Wolfgang und Edith Müller aus Grasswil gründeten 2020 die Eselmüller-Stiftung. Ziel der Stiftung ist es, die Würde und das Wohlergehen von Eseln, aber auch anderer Equiden, zu schützen und die artgerechte Haltung und den verantwortungsbewussten und schonenden Umgang mit Eseln zu fördern.
Weshalb braucht es eine solche Stiftung in der Schweiz, und wie sind sie so – die Esel? Wir haben uns mit Wolfgang Müller über diese und weitere Fragen unterhalten.
Der Schweizerische Hauseigentümer: Herr Müller, störrisch, dumm – Esel werden häufig mit nicht sehr schmeichelhaften Adjektiven charakterisiert. Wie würden Sie die Tiere beschreiben?
Wolfgang Müller: Esel sind durch und durch soziale Wesen. So wie wir Menschen. Sie empfinden Glück und Leid, Freude und Trauer. Sie pflegen Freundschaften. Sie verlieren ihr Herz. Sie spielen, streiten und versöhnen sich. Und sie hängen am Leben. So wie wir. Wieso sollten sie kein Recht darauf haben, es bis zum letzten Atemzug auszukosten?
Geht es den Eseln in der Schweiz denn so schlecht?
So direkt kann man das nicht sagen. Was in der Eselhaltung falsch läuft, hängt oft mit fehlendem Wissen zusammen. Da niemand die Herkunft des Esels im Kopf hat, wird er falsch gefüttert. Esel sind Wüstentiere und fressen eigentlich kein oder sehr wenig Gras. Viele Eselbesitzer wissen das nicht und stellen ihre Esel 24 Stunden auf eine fette, saftige Weide. Zudem bekommt der Esel bei uns – im Gegensatz zu anderen Tieren – auch keine Mineralien. So wird er krank und leidet oft enorme Schmerzen, ohne dies zeigen zu können. Weil sein Stoffwechsel nicht mehr funktioniert, reagieren Esel dann häufig mit Koliken oder Hufproblemen wie Hufrehe. Ahnungslosigkeit, Gleichgültigkeit, Herzlosigkeit – egal, was es beim Menschen ist, die Tiere bezahlen alles mit ihrer Gesundheit oder gar mit ihrem Leben, und nichts davon ist entschuldbar.
Auf Ihrer Website schreiben Sie, dass die zu vermittelnden Tiere nicht als «Landschaftspfleger» oder «Herdenschutzesel» gehalten werden dürfen. Warum nicht? Herdenschutz ist doch eine wichtige Aufgabe.
Richtig, aber nicht für Esel. Sie sind keine Raub-, sondern Fluchttiere. Ein Esel verteidigt sein Revier zwar gegen Eindringlinge, aber er wird nie andere Tierarten schützen. Auch hier hat der Mensch eine falsche Vorstellung. Ausserdem sind Esel – wie schon erwähnt – Wüstentiere, die zu viel Gras einfach nicht vertragen. Sie brauchen trockenes Laub, Heu, Stroh und Äste, um ihren Stoffwechsel in Schwung zu halten. Auch das frische Trinkwasser ist ein Problem. Etwa 8 bis 10 Liter pro 100 Kilogramm Körpergewicht benötigt ein Esel. Das feuchte Gras, sofern es das auch ist, genügt da nicht. Und wer schleppt schon so viel Wasser auf die Alp? Hinzu kommt die übrige Pflege. Ein Esel benötigt tägliche Hufpflege, alle 6 bis 8 Wochen eine fachmännische durch einen Hufschmied oder Hufpfleger. Auf dem Berg als Herdenschutztier kann dieser «Service» nicht gewährleistet werden. Dort braucht er ihn aber dringend, da der Boden weich ist, wodurch das Hufhorn nicht abgenutzt wird. Auch muss einem Equiden – zu dieser Gattung gehört auch der Esel – gemäss Tierschutzgesetz ein permanenter Zugang zu einem Unterstand zur Verfügung stehen.Sie sehen: eine artgerechte Haltung auf einer Schafalp ist nur schwer zu gewährleisten.
Es gibt aber äusserst positive Berichte über Bauern, die Esel als Herdenschutztiere einsetzen. Sind Sie grundsätzlich dagegen, oder könnten Sie sich – evtl. unter Einhaltung gewisser Standards – mit der Idee des Herdenschutzesels anfreunden?
Nein. Die Bedürfnisse des Esels können auf einer Schafalp nicht erfüllt werden. Es ist sowieso nicht ratsam, Esel mit Schafen weiden zu lassen. Sind Lämmer in der Herde, kann es immer wieder zu Unfällen und toten Lämmern kommen. Esel wollen mit den jungen Schäfchen spielen und jagen sie in den Tod.
Was benötigt also ein Esel, damit er sich von A bis Z wohlfühlt?
Er braucht zwingend einen Trockenplatz, einen Stall ohne Zugluft, auf drei Seiten geschlossen, die Liegefläche muss eingestreut sein. Frisches, sauberes Wasser und Pferdeheu, Mineralstoffe, einen Salzleckstein und zur Beschäftigung Knabber-Äste. Ein Esel benötigt aber auch Zuneigung, Beschäftigung mit dem Menschen und mindestens einem Artgenossen.
Was raten Sie nun Leuten, die sich einen Esel anschaffen möchten?
Ein Esel darf gemäss Tierschutzgesetz nicht alleine gehalten werden. Wir empfehlen, sich vor der Anschaffung intensiv mit dem Thema zu beschäftigen, vielleicht einen Basisworkshop zu buchen. Ein Esel kann über 30 Jahre alt werden. Das muss einem klar sein. Auch zukünftige Ferienpläne müssen dann rund um das Tier geplant werden. Und auch die Kostenfrage muss berücksichtigt werden. Anschaffung, Unterhalt, Tierarzt – das alles ist nicht gratis.
Angenommen alles passt, und man hat zwei Esel: Wie sähe ein perfekter, auf die Bedürfnisse der Tiere abgestimmter Tag aus?
Esel sind intelligente Lauftiere und brauchen viel Abwechslung. In freier Natur verbringen Esel über 16 Stunden mit der Nahrungssuche, da das Angebot sehr karg ist. Sie legen dabei gerne bis zu 17 km zurück. Es versteht sich von selbst, dass das Herumstehen in der Box für Esel katastrophal ist. Esel sind nicht nur bewegungsfreudig, sondern auch sehr intelligent. Deswegen droht schnell Langeweile, wenn den Tieren nicht ausreichend Platz und Abwechslung geboten wird. Darum müssen genügend verschiedene Fressplätze vorhanden sein. Nach dem Fressen stehen Esel gerne in der Sonne und geniessen ein Nickerchen.
Was wünschen Sie sich für die Esel hierzulande?
Dass sie nicht liebevoll zu Tode gefüttert werden! Esel gehören nicht 24 Stunden auf eine Weide. Wer sich Esel anschaffen will, muss sich informieren. Nur so kann Tierleid verhindert werden. Es gibt so viele Esel, die froh wären, wenn jemand sich mit ihnen beschäftigen würde.
Das Interview führte Lilian Fritze, Redaktion, HEV Schweiz
Eselmüller-Stiftung
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Weitere Infos: eselmüller-stiftung.ch