Unterwegs

Gartenperle Chur

Gärten Zwischen Bergsommer und Winterzauber liegen im Bündnerland Schlossgärten, Parkanlagen und private Gartenparadiese in schönstem Kontrast zur Landschaft. Kein anderer Bergkanton hat ein ähnlich reiches Erbe an historischen Gärten vorzuweisen.

von Simone Quast

Chefredakteurin Magazin Herbarella

 

Enge Gassen, intakte historische Häuserzeilen und lauschige Brunnenplätze prägen die malerische Churer Altstadt. Die älteste Stadt der Schweiz ist das Tor zur Bündner Bergwelt – sogar mit eigenem Skigebiet: Aus der Stadtmitte steigt eine Luftseilbahn 1500 Höhenmeter zum Hausberg Brambrüesch-Dreibündenstein auf. Wer würde hier eine blühende Gartenkultur vermuten?

Ein grosser Kenner der Churer Gartenschätze ist der natur- und pflanzenbegeisterte Alex Jost. Der Landschaftsarchitekt und ehemalige Leiter Gartenbauamt Chur ist den Strassen, Plätzen und öffentlichen Grünräumen der Stadt sehr verbunden, hat er sie doch 35 Jahre lang initiiert, entwickelt und für eine diversifizierte Pflege gesorgt. Grossartige Grünanlagen entstanden in Zusammenarbeit mit dem Berner Pflanzenspezialisten Fritz Wassmann und so namhaften Landschaftsarchitekten wie Guido Hager, Lieni Wegelin und Dieter Kienast. Letzterer erbaute den beeindruckenden Friedhof Fürstenwald, der den Blick auf die Stadt und die imposante Berglandschaft freigibt. Eine Gartenkultur-Führung unter Leitung von Alex Jost ist eine der vielen attraktiven Themenführungen, die Chur Tourismus organisiert. Kontakt: Tel. 081 252 18 18 oder online unter: chur.graubuenden.ch/de/themenfuehrungen

Blühende Alpenstadt

Der bekannteste unter Churs öffentlichen Gärten ist der weithin leuchtende Fontanapark. Hier liegt – von Baumriesen beschattet – eines der wertvollsten Herrschaftshäuser Graubündens. Das Alte Gebäu entstand um 1728 im Auftrag von Envoyé Peter von Salis-Soglio. Von der berühmten barocken Anlage mit exotischen Pflanzen, Wasserspielen und beheizten Glashäusern überdauerte nur die italienisch inspirierte Tuffsteingrotte die Jahrhunderte. Unter Leitung des Landschaftsarchitekten Guido Hager fand das mehrmals umgestaltete Gartendenkmal zu seinen ursprünglichen Proportionen zurück. Heute liegt das Blumenparterre in ursprünglicher Länge vor dem Alten Gebäu. Die Bepflanzung ist zeitgenössisch, da historische Quellen fehlen. Die Blumenbeete werden zweimal jährlich neu gestaltet. So entstehen Blühbilder, die den Park von Ostern bis Allerheiligen zum städtischen Schmuckstück machen. Fontanapark, Grabenstrasse, Chur, täglich 7 bis 21 Uhr.

Rosenträume im Garten Michel

Zu Füssen des Churer Hofs und der Kathedrale St. Mariä Himmelfahrt entstand 1818 einer der ersten frei stehenden Churer Bürgersitze. Um der Enge der Stadt zu entkommen, erwarb der Oberst und Bürgermeister von Chur, Rudolf Maximilian von Salis-Soglio, ein grosses Stück Land ausserhalb der Stadtmauern für seinen repräsentativen Neubau «Haus Salis auf dem Sand». Seit 1886 ist die Familie Michel Eigentümerin des klassizistischen Gebäudeensembles, dessen Gartenanlage noch heute in Vorgarten, Buchsparterre, Kieshof und Bungert unterteilt ist. Brigitta und Martin Michel betreuen die Anlage seit Jahrzehnten voller Enthusiasmus; der Bungert wird inzwischen von Thomas Michel gepflegt. Kernstück ist eine weit über 100 Jahre alte Buchsanlage. Als Kontrast zur architektonischen Einteilung, die um 1900 entstand, bespielt die begeisterte Rosenfrau Brigitta Michel die Gartenkammern mit einer lebendigen Pflanzenfülle. Der grosse Auftritt gehört den etwa 200 duftenden Strauch-, Edel- und Kletterrosen. Ihre Staudenleidenschaft pflegt die Gartenliebhaberin mit Akelei, Schwertlilien, Pfingstrosen und Mohn. Im Sommer erblühen Rittersporn und Fingerhut, Schafgarben und Taglilien. Hortensien und Herbstastern zieren den Garten bis weit in den Herbst. Gartenfreunde sind herzlich eingeladen, den Gartenschatz der Familie Michel zu besuchen. Eine Voranmeldung ist notwendig bei Martin Michel, Tel. 079 204 67 14 oder per E-Mail: m.michel@salisgarten.ch.

Einer der frühesten Renaissancegärten der Schweiz

Schloss Haldenstein zählt mit seinem öffentlichen Schlossgarten zu den besonderen Attraktionen der Region Chur. Johann Jakob von Castion, Gesandter des französischen Königs François I. bei den Drei Bünden, liess Schloss Haldenstein 1544 als repräsentative Anlage mit hängenden Gärten errichten. Heute erfreuen die von einer zinnenbekrönten Mauer umgebene Parkanlage und üppig blühende Rosen jedes Jahr viele Besucherinnen und Besucher. Das Renaissance-Schloss zeigt baulich sehr schön den Übergang von der Burg zum Schloss. Auch der weitläufige, aufwendig befestigte Terrassengarten ist ein Zeuge einer neuen, verfeinerten Lebensart. Überwunden war das Mittelalter mit seinem abgeschirmten, introvertierten «Hortus conclusus». Das neue Zeitalter der Renaissance lud die Landschaft ein, Teil der Garteninszenierung zu werden. Seit dem Jahr 2000 führt die Rosengesellschaft Graubünden das Projekt Öffentlicher Garten Schloss Haldenstein. Der Garten ist jeweils vom 1. April bis 1. November täglich von 8 bis 18 Uhr geöffnet. Kontakt: Martin Michel, Tel. +41 79 204 67 14 oder per E-Mail: m.michel@salisgarten.ch.

Zusatz-Tipp: Angelika Kauffmann im Bündner Kunstmuseum

«The whole world is Angelica-mad!» – die ganze Welt ist verrückt nach Angelika, schrieb der dänische Botschafter 1781 an den deutschen Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock. Mit Angelika war die1741 in Chur geborene Angelika Kauffmann gemeint. Die klassizistische Malerin mit einer beispiellosen internationalen Karriere zählt zu den wichtigsten Künstlerinnen des 18. Jahrhunderts. Ihre Werke gehören zu den besonderen Schätzen des Bündner Kunstmuseums in Chur.

 

Weitere Glanzlichter der seit 1900 durch den Bündner Kunstverein aufgebauten Sammlung sind die Familie Giacometti, Ernst Ludwig Kirchner und der Schweizer Expressionismus. Das hochkarätige Kulturhaus mit Sitz in der schön renovierten Villa Planta wurde für seinen aussergewöhnlichen Erweiterungsneubau ausgezeichnet. Das Royal Institute of British Architects (RIBA) verlieh den Architekten Barozzi / Veiga aus Barcelona den «RIBA Award for International Excellence» für eines der bedeutendsten und inspirierendsten Gebäude des Jahres 2018.

 

Weitere Infos: Bündner Kunstmuseum, Bahnhofstrasse 35, Chur, Website: kunstmuseum.gr.ch

Herbarella – das Magazin für Gartenkultur, Reisen, Küche & Lebensart

Seit 2007 berichten die Magazinmacher Simone Quast und Gianni Bombèn in Bild und Text über die schönsten Gärten Europas. Alle Adressen selektionieren und testen sie persönlich. Dieser Artikel zeigt Kostproben ihres Schaffens.

 

Weitere Beiträge und Infos unter: herbarella.ch

Fünf Tipps für Genuss und Kultur in der Region

1 Schön einkehren in Chur: Die Veltliner Weinstube zum Stern in Chur begeistert mit ihrer prachtvollen Bündner Stube und ihrer sehr gepflegten, traditionsreichen Küche, die Capuns, Maluns, Bizochels, oder Churer Ratsherrenteller nach überlieferten Rezepten zubereitet. Der herzliche Empfang durch das Team macht jeden Besuch besonders. Eine gute Adresse für Liebhaber authentischer regionaler Küche. Geöffnet täglich von 11.30 bis 14.30 und 18 bis 23 Uhr. Restaurant Veltliner Weinstube zum Stern, Reichsgasse 11, 7000 Chur. stern-chur.ch

2Bühler"s Zuckerbäckerei: Künstler, Zuckerbäcker, Philosoph? Daniel Bühler gehört zweifelsohne zu den schillernden Figuren seiner Zunft. In seiner Zuckerbäckerei – der ältesten noch existierende Produktionsstätte der Bäcker-, Konditoren- und Confiseurszunft in Chur – verwebt er neue Kreationen mit traditionellen Rezepten. Inmitten köstlicher Nusstorten, Birnenbroten und Röteli finden sich auch «Bündner Pfirsichsteine»: Eine Geheimmischung aus Marzipan, die in kleinen Metallpressen einzeln von Hand (!) zu Pfirsichsteinen geformt werden. Bühler’s Zuckerbäckerei, Untere Gasse 32, 7000 Chur, Tel. 081 252 72 72.

3Herrschäftler Weinrarität: Schon im Mittelalter wurde die einheimische Weissweintraube «Completer» in der Bündner Herrschaft angebaut. Ihren Namen verdankte sie dem «Komplet» genannten Abendgebet der Churer Domherren. Heute erfreut sich die Weinrarität bei Winzern und Liebhabern einer neuen Faszination. Der Completer überzeugt zu Alpkäse und Trockenfleisch; traditionellen Speisen verleiht er dank seiner robusten Säure eine überraschende Leichtigkeit. Zum Beispiel: Completer, Sprecher von Bernegg, Jan Luzi, Jenins. sprechervonbernegg.ch

4Scarnuz Grischun: Eine schöne Geschenktüte aus Papier, gefüllt mit Delikatessen, die ausschliesslich von Bündner Bäuerinnen hergestellt werden – das ist Scarnuz Grischun. Wer die traditionellen Nusstorten, Rahmzückerli, Salsiz, Alpkäse, Teigwaren, Rötelichriesi oder Bergteemischungen einmal probiert hat, versteht, wie begehrt die authentischen und lokal produzierten Spezialitäten bei Einheimischen und Fremden sind. Online sind die Geschenktüten erhältlich unter: scarnuz-grischun.ch

5Schweizerische Triennale der Skulptur: Noch bis zum 30. Oktober 2024 begrüssen Bad Ragaz, Vaduz und das Alte Bad Pfäfers Gäste aus aller Welt zur 9. Triennale der Skulptur. In den Parks und Grünanlagen, auf den Strassen und Plätzen zeigen international renommierte Künstlerinnen und Künstler ausgewählte Werke. Das im Jahr 2000 von den leidenschaftlichen Kunstförderern Esther and Rolf Hohmeister lancierte einzigartige Kunsterlebnis ist inzwischen eine der grössten Open-air-Kulturveranstaltungen Europas, die bei freiem Eintritt mehr als eine halbe Million Gäste anzieht. badragartz.ch