Inneneinrichtung

Entspannt sitzen und dinieren

Gemütlichkeit ist das Gebot der Stunde – auch beim Essen. Deshalb heisst der neue Trend Low Dining – auf Sesseln mit etwas reduzierter Sitzhöhe und entsprechend tieferen Tischen. Ganz so neu ist diese Art des Sitzens allerdings nicht.

von Silvia Schaub

Journalistin

Es ist so eine Krux: Sitzt man in einem dieser modernen, tiefliegenden Loungemöbeln, möchte man am liebsten gar nicht mehr aufstehen. Wie aber macht man es mit dem Essen? Nicht wirklich ideal, so halbliegend an den Teller zu gelangen, geschweige denn in dieser Position auch noch elegant den Umgang mit Messer und Gabel zu beherrschen. Sitzt man hingegen einen Abend lang auf einem harten Holzstuhl am Esstisch, sehnt man sich geradezu nach etwas mehr Gemütlichkeit. Was also ist die Lösung für dieses Dilemma? Ein gut schweizerischer Kompromiss wäre da ideal. Diesen gibt es tatsächlich, und zwar in Form des Low Dining. Noch nie gehört? Gemeint sind damit Esstische und Stühle, die ein paar Zentimeter tiefer liegen als bei der Normalgrösse. Bei Stühlen sitzt man gewöhnlich zwischen 45 und 50 Zentimeter über dem Boden. Beim Low Dining sind das rund 5 Zentimeter tiefer. Entsprechend ist auch der Tisch weniger hoch, denn die Proportionen müssen stimmen.

Lagerfeuerromantik auf Polstern

Auch wenn das nun nicht gleich nach einer Revolution klingt, ist das Sitzen auf dieser Höhe doch sehr viel angenehmer und entspannter. Zumal man beim Low Dining meist nicht auf Holzstühlen sitzt, sondern auf bequem gepolsterten Sesseln. Es fördert eine gemütliche, unkonventionelle Atmosphäre, die das Gefühl von Geselligkeit verstärkt – fast ein bisschen, als würde man um ein Lagerfeuer sitzen. Vielleicht hat man dies schon mal im asiatischen Raum oder im Nahen Osten gesehen, wo das Essen auf niedrigeren Stühlen und Tischen üblicher ist. In unseren Breitengraden ist dies höchstens aus der Hotellerie bekannt. Seit einiger Zeit allerdings bringen insbesondere italienische Möbelhersteller diese Art des Dinierens in unsere Stuben.

Minotti bietet gleich mehrere Kollektionen, die das gemütliche Tafeln zelebrieren. Die Tischfamilie Rayan mit einer Tischplatte aus Marmor oder Holz und einem Sockel aus Edelstahl oder Metall von Designer Hannes Peer passt perfekt zum Sitzprogramm Yves round mit organischen Formen und Bouclé-Stoffen. Auch mit den Kollektionen Mills Low und Oliver Lounge, beide von Designer Rodolfo Dordoni, kann man sich perfekt dem Low Dining hingeben. B&B Italia bietet mit dem Sessel Flair O’Maxi von Monica Armani ein schönes Modell mit tieferer Sitzhöhe. Hersteller Knoll hat vor zwei Jahren einen neuen Saarinen-Tisch lanciert, der mit einer Tischhöhe von 64 Zentimetern diesen Trend schon vorwegnahm. Gedacht ist diese Höhe nicht nur zum Essen, sondern auch für das praktische Arbeiten mit Laptop oder iPad. Auch das österreichische Familienunternehmen Wittmann bringt mit den Kollektionen Morton und Merwyn das gemütliche Loungen ins Wohnzimmer.

Gemütlichkeit aus den 1960er- und 1970er-Jahren

Wer sich nicht auf eine fixe Höhe festlegen möchte, findet mit dem ess.tee.tisch von Jürg Bally für HorgenGlarus das perfekte Tisch-Modell. Der Entwurf ist aus dem Jahr 1951 und alles andere als ein Standardmöbel. Dank einer ausgefeilten Mechanik ist es möglich, den Tisch auf drei gekreuzten Beinen auf zehn verschiedene Höhen zu verstellen. Das Modell ist heute immer noch erhältlich und wirkt in seiner Designsprache sehr zeitlos.

Das Beispiel zeigt auch, dass diese Art des Sitzens nicht wirklich neu ist. Ihre Oma in Kroatien habe schon immer so gelebt, erzählt Kristina Božić, Architektin und Interior Designerin bei Wohnbedarf in Zürich. In der Tat geht das Low Dining zurück auf die 1960er- und 1970er-Jahre. «Danach wurden die Haushalte grösser und man trennte den Essbereich vom Wohnzimmer. Es wurden Zonen für die verschiedenen Bedürfnisse geschaffen und entsprechend auch die Möbel dazu.»

Wieso das Low Dining gerade wieder aktuell wird, beruht auf verschiedenen Gründen. «Zum einen steht das Bedürfnis nach mehr Gemütlichkeit im Vordergrund. Man möchte länger am Tisch verweilen», stellt die Fachfrau fest. «Zum anderen sind viele Haushalte kleiner geworden, weshalb man diese platzsparende Option wieder schätzt.» So stellt sie schon seit letztem Jahr fest, dass die Hersteller wieder vermehrt mit Low-Dining-Kollektionen aufwarten. Allerdings sei dieser Markt noch eher klein und bei den Kunden noch nicht so richtig angekommen. «Es sind vor allem jüngere Leute mit kleineren Haushalten, die darauf ansprechen», so Božić. «Sie wollen vom konventionellen Esstisch wegkommen, der nicht unbedingt ein längeres, gemütliches Verweilen zulässt.»

Auch ideal für Garten und Terrasse

Dieses Bedürfnis ist gerade auch im Aussenbereich ein wichtiger Aspekt, weshalb sich das Low Dining dort ganz gut etablieren könnte. «Das Coole daran ist, dass man damit beides kombinieren kann – das gemütliche Loungen mit dem bequemen Dining», findet Timon Kobel, Leiter Marketing und Kommunikation bei der Hunn Gartenmöbel AG. Gerade für Balkone oder kleinere Terrassen sei dies ideal, «weil oft der Platz fehlt für eine Lounge-Ecke und einen zusätzlichen grossen Gartentisch». Oder man hat so viel Platz, dass man gleich sämtliche Varianten abdecken möchte – loungen in tiefen Sitzmöbeln, essen am normalen Tisch und der Mittelweg: die Low-Dining-Variante. Denn damit wird die Funktionalität eines gewöhnlichen Gartenstuhls mit dem Komfort eines Loungesessels kombiniert. Die Stühle sind so entworfen, dass man nicht nur aufrecht, sondern auch entspannt sitzen kann.

Der grösste Gartenmöbelanbieter der Schweiz führt schon seit 2018 einige Low-Dining-Kollektionen. Der filigrane Montreal-Tisch zum Beispiel ist auch in einer Höhe von 66 Zentimetern erhältlich. Dazu passend die Lounge-Sessel mit 38 Zentimetern Höhe aus pulverbeschichtetem Edelstahl, die in ihrer Form an eine Blattrispe erinnern. Auch die Kollektionen Livorno und Tosca laden zum gemütlichen Low Dining ein. Raffiniert ist hier, dass man dank einer klappbaren Tischplatte ganz einfach zu dieser neuen Art des Sitzens und Essens gelangt, ohne gleich die ganze Gartenmöbelgarnitur ersetzen zu müssen.

Für gemütliches Sitzen im Low-Dining-Stil nimmt Gartenmöbelproduzent Garpa mit der Kollektion Fontenay Low Dining das Thema auf.

«Low Dining ist bei uns bereits ein wichtiger Markt», erklärt Mario Frutig, Filialleiter von Traumwerk in Zürich-Wallisellen mit einer Gartenmöbelausstellung von 480 Quadratmetern. Noch müsse man die Kunden abholen, weil das Thema noch nicht so in den Köpfen sei. Hersteller wie Dedon mit den Sesseln Kida mit Schalenkissen und dem Tisch Satellite oder Royal Botania mit den Folia Relax-Sesseln sind beim Traumwerk gut nachgefragt. Auch Manutti bietet mit Radoc entsprechende Outdoor-Sessel an. Frutig ist überzeugt: «Eine spannende Geschichte, die den Markt noch länger beeinflussen dürfte.»