Als die Trendforscherin Lidewij Edelkoort ihre Analyse für die Wintersaison 2024/25 aufstellte, schwangen die Energiepreise gerade in die Höhe, und der Krieg in der Ukraine beherrschte bereits die Nachrichten. Sie habe nicht einfach «nur eine Trendvorhersage» machen können, sagte sie bei der Präsentation im Jahr 2023 in einem Interview. «Ich musste auf das reagieren, was in der Welt geschah.» Nun, die Energiepreise haben sich zum Glück wieder etwas eingerenkt. Aber das Thema der eskalierenden Krieges, gepaart mit allgemeinen sozialen Unruhen bewegt die Menschen noch immer. So bleibt ihre Trendprognose «Winterschlaf» oder in ihrem Wording «Hibernation» aktueller denn je.
Bei ihrer Analyse suchten Edelkoort und ihr Trendbüro nach Antworten auf diese Themen und liessen sich von der Tierwelt inspirieren: Wie überlebt man den Winter am besten? Man kuschelt sich ein! In der Mode manifestiert sich dies aktuell mit Strickwaren in allen Formen, schwerer Oberbekleidung, Schals und Handschuhen, getragen mit gefütterten Hausschuhen und Stiefeln.
Und im Wohnbereich? Da geht das Kuscheln munter weiter – mit flauschigen Materialien an allen Ecken und Enden. Noch dazu kann man damit auch Energie sparen. Die kalte Jahreszeit lädt ohnehin dazu ein, sich mehr zurückzuziehen, Ruhephasen einzulegen, aufzutanken, innezuhalten. In der aktuellen Zeit vielleicht noch mehr.
Teddy-Möbel für Gemütlichkeit
So cool puristische Interieurs auch sein mögen, manchmal steht einem der Sinn eben auch nach mehr Gemütlichkeit. Und da sind solche Teddy-Möbel genau das Richtige. Einerseits weil sie ein Gefühl von Geborgenheit auslösen, andererseits weil sie in einem Interieur auch besondere Akzente setzen können. Nicht nur optisch, sondern auch haptisch – will man diese Teddy-Materialien doch am liebsten gleich anfassen.
Wer nun bereits Bedenken hat, dass bald überall echtes Fell die Wohnstuben ziert, kann unbesorgt sein. Manche dieser Teddy-Möbel werden zwar mit Schaffell-Polstern produziert, wie der Lounge Chair Chisel von Designer Andreas Bergsaker für Hay oder der Sessel Let von Sebastian Herkner für Fritz Hansen. Es gibt aber auch Hersteller, die stattdessen auf Kunstpelz ausweichen. Wie der Designer Francesco Binfaré, der für Edra ein wunderbares Sofa namens Pack entworfen hat. Es erinnert an eine Packeisscholle mit einem auf der Seite liegenden Eisbären als Rückenlehne.
Heute kommen oft auch Bouclé-Stoffe zum Einsatz, die eine kuschelige Optik erzeugen. Bouclé hat in der Mode eine lange Tradition und taucht nun vermehrt im Wohnbereich auf. Diese angenehm weiche Textiloberfläche ergibt sich aus zu kleinen Schlingen oder Knötchen gewebtem Garn. Der Lodge Loungesessel vom dänischen Label Vipp basiert auf einer organisch geformten Stuhlschale, die wie eine Muschel aussieht.
Für Minotti hat das italienisch-dänische Duo Enrico Fratesi und Stine Gam, kurz GamFratesi, die Sitzkollektion Vivienne entworfen. Sie umfasst grosse Lounge-Sessel und Dining-Stühle, die mit ihren als Halbkreis geformten Rückenlehnen einen geradezu umhüllen. Der italienische Designer Hannes Peer hat den Sessel Emmi entworfen (ebenfalls für Minotti), der eine Hommage an die grosszügigen und weichen Sessel der 1970er-Jahre sein soll. Die weiche, nestähnliche Polsterung besteht aus zwei Kissen.
In der Tat ist die Idee mit flauschigen Oberflächen für Sofas und Sessel nicht wirklich neu. Und es erstaunt auch nicht, dass sich besonders viele nordische Hersteller diesem Thema schon sehr viel früher angenommen haben. Bereits 1935 entwarf Designer Flemming Lassen den gepolsterten Sessel «The Tired Man» für die Copenhagen Cabinetsmakers’ Guild Competition. Der Sessel sorgte mit seiner organischen, geschwungenen Form und den voluminösen Armlehnen für grosses Aufsehen – und tut es immer noch. Der dänische Klassiker ist heute in der neu aufgelegten Version bei Audo erhältlich. Lassens Idee dahinter war, dass man sich auf dem Stuhl «so warm und sicher fühlen soll wie ein Eisbärjunges in den Armen seiner Mutter». Beinahe ebenso alt ist der «Little Petra» von Viggo Boesen. Er wurde nur ein Jahr später an der gleichen Veranstaltung in der dänischen Hauptstadt präsentiert. Auch die «kleine Petra» ist bei der dänischen Firma &Tradition immer noch erhältlich. Gleiches gilt für den «Clam Chair» von Arnold Madsen aus dem Jahr 1944. Hier steht das 2014 gegründete englische Unternehmen Dagmar dahinter, das ganz auf klassische skandinavische Möbel des 20. Jahrhunderts fokussiert ist und diese wieder neu auflegt.
Richtig haarig und wärmend wird es mit dem Fell-Sessel Botolo von Arflex. Die Gestalterin Cini Boeri entwarf dieses Objekt ebenfalls bereits 1973. Speziell daran ist nicht nur die Optik. Man kann die Beine des Stuhls in der Höhe verstellen, und er ist auch mit Rädern versehen, sodass man ihn praktisch verschieben kann. Frieren wird man auch in Carlo Colombos Sessel Katrin, ebenfalls für Arflex, kaum. Das elegante und gleichzeitig bequeme Sitzmöbel ist in vier verschiedenen Farben erhältlich.
Wer den Teddy-Trend nicht gleich mit einem neuen Sofa oder Sessel in seine vier Wände zaubern möchte, kann das Thema auch anderweitig inszenieren – zum Beispiel mit Teppichen. Der flauschige Teppich Minotaure aus dem Haus Toulemonde Bochart passt mit dem Spiel aus unterschiedlichen Strukturen sowohl in ein Chalet wie auch in eine Stadtwohnung. Der Norte-Teppich von Ferm Living ist inspiriert von den zerklüfteten Landschaften des Nordens und nimmt mit seinen handgetufteten hochflorigen Akzenten den kuscheligen Trend auf. Gleiches gilt für den Hochflorteppich «Fluffy» von HK Living.
Natürlich lässt sich dieser Kuschel- und Zottel-Trend auch ganz niederschwellig umsetzen. Sei es mit weichen Plaids oder Decken, um sich damit einzuwickeln, mit Sofakissen oder einfach mit einer Bettflasche, um die Füsse zu wärmen. Der Winter kann also getrost noch ein bisschen andauern!