Gebäudefassade

Zirkulär orientierte Fassaden-Sanierung

Wenn es darum geht, bestehende Gebäude aufzuwerten und ökologischer zu gestalten, steht sie zunehmend im Fokus: die Fassade. Das Beispiel eines Geschäftshauses in Zürich zeigt, welche Rolle dabei auch der Kreislaufgedanke spielt.

von Nicola Schröder

Conzept-B

Je nach Objekt ist die Renovation der Fassade eine der wirksamsten Methoden, um ein bestehendes Gebäude aufzuwerten. Das trifft speziell für Metallfassaden zu – in Bezug auf ihr Erscheinungsbild wie auch auf ihre Funktion. Neuartige Fassaden, ihre Füllungen und Unterkonstruktionen können höchst energiesparende bis energiegewinnende Lösungen fürs Wohnen und Arbeiten darstellen.

Die Gesamtsanierung des Gebäudes an der Müllerstrasse in Zürich unter der Regie der Ilmer Thies Architekten AG schliesst die Erneuerung der Fassade und des Dachs sowie der gesamten Gebäudetechnik ein. Ein zentraler Aspekt bei der Sanierung der Fassade ist zudem die Wiederverwendung der bestehenden Aluminiumfassade. Denn die Transformation der Liegenschaft wird im Sinne der integralen Nachhaltigkeit und «Circular Economy» durchgeführt. Das Ziel für den sanierten Bau ist seine Zertifizierung nach Minergie und SNBS (Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz).

Dafür werden die vorhandenen Gussaluminiumplatten demontiert, aufbereitet und in neuer Form weitergenutzt, indem Streifen herausgeschnitten werden, die man rund um das Gebäude für die neue Brüstungsverkleidung einsetzt. Überschüssiges Metall wird für die Gestaltung des Eingangsbereichs verwendet. Aus den alten Betonbalustraden der Fassade entstehen neue Sitzgelegenheiten. Auf diese Weise werden alle abgebauten Materialien des Bürohauses, wann immer möglich, verändert, aufbereitet und am Objekt in neuer Form wiederverwendet.

Digitale Nachverfolgung im Kreislauf

Idealerweise werden in Zukunft bei einer Sanierung einerseits bestehende Elemente übernommen und andererseits rezyklierte Produkte eingesetzt. Bei diesem Prozess ebnet die Digitalisierung den Weg. So etwa die Online-Plattform Madaster, indem sie Tools zur Erfassung von abgebautem Baumaterial zur Verfügung stellt. Auch an der Müllerstrasse wird der zirkuläre Umgang mit Materialien in Form eines Pilotprojekts auf dieser BIM-basierten Plattform (Building Information Modeling) nachverfolgt, dokumentiert und messbar gemacht. Sämtliche verbauten Materialien und Produkte werden in einem digitalen Materialpass mit Produktinformationen und dem Standort auf Madaster hinterlegt.

Im Hinblick auf die Kreislaufwirtschaft ist Aluminium, ebenso wie Stahl, als Baumaterial besonders prädestiniert, da es einen hohen Materialwert hat und gute Recycling-Eigenschaften. Andererseits ist die Weiterverwendung auch besonders dringend nötig, weil der Bedarf an Rohstoffen durch frisch gefördertes Erz nicht mehr zu decken ist.

Gemäss WWF werden europaweit 65% des Zements, 33% des Stahls, 25% des Aluminiums und 20% der Kunststoffe für den Gebäudebau verbraucht. Dabei hinterlassen Baumaterialien einen CO2-Fussabdruck von rund 250 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Zudem verursacht in der Schweiz alleine die Baubranche 84% des jährlichen Abfallaufkommens.

Ein wichtiger Auftrag für die Schweiz ist daher, weniger Gebäude abzureissen. Bei ihrer Sanierung sollte zudem jedes Bauteil auf seine Wiederverwertbarkeit geprüft werden. Die Komplettsanierung des Baus an der Müllerstrasse bietet ein innovatives Beispiel für ein solches Vorgehen und verdeutlicht das grosse Zukunftspotenzial des zirkulären Bauens.

Sonnenschutzglas und kurze Wege

Um ausserdem dem neuesten technischen und ökologischen Standard zu entsprechen, erhält die Fassade auf rund 3000 m2 neue, grossformatige Scheiben aus dem Sonnenschutzglas eyrise s350. Damit kann der Lichtund Wärmeeintrag im Gebäude nachhaltig gesteuert werden. Verantwortlich für die Entwicklung der Neuprofile und der Unterkonstruktion für die Fassade ist die Aepli Metallbau AG aus Gossau, welche die total 1082 Stück Fassadenelemente vom Erdgeschoss bis zum sechsten Obergeschoss auch produziert und vor Ort montiert. Das gesamte Vorgehen spart Transportwege, ist ressourcen- und CO2-schonend und wahrt zudem die bestehende Identität des Gebäudes innerhalb der Stadt.

Das Geschäftsgebäude an zentraler Lage wurde 1980 erbaut und besitzt ein Gebäudevolumen von rund 86 000 m3. Swiss Prime Site erwarb das Bürohaus im Jahr 2018, und die Wincasa AG stellt die Bauherrenvertretung. Bis Anfang 2024 wird der Bau auf insgesamt 26 500 m² und gesamthaft elf Geschossen innen und aussen umfassend saniert und zu einem modernen Bürogebäude mit rund 15 000 m² Bürofläche umgebaut.

«Circular Economy» im Gebäudesektor bedeutet:

Vermeidung & Reduzierung: Gebäudebestand erhalten, sanieren, weiter- und umnutzen; Gebäude durch zirkuläres Design so konzipieren, dass sie von Anfang an modular, langlebig, reparierbar und recycelbar sind

 

Teilen: Gebäude durch alternative Nutzungsformen wie Co-Working intensiver nutzen

 

Zirkuläre Massnahmen im Bestand und Neubau zum Schutz von Klima- und Ökosystemen ergreifen

 

Wiederverwendung: Gebäude für neue Nutzungsformen umfunktionieren, Gebäudeteile und Materialien wie Fenster oder Stützbalken in anderen Bauprojekten wiederverwenden

 

Reparatur: Gebäude regelmässig instand halten durch Reparaturen und (energetische) Sanierungen

 

Remanufacturing: Gebäudekomponenten und Bauteile wie Bodenplatten wieder aufbereiten und zurück in den Umlauf bringen

 

Recycling: beim Rückbau Baumaterialien sortenrein trennen und hochwertig recyceln

 

Quelle WWF Deutschland, Hintergrundpapier Circular Economy im Gebäudesektor, November 2022