard erfolgen. Damit ist das Amt der erste Bürobau überhaupt in Basel, der diesen Standard erfüllt. Es war auch erklärtes Ziel des Bau- und Verkehrsdepartements, mit diesem Bauprojekt bezüglich der Kriterien der Nachhaltigkeit ein Leuchtturmprojekt zu errichten.
Regionales Holz und Recyclingbeton
Von der erhaltenen Bodenplatte aus zieht sich eine an vielen Stellen sichtbar belassene Stützenstruktur aus Stabschichtholz durchs Gebäude. So entstand eine offene Raumstruktur, die ein angenehmes Raumklima schafft. Ausgesteift wird die Struktur mit Stahlkreuzen in den Wänden und vorfabrizierten Betonelementen in den Decken, die sich mit Holzelementen abwechseln. Die Fläche darüber ist mit Beton ausgegossen. Insgesamt wurden 65 Kubikmeter Nadelholz verbaut. Das heimische Fichtenholz in den Innenräumen stammt aus Seewen (SO) und war wegen der Borkenkäferplage ohnehin fällig. Es sorgte für vorbildlich kurze Transportwege.
Die hybride Holzbauweise im Verbund mit Recyclingbeton in den Deckenelementen drückt die Bilanz an grauer Energie weiter. Die Wärmespeicherkapazität der Holz-Beton-Konstruktion reduziert im Winter den Heizbedarf, im Sommer wird die nächtliche Kühlung unterstützt. Geheizt wird über das Basler Fernwärmenetz, das in der Innenstadt zunehmend ausgebaut wird.
Kamineffekt des Treppenhauses
Im Sommer kommt die automatische Komfortlüftung ins Spiel. Da ein häufiger Kritikpunkt der Nutzer von Minergiehäusern ist, sie könnten keinerlei Einfluss auf die Lüftung ausüben, wurden Lüftungsschlitze neben den Fenstern eingefügt, die sich von den Nutzern bei Bedarf von Hand öffnen lassen. Automatisierte und witterungsgeschützte Lüftungsflügel sowie Öffnungen zum Treppenhaus und am Treppenhauskopf sorgen für effiziente Nachtauskühlung. Das Treppenhaus ist im Zentrum des Gebäudes angesiedelt und über alle Stockwerke offen. Im Sommer unterstützt es daher die nächtliche Abkühlung durch den entstehenden Kamineffekt.
Im Innenausbau wurde ebenfalls auf Nachhaltigkeit geachtet. Die Akustikelemente aus Filz bestehen aus recycelten PET-Flaschen. Um den Flächenbedarf gering zu halten, gibt es pro Stockwerk nur zwölf Arbeitsplätze für 15 Mitarbeitende, die sich in ihren Abwesenheiten absprechen.
Speziell strukturierte Solarmodule
Das Planerwahlverfahren war bereits im Juli 2013 abgeschlossen und der Kreditbeschluss Anfang 2016 erfolgt. Bis zum Baubeginn vergingen jedoch nochmals drei Jahre. Der Neubau wurde, wie an so zentraler Stelle in der Stadt fast zu erwarten, durch Einsprachen ausgebremst. Erst im August 2019 konnten die Baufirmen loslegen. Was immerhin einen Vorteil hatte: Die technische Entwicklung der Solarmodule war in der Zwischenzeit deutlich vorangekommen. Ursprünglich sollten polykristalline Zellen verbaut werden. Tatsächlich installiert wurden dann deutlich effizientere monokristalline PERC-Zellen (Passivated Emitter and Rear Cells). Sie produzieren auch an wenig besonnten Stellen der Fassade noch Energie. PERC-Solarzellen sind so vorteilhaft konstruiert, dass Sonnenlicht, das die Zelle durchdrungen hat, ohne Strom zu erzeugen, nochmals zurück in die Zelle reflektiert wird. So steigt der Ertrag pro Zelle, da weniger Licht «verloren» geht.
Da es sich um einen sensiblen Standort im historischen Stadtzentrum handelt, wollte man keine normalen Solarmodule verbauen, sondern gab ihnen eine unregelmässig strukturierte Oberfläche aus gehärtetem Schmelzglas. Zudem wurden goldene Punkte aus Titannitrid aufgebracht, um das Schwarz des Glases aufzubrechen. Sie haben keine praktische Funktion, aber die unruhige Glasoberfläche und die Punkte verändern das Lichtspiel der Module je nach Sonneneinstrahlung und Blickwinkel. Die Module erscheinen mal grau, mal fast dunkelgrün. Die Fassade sticht dadurch, anders als erwartet, nicht unangenehm aus der gewachsenen Umgebung heraus.
Die Stromproduktion wird sichtbar gemacht – und das als gestalterisch hochwertige Lösung. Die vertikale Anordnung der Module zeigt, dass es auch für Gebäude mit geringer Dachfläche ausreichend Möglichkeiten zur Stromerzeugung gibt. Der Neubau wurde von Jessenvollenweider Architektur, Basel, entwickelt und gemeinsam mit b+p Baurealisation, Basel, umgesetzt.
Das Basler Amt für Umwelt und
Energie (AUE) hat Mut bewiesen und einen Neubau mit Vorbildcharakter erstellt.
Steckbrief – Neubau des Amts für Umwelt Basel
Der achtgeschossige Neubau für das Amt für Umwelt und Energie (AUE) ist das erste Bürogebäude in Basel, das mit dem Label Minergie-A-ECO zertifiziert wurde. Bei diesem exemplarischen Bau handelt es sich um eine hoch-wärmegedämmte Gebäudehülle mit Kastenfenstern, Fernwärmebezug, Nutzung von Regenwasser in den Toiletten, allseitigen Photovoltaikfassaden, minimaler Raumlüftung samt Wärmerückgewinnung, optimierter Tageslichtnutzung und minimierter künstlicher Beleuchtung. Es wurden möglichst schadstofffreie natürliche Baustoffe verwendet und die graue Energie so gering wie möglich gehalten. Es wurde 2021 bezogen und erhielt den Solarpreis 2022, die Auszeichnung Gutes Bauen BL/BS 2023 sowie den Arc Award 2023.
Das Gebäude kann regelmässig im Rahmen von kostenlosen Führungen besichtigt werden: bs.ch/wsu/aue/gebaeude-aue
Gruppenführungen mit Schwerpunkt Architektur werden von den Architekten selbst angeboten und sind kostenpflichtig: mail@jessenvollenweider.ch