Chelsea Flower Show

Mehr Grün wagen

Sie gilt als wichtigste Gartenbauausstellung der Welt und zieht alljährlich fast 170 000 Besucher an: die Chelsea Flower Show, die vom 23. bis 27. Mai in London stattfand. Ein Rundgang in Worten und Bildern.

von Judith Supper

Journalistin

Dass die Briten einen besonderen Bezug zum Gärtnern haben, bestätigt sich spätestens beim Besuch der Chelsea Flower Show. Dieses Jahr fand der florale Grossanlass, bei dem das britische Königshaus regelmässig zu Gast ist, vom 23. bis 27. Mai statt. Seit 1912 wird die Show auf dem Gelände des Royal Hospital Chelsea in London veranstaltet; zuständig für die Organisation ist die Royal Horticultural Society.

Auch diesen Mai strömten Pflanzenbegeisterte aus der ganzen Welt auf das 4,3 Hektaren grosse Areal, um Garteninspirationen mit nach Hause zu nehmen. Die Show ist reich an Attraktionen: In der sogenannten «Discovery Zone» kann man sich mit den neuesten Erkenntnissen der Pflanzenwissenschaft befassen. Es gibt Verkaufsstände mit Produkten von Gartenstiefeln bis hin zu Gewächshäusern, und im grossen Pavillon sind die namhaftesten Pflanzenzüchter der britischen Inseln mit ihrem Sortiment vertreten. Doch das Highlight sind die prächtigen Showgärten, in diesem Jahr insgesamt 36, die grössten mit etwa 220 m² Fläche.

Bühne frei für das Unkraut

Biologische Vielfalt, Bienensterben, Klimawandel und die Wichtigkeit des Gärtnerns für die psychische Gesundheit – das waren die zentralen Themen der Chelsea Flower Show 2023. Auch hierzulande diskutiert man in Gartenbaukreisen darüber, ob manche Pflanzen, die nicht ins ordentliche Erscheinungsbild passen und gerne herausgerissen werden, wirklich so problematisch sind. In Chelsea hatten sie ihren grossen Auftritt: Brennnesseln, Löwenzahn, Kletten-Labkraut, Scharfer Hahnenfuss und andere «Unkräuter» blühten in den Showgärten kunstvoll und ansprechend. Rasenflächen gab es keine zu sehen, stattdessen Wildblumenwiesen. Flächenbeläge waren aus wasserdurchlässigen, meist recycelten Materialien hergestellt. Resilienz und Biodiversität gehörten zu den klaren Trends, ebenso trockenheitstolerante Bepflanzungen. Überhaupt versuchten die Garten-Designer und -Designerinnen, durch die Sprache der Landschaftsarchitektur Antworten auf Fragen wie «Können wir Aussenräume nachhaltiger und klimaresilienter gestalten?» oder «Durch welche Massnahmen können wir unsere kostbare Tier- und Pflanzenwelt schützen?» zu finden.

Ökologischen Fussabdruck reduzieren

So war es das erklärte Ziel der Designerin Sarah Price, mit ihrem «Nurture Landscapes Garden» einen Garten zu schaffen, der den niedrigsten CO2-Fussabdruck aller jemals in Chelsea errichteten Gärten hat. Die meisten Pflastersteine, Töpfe, Pflanzgefässe, Ziegel und sogar Möbel waren aus recycelten oder wiederverwendeten Materialien hergestellt oder wurden teils erst vor Ort gegossen. Strohballen bildeten die Basis für die Wandelemente, die Sarah Price mit Kalkputz versah und von Hand bemalte. Die Auszeichnung «Pflanzenstar» durften die zahlreichen Bart-Iris für sich in Anspruch nehmen, die der englische Maler Cedric Morris zwischen 1934 und 1960 gezüchtet hatte. Fenchel, Euphorbien, Engelwurz, Mohn und Thymian sowie das silbern schimmernde Laub von Woll-Ziest und Muskatellersalbei lockerten die Wirkung des zauberhaften Gartens auf.

Wildtierfreundlich

Woanders stand das Thema «Wildtiere» im Zentrum. Der RSPCA-Garten von Martyn Wilson bot ein Gebäude zur Tierbeobachtung, inklusive begrünten Daches und an der Wand montierter Bienenhotels. An der Hausfassade und in die den Garten begrenzenden Aussenmauern waren Nistkästen für die Vogelwelt und Fledermäuse miteingebaut. Der Showgarten der Royal Entomological Society war explizit als Ort geschaffen, an dem Insekten in einer natürlichen Umgebung studiert, erforscht und beobachtet werden können. Passend zum Thema hatte Gartendesigner Tom Massey ein vom Insektenauge inspiriertes Freiluftlabor errichtet. Hier wie in anderen Gärten war Totholz ein wichtiges Element. Ganze Baumstämme hatten manche Designer auf das Ausstellungsareal transportieren lassen, um deren Bedeutsamkeit als Lebensraum plastisch darzustellen.

Koreanische Medizinalpflanzen

Wie wichtig ein vielfältiger Lebensraum ist, machten Gärten wie «A Letter from a Million Years Past» der Garten-Designerin Jihae Hwang deutlich. Inspiration für ihren Garten hatte sie im Urwald des Jirisan-Nationalparks in Korea gefunden, einem Biodiversitäts-Hotspot, in dem Heilkräuter und seltene gefährdete Alpenpflanzen wachsen. Für die Darstellung dieses komplexen Ökosystems hatte sie Felsbrocken mit einem Gesamtgewicht von 200 Tonnen im Showgarten verteilt und kleine Flussläufe kreiert. Dazwischen arrangierte sie zahlreiche Medizinalpflanzen, viele davon sind vom Aussterben bedroht oder durch den Verlust des Lebensraums gefährdet. Mit ihrem Garten wollte sie vermitteln, wie wichtig «die Bedeutung der biologischen Vielfalt und der Artenerhaltung durch den Anbau von Heilpflanzen in einer primitiven Umgebung ohne menschliche Eingriffe ist».

Wie nachhaltig eine Gartenbauausstellung wie die Chelsea Flower Show nun wirklich ist, zu der tonnenweise Material hin- und wieder abtransportiert wird, sorgt regelmässig für Diskussionen. Unbestritten ist, dass sich solche Events eignen, um den Gärtner-Beruf zu präsentieren, Nachhaltigkeitsthemen aufzugreifen und Gärten als Hort der Artenvielfalt, der Schönheit und Lebensgrundlage abzubilden.

Brennnesseln, Löwenzahn, Scharfer Hahnenfuss und andere «Unkräuter» blühten in den Showgärten sehr kunstvoll und ansprechend.