Wenn heute eine grosse Bauausstellung stattfindet, stellt sich unweigerlich die Frage: Wie nachhaltig ist sie? Besonders bei Gartenmessen ist das der Fall, wenn riesige Bäume, Tonnen von Erdreich und Baumaterialien oder einfach zahllose Menschen von A nach B transportiert werden. Auch die Royal Horticultural Society (RHS), die seit dem Jahr 1913 auf dem Areal des Royal Hospital im Londoner Stadtteil Chelsea die Chelsea Flower Show organisiert, fragte sich das – speziell angesichts der 168 000 Gartenfans, die die Show alljährlich besuchen. Erstmals führte die RHS dieses Jahr ein «Grünes Audit» und einen Umweltinnovationspreis ein. Damit wollte die RHS zeigen, dass eine Gartenbauausstellung auch CO2-Reduzierung kann – und laut Zahlen der Gesellschaft konnten die Designerinnen und Designer nach auditkonformer Überarbeitung ihrer ersten Entwürfe die Kohlenstoffemissionen der Schaugärten um 28 % senken.
Wasser im Garten halten
Insgesamt 35 Gärten wurden in diesem Jahr errichtet. Viele der Landschaftsarchitektinnen und -architekten, in Grossbritannien schlicht «Designer» genannt, geniessen auf der Insel Kultstatus und scharen grosse Fangemeinden um sich. Zu sehen gab es spektakuläre Schaugärten wie auch inspirierende Balkon- und Containergärten. Nicht alles, was in den Gärten gezeigt wurde, lässt sich im heimischen Grün 1:1 nachbauen. Aber vieles darf als Inspiration dienen.
Eines der Fokusthemen der diesjährigen Durchführung war Wasser – ein Thema, das diesen Frühsommer auch in der Schweiz viele Gemüter bewegt. Allerdings weniger wegen der Frage, wie es sich in Zeiten der Klimaerwärmung und Sommertrockenheit sparen lässt, sondern weil es schlicht in zu grossen Mengen auftritt. Auch hierzu gab es Ideen. Viele Prinzipien der Permakultur, beispielsweise die Swales (horizontal verlaufende Gräben, die Oberflächenwasser auffangen und durch Versickerung langsam an die Pflanzen abgeben), fanden in Chelsea ihre Umsetzung. Im «WaterAid Garden» leiteten futuristisch anmutende Trichter das Regenwasser über solche Senken in Teiche rund um den Garten.
Im «Flood Re: The Flood Resilient Garden» fingen verzinkte Wassertanks in verschiedenen Höhen und Grössen das Wasser am Ende einer Regenkette auf – ein Konzept, das sich zu Hause recht einfach nachbauen liesse. Beide Gärten waren mit Pflanzen gestaltet, die sowohl Trockenheit als auch zeitweilige Überflutung überstehen können, beispielsweise Quitte (Cydonia oblonga), Farne, viele Vertreter der Hahnenfussgewächse (Ranunculus), Trollblumen (Trollius), Sumpfdotterblume (Caltha palustris), Fieberklee (Menyanthes trifoliata), Feldahorn (Acer campestre) oder Schwarz-Erle (Alnus glutinosa).
Moose und Menschen
Wo es viel Feuchtigkeit gibt, fühlen sich Moose wohl – es kam daher nicht von ungefähr, dass der Garten der «National Autistic Society» den Zauber dieser charmanten Pflanzen feierte, die in der Lage sind, ungastliche Standorte wie Felsen, Borke oder nährstoffarme Waldböden zu besiedeln. Die Designer hatten damit einen Garten entworfen, der mit seiner antiken Patina fast aus der Zeit gefallen schien und an einen Spaziergang durch einen alten Wald erinnerte. Auch der «Best in Show»-Garten, der «Muscular Dystrophy UK – Forest Bathing Garden», setzte auf das Prinzip der heilsamen Fähigkeiten eines Waldspaziergangs. Besonders ins Auge stachen dabei die mehrstämmigen Birken (Betula utilis) mit ihrer weissen Borke.
Übriggebliebenes wieder-verwenden
Auch der «Ecotherapy-Garden» machte mit seinen von Moos überwachsenen, charaktervollen Wasserelementen den Eindruck, bereits seit Jahren an Ort und Stelle zu sein. Hier wollte der Designer Tom Bannister zeigen, wie ein kleinformatiger Londoner Innenhof aussehen könnte, der nach biophilen Prinzipien – also nach dem Bedürfnis des Menschen nach einer Verbindung zu den Tieren, Pflanzen als auch Landschaften – gestaltet ist. Der Clou dabei: Die Behälter wurden aus einer leichten Hypertufa-Rezeptur aus Perlit, Kokosnussfasern und Zement hergestellt. Über 30 Jahre sollen diese Behältnisse Witterungseinflüssen widerstehen können.
Generell zeigten sich die Designer sehr fantasievoll, was gartenbauliche Elemente anbelangte. Zement und Beton wurden durch wiederverwendetes Holz ersetzt oder waren frei davon. Dass Gabionen mehr sein können als nur in Metallkäfigen einfallslos verteilte Steine, zeigte der «Pulp Friction Garden». Die Designer hatten das Metallgehäuse mit einem wilden Mix aus Materialien gefüllt: Scherben, Steinsplittern, übrig gebliebenen Baumaterialien, Ziegeln, Steine. Zwischen den Ritzen können zahlreiche Tiere eine Heimat finden und mit Kräutern und Alpenpflanzen begrünt, machte das Ensemble auch optisch einen charmanten Eindruck.
Das königliche Paar
Dass ein nachhaltiger Chelsea-Showgarten im Designer-Look nicht unbedingt einer sein musste, der Unsummen von Geld verschlingt, zeigte der «Octavia Hill Garden». Hier waren Pflastersteine, zinnoberrote Tonsteine und feiner Kies im gleichen Farbton gemixt: Eine nachahmenswerte Idee, wie sich mit hochpreisigen Ziegel- oder auch Pflastersteinen in der Kombination mit kostengünstigen Zuschlagstoffen eine gestalterisch ansprechende Fläche schaffen lässt.
Wen es interessiert: König Charles und seine Ehefrau Camilla wurden von den Schülern des «No Adults Allowed» übrigens neu als «König des Komposts» beziehungsweise «Königin der Bienen» tituliert. Welche grössere Ehre kann es für ein royales Paar geben?