Baureportage

Auf einen Streich

Das Architekturbüro BE Architektur hat im Reppischtal klassische Elemente einer Scheune mit zeitgemässer Architektur verbunden. Entstanden ist eine moderne Wohnscheune, die sich mühelos in ihre Umgebung einfügt.

von Andrea Eschbach

Journalistin, Zürich

Offene Räume schaffen Weite

So diskret der Bau von aussen wirkt, so überraschend ist sein Inneres: Die Räume öffnen sich über drei Geschosse zu einer monolithischen Raumskulptur. Das Gebäude geht dabei auf die Topografie des Grundstücks ein - mehrfach ansteigende Wohnebenen folgen parallel dem bestehenden Hang. Wohnräume, Badezimmer, Küche und Abstellräume sind «aufeinander gestapelt» angeordnet – ähnlich wie Waren in einer Scheune gelagert werden. Dadurch ergibt sich ein positives Raumvolumen im Gebäude. Um die Aufstapelungen herum wiederum entsteht ein negatives Volumen durch offen miteinander verbundene Wohnräume, sowohl in der Vertikalen als auch in der Horizontalen. So eröffnen sich Durchblicke vom Dach bis zum Eingang – ein Gefühl der Weite entsteht.

Putz als prägendes Element

Grosse, zusammenhängende Wandflächen erstrecken sich vom Erdgeschoss bis unter das Dach. Sie sind komplett verputzt. Exakt ausgebildete Ecken und Kanten zeichnen eine feine Geometrie. «Ziel war es, einen Verputz zu erstellen, der sich mit den sichtbar roh belassenen Betonbodenplatten harmonisch zusammenfügt», sagt Architekt Boris Egli. Dafür arbeitete er eng mit dem Klotener Gipserunternehmen Mario Beer zusammen. Erste Versuche mit verschiedenen Zementgrundputzen waren nicht zufriedenstellend. Der Prozess der Materialisierung wurde schliesslich anhand grossflächiger Musterplatten vor Ort durch den Gipserunternehmer und unter Mitwirkung des Materialieferanten fortgesetzt – eine schrittweise Annäherung an die finale Oberfläche, einen feinen mineralischen Kalk-Zementputz. Der Gipser trug das Gemisch dann «frisch in frisch» in zwei Arbeitsgängen auf und verarbeitete und glättete es, ähnlich einer Frescotechnik. Der zweiten Schicht fügte er unregelmässig von Hand mineralische schwarze Pigmente bei.

Der Aufbau des Putzes wurde den unterschiedlichen Untergründen angepasst: Auf Backstein und Ortbeton an Wänden und Decken wurde mit Grundputz (Kalk/Zement) gearbeitet, an Dachschrägen und Sanitärvorwandsystemen liegt auf Gipsfaser- und Zementbauplatten eine Ausgleichsschicht auf Gipsbasis. Durch die feine Struktur des Putzes und die unterschiedliche Pigmentierung ist es gelungen, eine roh anmutende Oberfläche mit handwerklicher Ausprägung zu erzielen. Aufgrund des materialbedingt zügigen Verarbeitens entstand eine «bewegte» Oberfläche, die den zeitlichen Ablauf des Putzauftrags abbildet. Die Putzoberflächen korrespondieren mit den roh belassenen Betonbodenplatten, die ihrer Gestaltung als Referenz dienten.

Bronze für Innenraumgestaltung

Der ambitionierte Bau überzeugte auch die Jury des «Schweizer Preis für Putz und Farbe 2023»: Sie verlieh der Wohnscheune Bronze in der Kategorie «Innenraumgestaltung». Die Auszeichnung prämiert Projekte für Fassaden- und Innenraumgestaltungen, bei denen Putz und Farbe als architekturprägende Elemente in hoher Qualität zur Anwendung kommen. «Sichtbar massgeblich war die intensive Zusammenarbeit aller Beteiligten: des Architekten, des Materialherstellers, des Gipserunternehmers und der ausführenden Handwerker vom Entwurf bis zur Verarbeitung», ist im Jurybericht zu lesen.

«Ich habe typische Remineszenzen an eine Schüür aufgenommen und zeitgemäss interpretiert.»

Boris Egli