Garten und Terrasse

Schneeglöckchensammlung der Merian Gärten

Ausflüge Gleich mehrere dichte Teppiche aus Schneeglöckchen erwarten die Besucher der Merian Gärten in der Nähe des St. Jakob-Stadions in Basel.

Die Merian Gärten erfreuen Spaziergänger im Winter mit dichten Teppichen aus Schneeglöckchen. Im Verborgenen «blüht» noch etwas Spezielleres: eine öffentlich zugängliche, wissenschaftlich geführte Sammlung von Schneeglöckchensorten, die in der Schweiz einzigartig ist.

Wenn in den Merian Gärten in der Nähe des St. Jakob-Stadions in Basel die ersten Sonnenstrahlen den Boden erwärmen, zeigen sich entlang der Gehölzränder endlose Teppiche aus zarten weissen Blüten. Diesen zauberhaften Anblick verdanken die Besucher einigen pragmatisch handelnden Zollbeamten. «Angefangen hat alles mit 300 000 Schneeglöckchenzwiebeln, die der Bund bei seinen Grenzkontrollen beschlagnahmt hat», erzählt Barbara Wüthrich von den Merian Gärten. Da in manchen Ländern wie der Türkei oder Griechenland nach wie vor wilde Zwiebeln im Raubbau ausgegraben werden, ist dort der Wildbestand gefährdet. Daher müssen Importeure seit 1997 ein sogenanntes «Cites»-Zeugnis vorlegen. Es bestätigt, dass ihre Blumenzwiebeln aus Zuchtbetrieben stammen. Schneeglöckchen gehören zu den gut 30 000 «Cites»-Pflanzenarten, deren Handel streng reglementiert ist. «Die Zollbeamten brachten es damals nicht übers Herz, die Zwiebeln zu vernichten, und haben sie an die Merian Gärten übergeben. Wir haben sie dort gepflanzt, wo es Schneeglöckchen am wohlsten ist: an leicht schattigen, gerne auch laubbedeckten Plätzen unter Laubbäumen. Davon gibt es auf unserem 18 ha grossen Gelände genug», berichtet Barbara Wüthrich, die seit zehn Jahren für die Betreuung der wissenschaftlichen Pflanzensammlungen zuständig ist. So entstand der Grundstock an Galanthus nivalis und G. elwesii. Er ist prächtig gediehen. Im Spätwinter kann man nun unter den Laubbäumen dichte Schneeglöckchenteppiche bewundern.

Die Sammlung wächst

Das ist aber nur ein Teil der Pracht. Seit einigen Jahren befindet sich in den Merian Gärten auch eine öffentlich zugängliche Schneeglöckchensammlung im Aufbau, deren wissenschaftliche Betreuung Barbara Wüthrich übernommen hat. «Diese verdanken wir einer Sammlerin, die uns immer wieder Teile ihrer Sammlung spendete, um sie in guten Händen zu wissen.» Anders als bei den Pflanzen auf den Wiesen ist hier die Sortenreinheit zentral. Um diese zu gewährleisten, gibt es ein paar Tricks: Die Pflanzen werden nach Sorten getrennt in im Boden versenkte Wasserpflanzenkörbe gesetzt. Dies hat mehrere Vorteile, wie Barbara Wüthrich erläutert: «Die Zwiebeln können sich nicht mit jenen anderer Sorten vermischen und sind einfach zu finden, wenn sie alle paar Jahre nach dem Blatteinzug geteilt werden. Dank der Zwischenräume im Pflanzenkorb können sich die Wurzeln im Erdreich ausbreiten, und Bodenlebewesen können ebenfalls hineingelangen.» Wühlmäuse müssen hingegen draussen bleiben. Vor allem aber entfernen die Gärtner allfällige Samenkapseln, damit sich keine Hybriden bilden. Denn Schneeglöckchen spannen gerne Ameisen für ihre Ausbreitung ein. Diese schleppen eifrig die ovalen Samenkapseln in ihr Nest. Dabei sind sie gar nicht an den Samen interessiert, sondern an deren Anhängsel, dem sogenannten Elaiosom. «Es ist für sie sehr attraktiv, denn es enthält Fett, Zucker, Stärke und Eiweiss.» Mit demselben Trick stellen auch Waldveilchen, Flockenblumen oder Akazien die Ameisen in ihre Dienste. Sobald das Elaiosom gefressen ist, stören die Samen im Bau. Sie werden hinausgeschleppt und irgendwo abgelegt. So gelingt den Schneeglöckchen die Ausbreitung mühelos. «Es braucht bei aus Samen gezogenen Schneeglöckchen allerdings fünf bis sieben Jahre bis zur Blüte. Vorher zeigt sich Jahr für Jahr nur Blattgrün. Kein Wunder, dass man in den Gärtnereien keine Samen, sondern Zwiebeln verkauft», fasst die Sammlungsbetreuerin zusammen.

Sieben an der Zahl

Barbara Wüthrich war in den Merian Gärten anfangs für den Arzneipflanzengarten zuständig. Da sie gerne neue Herausforderungen annimmt, hat sie nach ihrer Mutterschaftspause die wissenschaftliche Betreuung der Sammlungen übernommen. «Ich hatte immer schon ein grosses Interesse an der Sortenvielfalt. Als man in den Merian Gärten den Plan fasste, die bereits vorhandenen Sammlungen wissenschaftlich besser zu organisieren, habe ich die Chance ergriffen», erinnert sie sich. Seit 2012 ist sie für die sieben wissenschaftlichen Sammlungen zuständig. Die bekannteste ist die 1500 historische Sorten umfassende Iris-Sammlung, die schon seit Jahrzehnten zur Blütezeit Kenner aus dem In- und Ausland anzieht. Auch die Fuchsien-, Pfingstrosen-, Helleborus- und Clematis-Sammlungen haben ihre interessierten Liebhaber. Barbara Wüthrich mag es aber auch dezent. So schätzt sie gleichermassen die beiden Sammlungen, welche die Besucher weniger mit spektakulären Blüten anlocken: Efeu und Schneeglöckchen. Beide befinden sich derzeit im Aufbau. Bei den Schneeglöckchen sind im Moment nur etwa zwei Dutzend Arten und Sorten der beschrifteten Sammlung öffentlich zugänglich, eine grosse Zahl ist noch nicht in die öffentliche Sammlung integriert worden. Sie werden jeweils erst ausgepflanzt, wenn genügend Zwiebeln vorhanden sind – es lohnt sich also, jedes Jahr erneut vorbeizuschauen. «Wir haben uns das Ziel gesteckt, die Sammlung auf mindestens 150 Sorten zu vergrössern, um die Vielfalt der Art- und Sortenmerkmale bei den Schneeglöckchen zeigen zu können», erzählt die Spezialistin. Das klingt nach viel, doch sie erklärt auch gleich, warum das Ziel eigentlich doch recht bescheiden ist: «Es gibt etwa 20 Galanthus-Arten. Unter den Kennern ist jedoch umstritten, wie viele verschiedene Sorten bestehen. Die Zahl schwankt zwischen 500 und 2000. Ich gehöre zu dem Lager, das eher zu 2000 tendiert.»

Britische Schneeglöckchenmanie

Als Barbara Wüthrich die Betreuung der Sammlung übernahm, verschaffte sie sich erst einmal einen Überblick über die enorme Vielfalt. «In England gibt es eine richtiggehende Schneeglöckchenmanie. Es herrscht ein Wettstreit um die ausgefallensten Exemplare.» Solche «Snowdrop-Festivals» seien derart beliebt, dass sie zuverlässig Besuchermassen anlockten. «SchneeglöckchenLiebhaber schätzen die Feinheiten in der Zeichnung der Blütenblätter. Um sich nicht ständig bücken zu müssen, führen sie einen Stock mit einem Spiegel mit sich, den sie unter den Blütenkelch halten können.» Hauptunterscheidungsmerkmal ist die Blattstellung beim Austrieb – die beiden Blätter können flach aufeinandergelegt, umeinandergewunden oder mit gebogenen Blatträndern aus der Zwiebel herauskommen. Dann aber geht es bei der Unterscheidung um zahlreiche feine Details: So gibt es Sorten mit hängenden und andere mit nach oben gerichteten Blüten. Die Blüten können gefüllt, quasten- oder birnenförmig sein. Kenner erfreuen sich vor allem an der Musterung der Perianthblätter, wie die Blütenblätter botanisch bezeichnet werden. Wer die kleinen, aber feinen Unterschiede selbst erkennen möchte, der macht sich am besten auf zu einem Besuch der Merian Gärten, die uns die Zeit bis zum Frühjahr mit ihrer neu präsentierten Schneeglöckchensammlung versüssen. Und wer weiss, vielleicht bricht bei so viel Anmut ja auch in der Schweiz schon bald eine Schneeglöckchenmanie aus.

Schneeglöckchen brauchen Ruhe

Hat Barbara Wüthrich auch einen Tipp für uns Hobbygärtner, wie wir zu prächtigen Schneeglöckchenteppichen kommen? Aber sicher: «Am besten gedeihen sie, wenn man ihnen ihren grössten Wunsch erfüllt: sie einfach in Ruhe lassen.» Das heisst, der Boden wird nicht regelmässig gelockert. Wer Zwiebeln an befreundete Gärtner verschenken will, wartet mit dem Ausgraben am besten, bis sich das Grün eingezogen hat. Dann gelingt auch das Umpflanzen optimal. «Bei Zwiebeln aus dem Gartencenter sollte man darauf achten, dass sie noch frisch sind, also glatt und saftig aussehen. Sonst treiben sie nicht aus.»

Alexandra von Ascheraden. Der Text stammt aus der Zeitschrift «Schweizer Garten».

«Am besten gedeihen Schneeglöckchen, wenn man ihnen ihren grössten Wunsch erfüllt: sie einfach in Ruhe lassen.»

Barbara Wüthrich

Informationen für Besucher

Besucher finden in den Merian Gärten zu jeder Jahreszeit Erholung vom Alltag und ein unvergessliches Gartenerlebnis. Die Gärten sind täglich von 8 Uhr bis Sonnenuntergang geöffnet. Der Eintritt ist frei. Weitere Informationen finden Sie unter: meriangärten.ch