Möbel

Brockenhäuser – Warenumschlagplatz und Inspirationsquelle

Während Brockenhäuser früher oft als muffige Ramschläden belächelt wurden, erfreuen sie sich heute zunehmender Beliebtheit und treffen den Nerv der Zeit. Denn im Brockenhaus erhalten nicht mehr benötigte Gegenstände ein zweites Leben.

von Isabelle Wachter

Journalistin, Zürich

Bei der Annahmestelle direkt beim Eingang der Heilsarmee brocki.ch Wetzikon herrscht geschäftiges Treiben. Kleider, Geschirr, Deko-Artikel und vieles mehr wird von den Mitarbeitenden hinter der Theke mit Geschick und Routine sortiert. Ein kunterbuntes Durcheinander, das aber, anders als es scheint, einem ausgeklügelten System folgt – von der Annahme bis zum Verkauf. Sobald die Secondhand-Kostbarkeiten mit dem Preiskleber versehen sind, werden sie mit Wägelchen durch die langen Gänge des Brockis gekarrt, bis sie dann an ihrem Präsentationsort niedergelegt werden. Es klappert und klirrt in den Hallen des grössten Schweizer Brockis. Man hört Kunden lachen, und Kinder suchen das Brocki-Büsi, das eben noch hinter einem Regal hervorgelugt hat. Die Vorfreude, irgendeinem Gegenstand ein zweites Leben schenken zu können, schwebt in der Luft.

Secondhand – ein Lebensstil

«Secondhand ist ein Lebensstil, der sich in der Schweiz zunehmender Beliebtheit erfreut», sagt Deborah Piergentili, stellvertretende Leiterin der Heilsarmee brocki.ch Wetzikon. Seit ein paar Jahren kämen vermehrt junge, zahlungskräftige Leute ins Brocki. Das war früher anders. Die Brockenhäuser hatten lange Zeit ein eher muffiges Image. Stammkunden waren hauptsächlich Menschen mit schmalem Budget. Heute sind die Kunden so vielfältig wie das Brocki-Sortiment selbst. Der Sozialgeldbezüger findet genauso etwas wie der Trödelhändler oder die hippe Mittzwanzigerin, die auf der Suche nach Retro-Möbeln und seltenen Trouvaillen ist. «Wir haben auch schon Gegenstände für Events oder für die Ausstattung von Film-Sets verkauft», erinnert sich Deborah Piergentili.

Entrümpeln und Gutes tun

In der Schweiz gibt es rund 600 Brockenhäuser. Welche Brockenhäuser sich in der Nähe befinden, kann man im Verzeichnis brockisearch.ch nachschauen. Viele Schweizer Brockenhäuser werden ihrem Ursprung getreu von karitativen Organisationen geführt. So betreibt beispielsweise die Heilsarmee 20 Brocki-Filialen über die ganze Schweiz verteilt. «Der gesamte Verkaufserlös wird in die sozialen Projekte der Heilsarmee investiert. Diese reichen von Sozialberatungsstellen über Notunterkünfte für Obdachlose bis hin zu Kinder- und Jugendorganisationen», so Deborah Piergentili. Aber auch kleinere Organisationen wie das Sozialunternehmen Noveos aus dem Zürcher Oberland führen Brockenhäuser. So betreibt Noveos das Brockenhaus Pfannenstil mit den Filialen Meilen und Volketswil. Dort haben Menschen mit psychischer Beeinträchtigung dank geschützter Arbeitsplätze die Möglichkeit auf eine Reintegration in die Arbeitswelt. Wer also bei sich zu Hause entrümpeln und gleichzeitig etwas Gutes tun will, bringt nicht mehr benötigte Ware als Spende in ein solches Brockenhaus. Neben den Brockenhäusern mit karitativem Zweck gibt es zahlreiche Brockis mit kommerziellem Geschäftsmodell. Für seltene Stücke erhält man bei solchen Brockenhäusern noch etwas Geld.

Verkäuflichkeit steht im Vordergrund

Über welche Gegenstände freuen sich die Brockis besonders und über welche weniger? Barbara Schläpfer und Flavia Strufaldi vom Noveos-Brockenhaus Volketswil schmunzeln bei dieser Frage. Man erahnt es schon. Diese Frage wird ihnen oft gestellt. «Grundsätzlich nehmen wir alles an, was in einem guten Zustand ist. Wichtig ist, dass die Ware verkäuflich und hygienisch unbedenklich ist.» Der Einfachheit halber hat das Brockenhaus Pfannenstil einen Flyer mit Gegenständen erstellt, die nicht angenommen werden. Dabei gilt aber: keine Regel ohne Ausnahme. Bei Unsicherheiten gibt das Brocki Pfannenstil Auskunft über die aktuelle Situation bei der Warenannahme (siehe Infobox).

Bücher, CDs und DVDs verkaufen sie zwar in ihrem Brocki, diese stammen aber vorwiegend aus Räumungen von Häusern und Wohnungen. Solche Räumungen führen die meisten Brockenhäuser gegen Rechnung durch. Verkäufliche Ware nehmen sie gratis mit. Der Rest wird fachgerecht entsorgt. Besonders beliebt seien Raritäten wie Emailleschilder, alte Postkarten und spezielle Möbel. Das bestätigt auch Deborah Piergentili vom Heilsarmee-Brocki in Wetzikon: «Möbel aus den 50er-, 60er- und 70er-Jahren und dänische Design-Möbel liegen im Trend und sind schnell weg. Im Gegensatz dazu verkaufen wir gebrauchte Ikea-Möbel kaum mehr und sind daher froh, wenn man uns diese gar nicht erst vorbeibringt.» Doch nicht nur alte Möbel erfreuen sich grosser Beliebtheit. Auch Geschirr, Porzellan und verschnörkelte Lampen sowie Deko-Artikel sind begehrt. Bei Familien sei vor allem die Spielwarenabteilung beliebt. Secondhand-Kleider seien bei Kunden mit schmalem Budget und bei jungen, urbanen Leuten gefragt.

Ein Hauch Retro für das Wohnzimmer

Gibt jemand besonders viele hochwertige und gut verkäufliche Gegenstände ab, stellt das Brocki Pfannenstil dem Spender auch mal einen Einkaufsgutschein aus. Wieso also nicht gleich in eigener Sache etwas stöbern? Beim Einrichten mit Brockenhaus-Möbeln gibt es allerdings ein paar Regeln. «Es lohnt sich, auf Farben, Formen und Proportionen bei Möbeln und Wohnaccessoires zu achten. So sollte man beispielsweise zu einem schweren Sofa aus den 50er-Jahren einen leichten, filigranen Salontisch wählen», erklärt Tamara Volken. Sie ist eidg. diplomierte Polydesignerin und absolviert derzeit den Studiengang Design Management, International (DMI) an der Hochschule Luzern. Sie ist passionierte Brocki-Gängerin und hat schon mehrere Wohnungen mit Möbeln und Deko aus dem Brockenhaus ausgestattet. «Oft kommt es auf den idealen Mix zwischen Brocki-Gegenständen und modernen, minimalistischen Möbeln an. Alte Möbel sind Charakterelemente, mit denen man der eigenen Wohnung eine ganz individuelle Note verleihen kann.» Wichtig sei auch, dass man sich für die Entdeckungstouren in den Brockenhäusern Zeit nehme. Denn häufig lägen die Trouvaillen nicht direkt vor der Nase. Hat man einen Gegenstand gesichtet, der einem gefällt, sollte man ihn aus dem Regal nehmen und separiert betrachten. «Vor Brocki-Touren empfehle ich den Leuten, Fotos vom einzurichtenden Zimmer zu machen und diese mitzunehmen. So können sie besser beurteilen, ob ein Brocki-Gegenstand hineinpasst oder nicht», erzählt Tamara Volken.

Brockenhäuser sind nicht nur ein Warenumschlagplatz, sondern auch Inspirationsquelle. Ein Besuch lohnt sich – ob als Kunde, Spender oder beides. Barbara Schläpfer vom Noveos-Brockenhaus schätzt auch nach vielen Jahren Erfahrung immer noch jedes einzelne Beratungsgespräch: «Im eigenen Wohnzimmer werden Brocki-Möbel zu Schmuckstücken. Was gibt es Schöneres?»

«Wichtig ist, dass die Ware verkäuflich und hygienisch unbedenklich ist.»

Was das Brocki nicht annimmt

Schulbücher, Lexika, fremdsprachige Literatur, PC-Literatur, Elektro- und Küchengeräte, Fernseher, Computer und Zubehör, Bügel-, Strick- und Nähmaschinen, Gefahrengut (z. B. Giftstoffe, Farben), CDs, DVDs, PC-Spiele, Betten, Matratzen, CD-Regale, Büromöbel, Wohnwände, abgelaufene oder angebrochene Körperpflegeartikel, Kinder-Autositze, Kinderwagen, Wiegen, Babybetten, ungewaschene und kaputte Textilien, defekte oder stark abgenutzte Koffer, angebrochene Papeterie-Artikel, sperrige Schreibmaschinen, Sportgeräte und -utensilien.

 

Jedes Brockenhaus hat eigene Richtlinien für die Warenannahme. Das Brocki Pfannenstil z. B. nimmt ausser den oben aufgelisteten Artikeln alles an. Aber: keine Regel ohne Ausnahme. Daher ist die Liste nur als Orientierungshilfe gedacht. Für weitere Infos fragen Sie beim Brockenhaus in Ihrer Nähe nach.