Der Bund, Kantone und Städte haben neue Energiestrategien entwickelt und forcieren die dezentrale Stromproduktion. Dabei fördern und fordern sie die Nutzung der Sonne als unbegrenzte Energiespenderin. Neben Dächern sollen zukünftig auch Fassaden und Infrastrukturanlagen für Solaranlagen genutzt werden.
Holz-Hybrid-Bauweise
Nur wenige Kilometer ausserhalb von Zürich liegt Regensdorf-Watt, wo mit der Überbauung Zwhatt ein vorbildliches Projekt umgesetzt wurde. Das ehemalige Industrieareal transformiert sich in ein gemischt genutztes und klimaneutrales Stadtquartier mit verschiedenen bezahlbaren Wohnformen sowie Gewerbe. Herausragend ist das Hochhaus H1. Dessen innovative Bauweise setzt neue Massstäbe in Sachen nachhaltiges Bauen. Das 24-stöckige Gebäude entstand nach dem Entwurf von Boltshauser Architekten AG und umfasst 156 Wohnungen sowie rund 770 Quadratmeter Büro- und Geschäftsflächen im Sockel.
Das besondere Merkmal von H1 ist seine Holz-Hybrid-Bauweise: Der Erschliessungskern des 75 Meter hohen Turms wie auch sein dreigeschossiger Sockel bestehen aus Beton. Ebenso wurden die Zwischendecken der 21 Wohngeschosse aus dünnen Betonplatten erstellt. Das gesamte übrige Skelett – tragende Stützen und Unterzüge sowie die Aussenwand – wurde aus Holz bzw. vorgefertigten Holzelementen errichtet.
Gebäudeintegrierte Photovoltaikanlage
Der nachhaltige Aspekt der Fassade wird massgeblich unterstrichen durch die Integration einer Photovoltaikanlage. Die Solarmodule wurden jeweils in horizontal auskragender Stellung vor der Fassade angebracht. In dieser Form dienen die Module zugleich als Brisesoleils und somit als Sonnenschutz für darunterliegende Fenster und Loggias. Möglich gemacht wurde das durch eine Kooperation der Spezialisten für Photovoltaik von der BE Netz AG mit der Ruch Metallbau AG.
Im Bereich der Fassade handelt es sich um 1764 PV-Module mit einer Gesamtfläche von 1464 m2. Die Doppelglas-Solarmodule sind in vier unterschiedlichen Längen von 1 bis 1,5 m auf einer Breite von 80 cm ausgeprägt. Front- und Rückseitenglas sind jeweils 6 mm oder zweimal 8 mm dick. Zu ihrer Befestigung wurden 616 Elemente einer vorgehängten Stahlkonstruktion erstellt, die einzeln in den Holzständern verankert wurden. Einen Teil der Konstruktion bildet ein horizontales Ständerwerk aus Metallschwertern, in denen sich innen liegend Spezial-Klemmprofile zur Anbringung der gläsernen Solarmodule befinden.
Neben der Montage der Solarmodule erfolgt auch die Integration der vertikalen Beschattung in die Fassadenelemente vor Ort.
Die Solarmodule wurden von BE Netz über 21 Stockwerke und auf allen vier Gebäudeseiten montiert. Ihre Verkabelung und Verstringung wurde auf innovative Weise gelöst. Denn um die Brandschutzvorschriften einzuhalten, dürfen keine stockwerkübergreifenden Kabel an der Fassade verbaut werden. Die Kabel müssen auf jedem Stockwerk über den Gebäudekern geführt werden. So wurde bei der Planung der Fassadenmodule neben der Befestigung bereits an die Verkabelung der Solarmodule gedacht. Dafür wurde eine schmale Kabelrinne vorgesehen, in der die Kabel der jeweiligen Gebäudeseiten pro Geschoss befestigt sind. In der Rinne sind die Kabel versteckt, mechanisch geschützt sowie gegen Regen und UV-Strahlung abgeschirmt. Die Module derselben Ausrichtung wurden schliesslich über mehrere Stockwerke verstringt.
Das Konzept für die Verkabelung, die Dimensionierung und Platzierung der Rinne wurde von BE Netz mit Ruch Metallbau gemeinsam erarbeitet, um die Synergien beider Unternehmen optimal zu nutzen. Technische Eigenschaften wie Kabellängen und Steckertypen wurden ebenfalls zusammen definiert. Hierbei half ein Mockup der Fassade.
«Sonnendächer» erhöhen Stromproduktion
Gegenüber einer vertikalen PV-Anlage konnten die Flächen zur Stromproduktion mit den «Sonnendächern» mehr als verdoppelt werden. Zusammen mit der Photovoltaikanlage auf dem Dach mit 250 m2 Fläche generieren die Fassadenmodule mit durchschnittlich 106 Wp pro Stück einen Ertrag bis zu 244 000 kWp (entspricht 140 000 kWh Jahresenergieertrag). Gemeinsam decken sie den Strombedarf der Wohnungen zu ca. 35 Prozent.
BE Netz stellte die elektrotechnische Funktionalität sowie die Inbetriebnahme der gesamten PV-Anlage an Fassade und Dach sicher. Die Anlage wurde komplett durch die Solarspezialisten aus Luzern konzipiert, und wurde auch durch sie geliefert und realisiert.
Boltshauser Architekten und Bauherr Pensimo wurden für ihren Holz-Hybrid-Bau mit der innovativen Solarfassade an den Holcim Awards mit dem Acknowledgement-Preis für nachhaltiges Bauen ausgezeichnet.