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Kreislaufwirtschaft beim Bauen und Wohnen

Wohnen Vor dem Hintergrund immer knapper werdender Ressourcen ist die Kreislaufwirtschaft das Gebot der Stunde für eine klimaschonende, energieeffiziente Zukunft. Doch was bedeutet Kreislaufwirtschaft in Bezug auf Bauen und Wohnen?

von Christina Horisberger

Conzept-B

Das Bauwesen ist für 40 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Um diesen Anteil zu reduzieren, fordert nicht zuletzt die Politik, dass sich die gesamte Bauindustrie noch stärker oder sogar komplett in Kreisläufen organisiert. Bei einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft entstehen, einfach gesagt, keine Abfallprodukte, nichts bleibt ungenutzt. Alles muss nach dem Rückbau rückstandsfrei wieder in seine Bestandteile zerlegbar sein. Das klingt simpel, ist aber alles andere als einfach umsetzbar. Ein erheblicher Anteil an Aushub- und Ausbruchmaterial ist heute immer noch Abfall. Das Innovations-Potenzial ist daher gross.

Kreislauf als umfassendes Konzept

Was kann ich als Hauseigentümerin oder Hauseigentümer tun, um ebenfalls einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft zu leisten? Grundsätzlich sollte ein Haus heute nicht mehr isoliert als Bauwerk verstanden werden, sondern als Element eines umfassenden ökologischen und gesellschaftlichen Kreislaufes. Die Plattform Ecobau (ecobau.ch) für nachhaltiges Bauen legt den Fokus deshalb nicht nur auf nachhaltige, ökologische Produkte und Materialien sowie die Bedeutung von Energieträgern aus erneuerbaren Quellen. Wenn zusätzlich auch auf eine flächen- und ressourceneffiziente Planung geachtet wird, lässt sich auch ein Beitrag zu einer naturnahen, biodiversen Umgebung leisten. Im Laufe des eigenen Lebens ändert sich beim Eigenheim auch der Flächenbedarf. Deshalb sollte beim Hausbau oder -kauf auf flexible Grundrisse geachtet und eventuell die Möglichkeit des Einbaus einer Einliegerwohnung mitgedacht werden. Ein Haus kann auch so geplant und statisch vorbereitet werden, dass es sich später erweitern oder aufstocken lässt. Dies alles auch vor dem Hintergrund, dass in der Schweiz Fläche nicht endlos verfügbar ist.

Das KREIS-Haus

Die Forschung entwickelt laufend neue kreislauffähige Technologien, Materialien und Konzepte für den Einsatz in Gebäuden. Vieles ist erforscht, aber noch nicht in der breiten Anwendung umgesetzt. Deshalb hat die ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) in Feldbach / ZH ein neuartiges «Praxislabor» realisiert: das KREIS-Haus («Klima und Ressourcen-Effizientes Suffizienz Haus»). Ziel des Modellhauses ist es, klimaneutrales, ökologisches und suffizientes Wohnen für jeden erlebbar zu machen. Für den Bau wurden u. a. Naturbaustoffe wie Lehm und Holz verwendet, aber auch langlebige, rezyklierte und wiederverwendete Materialien wie ein Fussboden aus rezyklierten Glasscherben oder wiederverwendete Fenster. Die Trockentrenntoilette spart Wasser und ermöglicht die Rückgewinnung von Nährstoffen, die im Dachgarten als Dünger eingesetzt werden. Leicht verschmutztes Abwasser aus Küche und Bad wird direkt im Gebäude gereinigt und für die Bewässerung benutzt. Der benötigte Strom wird mit den im Wintergarten integrierten Solarmodulen produziert und überschüssiger Strom in Second-Life-Batterien gespeichert. Die Erkenntnisse des KREIS-Hauses sollen künftig auf allen Ebenen der Baupraxis – von Tiny Houses über Renovationen bis zu grösseren Überbauungen von ganzen Quartieren – eingebracht werden.

Cradle to Cradle in der Innenarchitektur

Auch bei einer Renovation oder einem Umbau kann der Fokus auf Kreislaufwirtschaft gelegt werden. Bei der Wahl von Innenausbaumaterialien ist darauf zu achten, dass Hersteller im Sinne der Kreislaufwirtschaft produzieren. Hier wird oft von «Cradle to Cradle» (C2C) gesprochen. So bietet beispielsweise der Schweizer Bodenbelagshersteller Naturo Flooring mit dem innovativen 2nd-Life-Verfahren eine Möglichkeit an, eigene alte Bodenbeläge zurückzunehmen, aufzubereiten und wieder zu verkaufen. Bei einer Sanierung kann auch darauf geachtet werden, dass Materialien wiederverwendet werden. Dass dies auch für Unternehmen interessant sein kann, zeigt die neue Bürolandschaft eines Zürcher Kreativunternehmens: Die Büros im Zürcher Kreis 5 sind bewusst minimalistisch gestaltet. Bauteile der bestehenden Liegenschaft wurden wiederverwendet. «Mit dem Wiederverwenden vorhandener Bauteile, Leuchten oder Glaswände schonen wir Ressourcen und unterstützen damit gezielt das zirkuläre Bauen», so Stefan Müller, Inhaber des Innenarchitekturbüros Raumtakt GmbH Zürich.

Kreislaufwirtschaft im Möbeldesign

Je komplexer ein Material oder Möbel, umso mehr sollte man im Sinne der Kreislaufwirtschaft darauf achten, dass die verwendeten Materialien nach der Lebensdauer sortenrein wieder getrennt und vollständig rezykliert werden können – beispielhaft der Stuhl «Alu» von Seledue aus Alu und Holz. (seledue.ch)

Zweite Chance für gebrauchte Böden

Die Kreislaufwirtschaft wird auch im Innenausbau immer wichtiger. Mit dem innovativen 2nd-Life-Verfahren bietet beispielsweise Naturo Flooring neu an, einen gebrauchten Boden ins Werk zurückzunehmen. Dort wird dieser abgeschliffen, neu beschichtet und / oder mit einem neuen Dessin belegt. Danach kommt das Produkt als Sondermass wieder auf den Markt. (naturoflooring.ch)