Tipps zum Energiesparen haben Hochkonjunktur. Es könnte ja auch so einfach sein: Wir reduzieren die Raumtemperatur ein wenig und heizen nur die Räume, die wir gerade nutzen. Wir lassen die Fenster nicht gekippt, wenn die Heizung läuft. Wir schalten das Licht und die elektronischen Geräte ganz aus, wenn wir sie nicht benötigen. Allerdings bestimmt im wahren Leben eher der Komfort unser Handeln und nicht der stete Gedanke ans Energiesparen. Welche dauerhaften Veränderungen Kampagnen und steigende Preise bewirken, muss sich erst noch zeigen.
Ein bewussterer Umgang mit Energie ist aber nicht nur in der aktuellen Situation sinnvoll, sondern generell. Denn das Nutzerverhalten hat einen grossen Einfluss auf den tatsächlichen Energieverbrauch. So kann ungünstiges Verhalten dazu führen, dass der Verbrauch auch in eigentlich energieeffizienten Neubauten deutlich über dem geplanten Bedarf liegt.
Intelligenter regeln
Ein weiterer Ansatz, den Energieverbrauch zu reduzieren, besteht darin, die Regelung intelligenter respektive lernfähig zu machen. Dank künstlicher Intelligenz (KI) soll die Gebäudetechnik selbstständig aus dem Nutzerverhalten sowie aus weiteren Parametern wie Klima- und Gebäudedaten lernen und so den Betrieb optimieren. Künstliche Intelligenz braucht es dabei, weil herkömmliche Regler die Bedürfnisse der Nutzer ausser Acht lassen. Normale Regler versuchen, durch Abarbeiten von simplen «Wenn-Dann»-Funktionen die eingestellten Sollwerte zu erreichen. Beispielsweise: Wenn die Raumtemperatur den Sollwert unterschreitet, dann wird die Heizung aktiviert. Scheint wenig später die Sonne hinein, überhitzt der Raum, und wir lüften die gerade zum Heizen aufgewendete Energie zum Fenster hinaus.
Demgegenüber wird lernfähigen KI-Systemen nicht im Detail vorgegeben, wie sie einen Sollwert zu erreichen haben. Vielmehr sollen sie selbst herausfinden, wie ein Gebäude in der jeweils aktuellen Situation am besten betrieben werden kann. Und sie reagieren selbstständig auf Veränderungen, sei es beim Wetter, bei der Nutzung, den Komfortansprüchen oder am Gebäudesystem selbst. So soll beispielsweise die Raumtemperatur konstant angenehm bleiben, ohne dass der Mensch eingreifen muss. Gleichzeitig funktioniert die Heizung energiesparender. Regelungen mit künstlicher Intelligenz können zudem vorausschauend regeln, wenn sie das Nutzerverhalten und die Wettervorhersage kennen. Auch das spart Energie, weil die Räume dann auf die effizienteste Weise geheizt werden, und nicht auf die schnellste.
Lernen aus Daten
Intelligent wird die Gebäudetechnik durch maschinelles Lernen. Dafür braucht sie den passenden Algorithmus – und natürlich die für die jeweilige Aufgabenstellung relevanten Daten. Daraus erstellt der Algorithmus ein Gebäudemodell und übernimmt die Regelung der Gebäudetechnik oder eines Teilbereichs davon, etwa der Heizung.
Selbstlernende Gebäudetechnik ist keine Zukunftsmusik. Bereits am Markt aktiv ist beispielsweise das Schweizer Start-up Cleveron, dessen intelligente Raumklimaregelung vor allem in Büro- und Geschäftsgebäuden oder Schulen eingesetzt wird. Das Unternehmen Viboo, ein Spin-off des ETH-Forschungsinstituts Empa, möchte seine intelligenten Thermostate nächstes Jahr auf den Markt bringen. Diese eignen sich auch für Wohnhäuser (siehe Infobox 1). Auch die gesamte Gebäudesteuerung oder das Energiemanagement kann mit lernenden Algorithmen optimiert werden (siehe Infobox 2).
Effizienz und Komfort steigern
Der Vorteil dieser Systeme: Sie sind für alle Arten von Gebäuden erschwinglich. Denn anders als bei herkömmlichen Regelungen – die auch sehr genau und energieeffizient arbeiten können, wenn sie für ein Gebäude massgeschneidert sind – muss bei einer selbstlernenden Regelung niemand das einzelne Gebäude erst analysieren, dann eine individuelle Lösung erarbeiten und diese schliesslich programmieren. Diese Arbeit ist sehr aufwendig und damit teuer. Ein Algorithmus hingegen kann die grosse Anzahl Daten viel schneller und oft auch genauer erfassen und verarbeiten.
Ausserdem können selbstlernende Systeme auch in älteren Gebäuden schnell und ohne grossen Aufwand den Energieverbrauch und damit die CO2-Emissionen reduzieren – selbst dann, wenn das Gebäude energetisch noch nicht umfassend saniert ist oder die alte Heizung nicht sofort ersetzt wird. Sanierungen und energiesparendes Verhalten werden dadurch nicht obsolet. Aber mit selbstlernender Gebäudetechnik wäre Energiesparen wirklich einfach – und dazu komfortabel.
Intelligent wird die Gebäudetechnik durch maschinelles Lernen. Dafür braucht sie den passenden Algorithmus – und die relevanten Daten.
(1) Vorausschauende Heizungsregelung
Empa-Forscher haben einen Regelalgorithmus entwickelt, der mithilfe von Wetter- und Gebäudedaten mehrere Stunden im Voraus den idealen Energieaufwand eines Gebäudes berechnen kann. Die vorausschauende Regelung spart rund einen Viertel Heizenergie, wie erste Praxistests gezeigt haben. Da nur der Thermostat am Heizkörper ersetzt werden muss, ist das System eine schnell und einfach umsetzbare sowie verhältnismässig günstige Energiesparmassnahme, besonders für ältere Gebäude. Unter dem Namen Viboo soll die intelligente Regelung voraussichtlich nächstes Jahr erhältlich sein. Weitere Infos unter: viboo.io
(2) Strom und Kosten sparen
Zu selbstlernender Gebäudetechnik wird viel geforscht und entwickelt, auch an der Empa. Ein Projekt beschäftigt sich mit Wohnhäusern mit Photovoltaikanlage und Wärmepumpe. Dort soll künstliche Intelligenz den Stromverbrauch senken und das Energiemanagement optimieren. Dies bedingt einen Speicher, etwa ein Elektroauto, das zum bidirektionalen Laden fähig ist. Der Algorithmus lernt das Nutzerverhalten kennen, reagiert auf Änderungen und Wetterumschwünge, und er kennt die Strompreise. So kann er den Eigenverbrauch optimieren und Strom dann aus dem Netz beziehen, wenn er gerade günstig ist.
Weitere Infos unter: empa.ch