Meier meint

Mehr «work»!

von Markus Meier

Direktor HEV Schweiz

Englische Begriffe verbreiten sich seit Jahren in der deutschen Sprache. Wir haben keine Arbeitsstelle mehr, sondern einen Job, absolvieren Meetings und keine Sitzungen, und wir sagen diese dann auch nicht ab, sondern wir canceln sie. Wir tätigen Calls anstelle von Anrufen, surfen und chatten im Internet und liefern «asap» (as soon as possible) anstelle von «so rasch wie möglich». Pausen machen wir auch keine mehr, sondern Breaks, ebenso geniessen wir nicht mehr das Mittagessen, sondern den Lunch. Und wir trainieren beim Joggen, Biken, Skaten oder Walken – sorry, ich korrigiere: Wir trainieren nicht, wir machen ein Work-out.

In der Arbeitswelt sind klassische Berufe praktisch nicht mehr gefragt, oder besser gesagt out. Wer will noch Coiffeur, Mechaniker, Polizist oder gar Bauhandwerker werden oder einen Pflegeberuf erlernen und diesen dann ausüben? Da tönt es in der EDV – äh ‘tschuldigung – in der IT-Branche of course –schon besser: Site Reliability Engineer, Backend-Developer, DevOps-Engineer oder ähnlich. Helfen tut das aber auch nur wenig, denn selbst hier fehlen die Fachkräfte gleichermassen wie in anderen Berufen.

Nachdem ich kürzlich gelernt habe, dass auch die hochgelobte Work-Life-Balance out ist und sich alles nur noch um die Life-Balance (ohne work!) dreht, frage ich mich immer mehr, wer sich denn noch für Arbeit interessiert. Vermutlich sind es nicht jene Beamte, die sich in einem Kantonsparlament anstatt 42 nur noch 38 Wochenstunden zuschanzen (natürlich bei gleichbleibendem Lohn), wie es auch nicht Gamer, Youtuber, Tik-Toker, Influencer und neuerdings Sinnfluencer (ja, die gibt es wirklich) sind. Und es sind auch nicht jene, die sich auf die Strasse kleben, auf Bäumen anbinden, im Boden eingraben oder Bilder mit Härdöpfelstock bewerfen.

Wir müssen uns ja nicht gleich auf «ora et labora» (bete und arbeite) besinnen, die klassische Tradition des Benediktinerordens. Aber unsere Zukunft in einem Sozialstaat mit einer Wohlfahrt für alle ist nur dann zu schaffen, wenn wir auch persönlich wieder mehr schaffen – und zwar im Sinne von produktivem Arbeiten mit dem Ergebnis von Wertschöpfung. Deshalb muss «work» wieder mehr «in» sein, nicht immer mehr «out»!

«Deshalb muss ‹work› wieder mehr ‹in› sein und nicht immer mehr ‹out›!»