Inneneinrichtung

Spieglein, Spieglein an der Wand

Früher waren Spiegel in erster Linie ein Alltagsprodukt, das gut angebracht und ausgeleuchtet seine Funktion zu erfüllen hatte. Heute werden sie immer mehr auch als Stilmittel eingesetzt, um Räumen eine persönliche Note zu verleihen.

von Silvia Schaub

Journalistin

Irgendwie waren sie schon immer da und kamen als Einrichtungsgegenstand auch nie wirklich aus der Mode: die Spiegel. Sie hatten schliesslich auch eine wichtige Funktion zu erfüllen, nämlich dass man sich darin betrachten kann. Egal, ob Badezimmerspiegel oder der schmale Spiegel in der Schranktüre: Sie mussten vor allem praktisch sein. «Das Potenzial von Spiegeln wird oft noch ausser Acht gelassen», stellt Samira Hilali, Interior Designerin bei Wohnbedarf in Frauenfeld, fest. Denn die reflektierenden Glasflächen können noch viel mehr. So klein oder gross, eckig oder rund sie auch sind, sie geben den eigenen vier Wänden eine persönliche Note, zaubern mithin auch eine Eleganz in den Raum und können die Raumwirkung verändern. Je nachdem, wie sie eingesetzt werden, lassen sie kleine Räume grösser wirken oder bringen mehr Licht in den Raum.

Chamäleon namens Spiegel

«Mit einem Spiegel kann man räumlich einiges austricksen», weiss die Expertin. Zum Beispiel lässt sich ein grosser Spiegel an der Wand wie ein weiteres Fenster einsetzen – insbesondere, wenn er direkt gegenüber einem Fenster platziert wird. Will man die Aussicht oder auch Gegenstände spiegeln, sei es grundsätzlich wichtig, dass der Spiegel etwas Schönes reflektiere, wie Pflanzen oder Dekogegenstände, rät Samira Hilali. Für sie ist ein Spiegel auch eine ideale Alternative zu einer Wanddekoration oder einem Bild. «Spiegel sind wie ein Chamäleon und passen sich perfekt der Umgebung an.» Zudem durchbrechen Spiegel auf diese Weise eine starre Wand und verleihen dem Raum die Illusion von zusätzlicher Tiefe. Ebenso kann man Bereiche mit wenig Lichteinfall optisch aufhellen, indem man einen Spiegel so platziert, dass er eine helle Lichtquelle reflektiert. Die richtige Inszenierung ist das A und O. Man kann einen Spiegel einerseits vor einer schlichten weissen Wand aufhängen, um ihr Leben einzuhauchen. Oder man setzt ihn vor einer farbigen Wand oder einer besonderen Wandverkleidung wie Holzleisten in Szene. «Besonders mag ich es, wenn der Spiegel dabei zwei unterschiedliche Materialitäten verbindet. Das schafft eine besondere Symbiose», sagt Samira Hilali.

Während Spiegel früher mit einem schönen Rahmen inszeniert wurden, ist das heute weit weniger wichtig. Inzwischen sind es andere Faktoren, die einen Spiegel ausmachen, wie Samira Hilali betont. «Runde und ovale Spiegel, die durch die weiche Form überall einen passenden Platz finden, wirken unaufdringlicher als eckige Modelle.» Oft sind sie eher schlicht gehalten, ganz ohne oder nur mit einem feinen Rahmen. Spiegel mit einem tiefen Rahmen bieten nicht nur eine praktische Ablagefläche, sondern bringen auch eine grössere Tiefenwirkung, wie der Spiegel Cypris von ClassiCon. Diesen Effekt kann man auch durch eine indirekte Beleuchtung hinter dem Spiegel unterstützen. Eine spezielle Materialität wie etwa farbiges oder abgetöntes Glas können besondere Effekte hervorbringen. Dazu bieten die Kollektionen Mirror von Fritz Hansen oder Caadre von Fiam italia schöne Modelle. Es gibt auch Spiegelvarianten, die nicht den ganzen Rahmen ausfüllen wie Pinch von Fiam italia.

Soll der Spiegel als Wandbild dienen, darf er auch etwas extravagant sein und zum Beispiel sonnenstrahlartige Zacken als Rahmen haben oder im Art-déco- oder Barock-Stil in Gold und Kupfer eingefasst sein. Natürlich kann man auch statt eines grossen Spiegels mehrere kleinere an einer Wand wie eine Collage gruppieren. Manche Modelle gibt es gleich im Set, wie die Spiegel von Magis Vitrail. Ideal auf das Auge wirken ungerade Anzahlen, zum Beispiel Dreier-, Fünfer- oder Siebenergruppen. Manchmal werden die Spiegel auch zu Kunst, wie das Modell Deadline von Cassina oder der Piega von ClassiCon, der mit seiner dreidimensionalen Struktur wie ein Kristall aussieht.

Positive Energie im Raum

Wer die Spiegel richtig einsetzt, kann für Räume sorgen, in denen man sich wohlfühlt, Energie tankt und sich entspannt. «Spiegel bringen Lebensenergie in den Raum, die durch die Spiegelung vervielfacht wird – positiv wie negativ», erklärt Silvia Baur, Feng-Shui-Beraterin und Wohnraumgestalterin. Spiegel nehmen in der chinesischen Harmonie-Lehre eine wichtige Rolle ein, weil sie imstande sind, die Lebensenergie zu lenken, ihre Fliessrichtung zu bestimmen, sie zu bündeln oder zu zerstreuen. Deshalb sollte man sie nicht gegenüber Ecken und Kanten oder beschädigten Dingen aufhängen. «Das bringt Unruhe und keine gute Energie in die Wohnung.» Beliebt sind gerade fürs Schlafzimmer Spiegelschränke. Davon rät die Fachfrau ab, weil dadurch die verbrauchte Energie zurückgeworfen werde und den Schlaf störe. Falls bereits ein solcher Schrank vorhanden sei, solle man die Spiegelflächen in der Nacht abdecken. Auch in der Küche würde Silvia Baur von Wohnidée Baur in Bülach vom Einsatz von Spiegeln abraten, «da in diesem Raum oft spitze Gegenstände wie Messer vorhanden sind». Wichtig ist ebenso, dass Spiegel nicht gegenüber Türen angebracht werden, «weil sonst die eintretende Energie, das Qi, gleich wieder entweicht». Auch gegenüber Treppen sind Spiegel nicht ideal, weil Treppen kantig sind.

Je nach Art des Rahmens kann nach Feng-Shui eine besondere Wirkung betont werden. Spiegel mit Holz stärken die Familie, mit Metall wird das Karriere-Element betont. Silvia Baur schätzt an Spiegeln, dass sie Räume aufweichen können. In kleinen, langen und oft auch schmalen Entrées lässt sich mit Wandspiegeln die Länge sozusagen verdoppeln. Oder man bringt an der kurzen Seite einen Spiegel an, so dass sich der Raum verbreitert.

Korrekte Beleuchtung

Noch ein Wort zur richtigen Beleuchtung des Spiegels. Dient er in erster Linie dazu, sich darin anzuschauen, sollte nicht der Spiegel an sich beleuchtet werden, sondern der Betrachter. Meist geschieht dies mit dem Licht über dem Spiegel. Idealer noch ist die seitliche Beleuchtung, finden die Fachfrauen. Besonders im Badezimmer, wo man sich den letzten Schliff geben möchte, ist es wichtig, dass das Licht nicht zu grell und kalt ist. Und ebenso wichtig: Man sollte das ganze Gesicht sehen – und nicht unbedingt die Toilette oder die Dusche im Hintergrund.