Fasnacht, Fastnacht, Fassenacht, Fasnet, Fasching oder auch Karneval: All diese Bräuche drehen sich um das gleiche Thema und können unter der sogenannten «fünften Jahreszeit» subsumiert werden. All diesen närrischen Zeiten gemeinsam ist der historisch-religiöse Hintergrund, gemäss welchem sie im Vorfeld der Fastenzeit stattfinden. Letztere wiederum beginnt am Aschermittwoch und dient der Vorbereitung auf das Osterfest.
Die Pflege der fasnächtlichen Bräuche findet aber nicht überall zum gleichen Zeitpunkt statt. Und auch die damit verbundenen Aktivitäten und Erscheinungsbilder sind je nach Land oder Region stark unterschiedlich. Was für die einen Masken, Konfetti und Umzug sind, heisst bei anderen Larven, Räppli und Cortège. Andernorts wiederum findet keine Maskierung statt, sondern es wird lediglich kräftig geschminkt. In den Cliquen werden Piccolos gepfiffen, Trommelfelle mit Schlegeln bearbeitet, und in den Guggenmusiken wird nach Kräften geschränzt. Ab Bütten werden Reden geschwungen, in Beizen Schnitzelbängg gesungen und an Maskenbällen wird intrigiert.
Zwei Merkmale scheinen jedoch allen gemeinsam zu sein. Da ist einerseits das Verkleiden oder Kostümieren und die Präsentation der Kostüme an kunterbunten und musikalisch umrahmten Feiern, Paraden und Umzügen. Und da sind andererseits humorvolle, aber auch scharfzüngige Vorträge und bissige Parodien, in denen politische Ereignisse und Persönlichkeiten aufs Korn genommen werden. Die Hintergründe hierzu sind historisch, denn diese «erweiterte» Redefreiheit geht auf den mittelalterlichen Brauch des Rügerechtes zurück. Dieses Recht gestattete es dem einfachen Mann, die geistlichen und weltlichen Herrscher ungestraft offen und humorvoll zu kritisieren.
Obwohl die Bräuche der fünften Jahreszeit vielerorts in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der Unesco aufgenommen worden sind, wird es für sie je länger, je schwieriger. Sujets, Kostüme, Worte und Verse müssen heute quasi auf die Goldwaage gelegt werden. Denn selbst dort, wo einst in Zeiten der sprichwörtlichen Narrenfreiheit Übertreibung sowie zum kritischen Nachdenken anregende Provokation gewollt und auch gefragt waren, wüten längst unzählige Regulierungen, Verbote und digitale Shitstorms.
Da kommt bei mir die Frage auf, ob der Unesco-Schutz für die Fasnacht alleine ausreichend ist. Müssten nicht auch die Protagonisten der Fasnacht vor der wachsenden Bevormundung geschützt werden?
Sujets, Kostüme, Worte und Verse müssen heute quasi auf die Goldwaage gelegt werden.