«Kartell loves the planet»: So lautete das vor zwei Jahren veröffentlichte Manifest eines Unternehmens, dessen Name für Möbelikonen aus Kunststoff steht. Dass der Markt ein immer grösseres Umweltbewusstsein fordert, ist auch an Kartell nicht spurlos vorübergegangen. Es blieb nicht nur bei Worten, Kartell lancierte Gae Aulentis Regalklassiker «Componibili» in einer neuen Edition aus vollständig recycelbarem Biokunststoff. Seitdem forscht Kartell weiter in Sachen Nachhaltigkeit. Eines der Ergebnisse ist der Stuhl «Re-Chair»: Sein Name verweist bereits auf die Produktion aus recycelten Materialien, nämlich aus produktionsbedingt ausgemusterten Kaffeekapseln aus Kunststoff. Dafür spannte Kartell mit Design-Star Antonio Citterio und dem Kaffeehersteller Illycaffè zusammen. Der Stuhl wird in der schwarzen Variante aus recycelten Kaffeekapseln «Iperespresso Illy» hergestellt – eine erste Etappe eines Wegs, auf dem nach diesem Verfahren weitere Produkte auf den Markt kommen sollen.
Recycling und Upcycling
Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Dabei gilt: Das beste Plastik entsteht erst gar nicht, das zweitbeste wird recycelt. So zeigt das Zürcher Büro Schindlersalmerón mit «Playscapes» sein erstes Produkt aus Kunststoff, genauer gesagt aus recyceltem Polypropylen. Die Spielmöbel entstanden in Zusammenarbeit mit der jungen Produktdesignerin Sarah Hossli. «Für das Produkt, das wir im Auge hatten – farbig, leicht, widerstandsfähig, aus einem Stück – führte kein Weg am Kunststoff vorbei», erklärt Margarita Salmerón. Die ausgewählten Farbmischungen des Granulats zeigen deutlich die Recycling-Geschichte des Materials. Ihren Praxistest haben die Möbel bereits hinter sich: Drei Monate konnten Kinder in einem Hort einer Zürcher Primarschule mit ihnen spielen.
Auf nachhaltigen Kunststoff setzt auch die italienische Marke Arper. Sie definierte einen Entwurf des britischen Designers James Irvine aus dem Jahr 2012 für eine nachhaltige Zukunft neu. Der Stuhl «Juno 02» besteht nun zu 70 Prozent aus recyceltem Kunststoff und ist in sechs von der Natur inspirierten Farben erhältlich. Durch eine optimierte Form behält Juno seine schlanke Silhouette und Stabilität bei, während für die Herstellung wesentlich weniger Material als zuvor benötigt wird.
Auch Leuchtenhersteller suchen nach neuen Wegen, um nachhaltig zu arbeiten. Die tschechische Leuchtenmanufaktur Brokis verwertet zum Beispiel die angefallenen Glasreste für neue Materialien: Die Kollektion «Overlay» von Lucie Koldova kombiniert mundgeblasene transparente Glasröhren mit einer Betonfassung, in welche Scherben aus recyceltem Glas von Janštejn Glassworks eingebettet sind. Die Betonfassung ist in verschiedene rechteckige Formen gegossen, die speziell für die jeweilige Art von Leuchte geeignet sind und sowohl einfache als auch komplexe Kompositionen zulassen. Im Inneren der Betonleuchte befindet sich eine zarte Hülle aus mattiertem oder klarem Glas, deren Mittelachse von einer Lichtröhre durchbrochen wird – und darin zu schweben scheint.
Ein neues Leben für den Überschuss
Auf Recycling setzen auch die neuen Bodenbeläge des spanischen Labels Nanimarquina. Die Teppiche der «Re-Rug»-Kollektion werden zum Teil aus angesammelten Wollresten aus der Produktion in Indien hergestellt. Jedes Exemplar trägt so zur Reduzierung von unkontrolliertem Abfall sowie zur Verringerung des CO2-Ausstosses bei, da weniger Neumaterial hergestellt werden muss. Um die Unregelmässigkeit und den Farbreichtum der Wollreste zu bewahren, wurde eigens ein neues Herstellungsverfahren entwickelt. Das Ergebnis der Fertigung mit der handgewebten Dhurrie-Technik ist eine pflegeleichte Kollektion mit einer flachen Struktur, die zu 50 Prozent aus Schurwolle und zu 50 Prozent aus der wiederverwendeten Wolle besteht.
Reparieren statt konsumieren
Beim Schweizer Hersteller Girsberger zeigt sich Upcycling von der besten Seite: Alte Schreibtische aus dem Depot eines grossen Unternehmens wurden auseinandergenommen, die Tischplatten filetiert und in einem völlig neuen Möbel weiterverwendet. So entstanden transportable Tische fürs Homeoffice. Ausgangslage war die Fragestellung, ob angesichts des pandemiebedingten Trends zur Arbeit im Homeoffice aus alten Büromöbeln etwas Neues, Praktisches und Funktionales entstehen könnte. Die Sparte Girsberger Remanufacturing setzte sich für diese Aufgabenstellung mit dem Lysser Designer Björn Ischi in Verbindung, um eine Gestaltung zu erarbeiten, die ganz auf diesem Nachhaltigkeitsgedanken basiert. Die alten MDF-Tischplatten wurden filetiert und 70 Prozent für die neue, ergonomische Tischplatte wiederverwendet. Das Untergestell für den Homeoffice-Tisch ist ein filigranes und klappbares Rundrohrgestell. Ergänzend kommt ein Tischeinsatz aus dem gleichen Material hinzu, der in zwei Positionen in der Tischfront eingesetzt werden kann. So wird vermeintlich Wertloses durch Veränderung wieder wertvoll gemacht.
Das beste Plastik entsteht erst gar nicht, das zweitbeste wird recycelt.