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Thermalwasser in Leukerbad: Wie das heisse Wasser entsteht - und ein Wandertipp

Thermalwasser 40 Jahre dauert es, bis aus Regen- und Schmelzwasser das Thermalwasser wird, das Leukerbad zum grössten Thermalbadeort der Alpen macht. Wir haben uns die Hintergründe angesehen.

von Alexandra von Ascheraden

Journalistin

Leukerbad – das lässt an die Gemmi denken, über der nun wieder der einst ausgerottete Bartgeier kreist, ans Daubenhornmassiv, an warme Thermalbäder. 65 Quellen schütten hier täglich vier Millionen Liter Thermalwasser aus. Die ergiebigsten acht liefern das Wasser für die Thermalbäder.

Die warmen Quellen Leukerbads schätzten schon die Römer. Vor 500 Jahren dann startete der geschäftstüchtige Kardinal Matthäus Schiner einen regelrechten Badetourismus. Er erwarb die Rechte an den warmen Quellen, errichtete Bäder und einen repräsentativen Gasthof und überzeugte die kirchliche und später auch die weltliche Prominenz von der segensreichen Wirkung der warmen Bäder.

Im 18. Jahrhundert kam der Tourismus richtig in Schwung, als der neue Gemmiweg in den Kalk gesprengt wurde und die schwierige Route über die alte Gemmi von Kandersteg her ablöste. Man konnte sich auch auf Pferden über den Saumweg aus dem Rhonetal heraufschaffen lassen oder die Handelswege über die Varner- und Albinenleitern nutzen.

Drei Tage Dauerbaden

Ehrlich gesagt kann man nicht nur wegen der deutlich einfacheren Anreise buchstäblich heilfroh sein, dass sich die Zeiten geändert haben. Damals war es üblich, im Thermalwasser Schach oder Karten zu spielen und sich Speisen servieren zu lassen. Das sollte die langen Badezeiten erträglicher machen.

Für eine Kur sass man damals bis zu 200 Stunden im warmen Wasser. Täglich gern zehn Stunden am Stück. «Die Kur galt erst als erfolgreich, wenn sich durch das lange Baden ein Hautausschlag und Entzündungen bildeten, so dass die Haut sich abzulösen begann», berichtet Stefan Röösli von der Thermalwasserzunft. «Heute lautet die medizinische Empfehlung drei Durchgänge à 20 Minuten», fügt er augenzwinkernd hinzu.

40 Jahre in der Tiefe

Das Thermalwasser ist ein Geschenk der Natur – und diese treibt dafür eine Menge Aufwand. «Es dauert mindestens 40 Jahre, bis das Wasser, das zwischen Majing- und Torrenthorn auf über 2300 Metern Höhe versickert, als Thermalwasser wieder an die Oberfläche dringt. Wenn man weiss, was ein 40-jähriger Whiskey kostet, dann weiss man das Thermalwasser gleich noch mehr zu schätzen. Ein grosses Geschenk der Natur», findet Röösli.

Das Wasser dringt über steil stehende Kluften drei Kilometer in die Tiefe, bis weit unter dem Meeresspiegel. Unterwegs reichert es sich mit Stoffen aus dem Gestein an, vor allem mit Calcium und Sulfat. Die Wärme des Erdinnerns heizt das Wasser nicht nur auf. Sie sorgt auch dafür, dass es durch die geothermische Erwärmung wieder nach oben gedrückt wird. Röösli erklärt plastisch: «Das Wasser, in dem wir heute baden, ist in den 1980er-Jahren oben in den Bergen versickert. Damals, als ohne Dauerwelle und Schulterpolster nichts ging und man die Coolness eines Autos vor allem an der Grösse seines Heckspoilers mass.»

900 Liter pro Minute

Das Wasser in den zahlreichen Leukerbader Quellen kommt in sehr unterschiedlichen Temperaturen an die Oberfläche. Alles ab 20 Grad darf sich Thermalwasser nennen. «Unsere ergiebigste Quelle ist die St. Lorenz-Quelle. Sie allein schüttet 900 Liter Wasser pro Minute aus. Ihr Wasser ist 51 Grad Celsius warm», erklärt Röösli weiter.

Bevor das Thermalwasser zum Baden in einem der drei öffentlichen Bäder, den privaten Bädern der Hotels oder der Rheumaklinik einlädt, werden die Trüb -und Schwebstoffe entfernt. Röösli: «Durch die Reise durch das Gestein führt jeder Liter Thermalwasser etwa zwei Gramm gelöste Feststoffe mit sich, darunter durch das Eisen rostrot gefärbten Fangoschlamm. All das filtern wir heraus. Nur die Mineralien verbleiben im Wasser. Einerseits aus Sicherheitsgründen, damit man in den Badebecken bis auf den Grund sehen kann. Andererseits auch unserer Technik zuliebe. Für die sind schon die Mineralien Herausforderung genug.»

Das Wasser enthält nämlich neben Calcium und Sulfat unter anderem auch Natrium, Strontium, Eisen und Fluorid. Dieser Cocktail setzt den Rohren und Pumpen zu, so dass sich beispielsweise manche Gummidichtungen spätestens nach zwei Jahren aufgelöst haben. Nicht alles, was der Haut gut tut, tut auch der Technik gut.

Dreifacher Nutzen

Das Thermalwasser wird übrigens in Leukerbad gleich dreimal genutzt. Die Abwärme des Badewassers wird in das lokale Fernwärmenetz geleitet, das gerade aufgebaut wird. Wenn das Wasser seine Wärme an das Fernwärmesystem abgegeben hat, wird es in den Seitenfluss Dala geleitet, wo es nochmals zur Stromerzeugung mittels Wasserkraft genutzt wird. So schliesst sich der Kreislauf.

Thermalwasser «erwandern»

Thermalquellen-Weg

In Leukerbad kann man nicht nur baden, sondern auch vor Ort eine Menge über dieses Wasser lernen. Wer mit Kinderwagen unterwegs ist oder nicht so gut zu Fuss, dem sei der «Thermalquellen-Weg» empfohlen. Er führt in etwa zwei Stunden auf befestigten Wegen durchs Dorf bis zum Fuss der Dalaschlucht. Neun reich bebilderte Tafeln erklären den Ursprung und die Wirkung des Wassers. Mehrfach führt er an Dorfbrunnen vorbei, die warmes Thermalwasser oder kaltes reguläres Trinkwasser führen. Wer mag, darf ins warme Wasser gern die Füsse hineinstellen. Der Weg ist etwa drei Kilometer lang.

 

Thermalquellen-Steg

Wer Leitern und Hängebrücken nicht scheut, dem sei der Thermalquellen-Steg wärmstens empfohlen. Er beginnt in der Dalaschlucht, genau dort, wo der Thermalquellen-Weg seinen höchsten Punkt erreicht. Auf Gitterrosten läuft man etwa vier Meter hoch über der tosenden Dala. Immer wieder zeigen sich hier rostig braune Stellen am Fels. An ihnen tritt Thermalwasser aus den Ritzen aus. Sein Eisengehalt färbt den Fels. In der Dala mischen sich eisiges Fluss- und warmes Thermalwasser. An einer Stelle ist ein kleiner Seilzug mit einem Topf montiert, über den man frisches, warmes Thermalwasser direkt aus einer Quelle knapp über dem Flussbett hochkurbeln kann. Weiteres Highlight ist die gut 20 Meter lange Hängebrücke. Sie überquert das Flussbett und führt zu einem Wasserfall, der aus 30 Metern Höhe in einem vom tosenden Wasser in den Fels geschliffenen Tobel über mehrere Stufen ins Flussbett stürzt. Ihn erklettert man über leicht schwankende Leitern, um sich anschliessend am plötzlich fast geruhsam dahinplätschernden Oberlauf der Dala für mehrere Wanderwegalternativen ins Tal zu entscheiden. Wahlweise geht es weiter in die Höhe, hoch zum Wyss- und Schwarzsee, in deren Nähe das Wasserin steilen unterirdischen Kluftsystemen versickert und Jahrzehnte später als Thermalwasser wieder nach oben dringt. Oder man wandert über blühende Bergwiesen zurück ins Dorf. Der Thermalquellen-Steg ist von Mai bis Oktober geöffnet.