Meier meint

Die «unvollständige Geschichte»

von Markus Meier

Direktor HEV Schweiz

Kürzlich ist mir beim Blick in eine Tageszeitung der reisserische Titel «Immobilienbesitzer profitieren auf Kosten der Steuerzahler» aufgefallen. Das konnte ich nicht ungelesen überblättern. Hier die Zusammenfassung der auf Statistiken und Annahmen beruhenden «Geschichte»: Per Ende 2020 soll der Marktwert aller privaten Hochbauten 4200 Mia. Franken betragen haben. Davon seien 950 Mia. der Bausubstanz zuzurechnen und 3250 Mia. der Lage der Bauten. Laut Branche seien für den Wert einer Liegenschaft drei Faktoren massgebend: 1. die Lage, 2. die Lage und 3. die Lage. Die «Neunerprobe» mit den genannten Werten bestätige diese Formel, da die Lagebewertung bei gut dem Dreifachen des Bausubstanzwertes liege. Eine Lagebewertung sei aber immer fast ausschliesslich von öffentlichen Gütern abhängig. Dazu aufgezählt werden Strom, Strassen, ÖV-Netz, Schulen, Spitäler, Flughäfen, Parkanlagen und die öffentliche Sicherheit.

Unter dem Zwischentitel «Mieter zahlen doppelt» kommt es dann knüppeldick. Mieter und die – im Zwischentitel wohl zufällig vergessen gegangenen – zugezogenen Wohneigentümer würden die Ausstattung der aufgezählten Güter zweimal bezahlen, nämlich einmal mit ihren Steuern und ein weiteres Mal mit überhöhten Mieten bzw. mit einem nicht weiter beschriebenen «Eintrittsgeld». Damit kassiere neben dem Fiskus ein zweiter «Steuervogt» ab, nämlich die Vermieter und Grundeigentümer der Gemeinde. Diese liessen sich den von den Steuerzahlern finanzierten Wert der Lage ihrer Objekte entschädigen. Eigentümer würden so unter verschiedenen Annahmen jährlich 80 Mia. «Bodensteuer» einsacken. Diese Bodenordnung schade der Wirtschaft und untergrabe die Demokratie, weil sie die Bürger zu nomadischen Wohnorts- und Steueroptimierern mache. Ende der «Geschichte».

Sicher ohne Absicht unerwähnt geblieben ist, dass Eigentümer mit ihrer Investition finanzielle Risiken auf sich nehmen, auf vieles verzichten und für ihre Wertanlage der öffentlichen Hand Mehrgebühren, Spezialsteuern und progressive Mehrabgaben abliefern: beim Kauf der Immobilie, während der Nutzung und ebenso beim Verkauf. Vermutlich jedoch wäre eine differenzierte Betrachtung dem Ziel des Zeitungsbeitrags zuwidergelaufen.

«Vermutlich wäre eine differenzierte Betrachtung dem Ziel des Zeitungsbeitrags zuwidergelaufen.»