Meier meint

KI: keine Ideen mehr?

von Markus Meier

Direktor HEV Schweiz

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Immer mehr Menschen nutzen KI, die Künstliche Intelligenz. Diese Technologie scheint zunehmend zur eierlegenden Wollmilchsau für Ein und Alles zu werden. Gibt es eine Frage oder ein Problem, egal zu welchem Thema: KI hat die Lösung parat. KI führt aber auch zu Spannungsfeldern. Sie ist zum Beispiel Mitbewerberin auf dem Arbeitsmarkt. Viele Menschen fragen sich, wie lange es ihren Job noch gibt und ob es sie persönlich noch braucht. Wie gross ist der positive, gewinnbringende Nutzen von KI? Wie gross sind auf der anderen Bilanzseite die Belastungen durch KI? Ist der Schlusssaldo positiv oder negativ?

Es wird noch etwas dauern, auf diese Fragen verlässliche Antworten zu erhalten. Andere Fakten sind hingegen bereits klar. KI nimmt immer mehr Auslastung in den riesigen Rechenzentren in Anspruch und ist damit auch ein Energiefresser. Mit jedem eingegebenen Wort steigt der Energiebedarf der KI linear. Das wiederum führt zu einem Problem. Weil die Nutzer ihre Eingaben an die KI-Software freundlich formulieren, benötigen sie zu viel Text. Das bedeutet mehr Rechenleistung der Maschinen und führt zu einem höheren Stromverbrauch. Ist das nicht verrückt? Bis anhin hiess es, Freundlichkeit koste nichts, sei aber unbezahlbar. Künftig heisst es nun vermutlich, Freundlichkeit sei zu teuer und nicht bezahlbar.

Nachdenklich stimmt die kürzlich in der Harvard Business Review publizierte Liste der Top 100 KI-Anwendungen. In den ersten Rängen finden sich emotionale Hilfe, Orientierung und Verbindung. KI «höre zu, reagiere empathisch und begleite Menschen auf ihrem Weg». Auf den Folgeplätzen stehen Themen wie «Ideen generieren», aber auch «Spass und Unsinn». Den Menschen fehlt es also am Kontakt, an der zwischenmenschlichen Verbindung und an der Interaktion mit anderen Menschen. Dies soll KI als neue Technologie ersetzen. Ob das gelingen kann, bleibt unklar. Auf jeden Fall aber wird es in einem unfreundlichen Stil ablaufen müssen, sonst wirds zu teuer. Und weil wir die künstlich-intelligenten Systeme auch benötigen, um neue Ideen zu haben, sollten wir rechtzeitig Akkuspeicher oder Stromgeneratoren anschaffen. Sonst gehen künftig bei einem Stromausfall nicht nur die Lichter, sondern auch unsere Ideen aus.

«Was nützt es dem Menschen, wenn er lesen und schreiben gelernt hat, aber das Denken anderen überlässt?» Wieso kommt mir dieses Zitat des deutschen Aphoristikers und Lyrikers Ernst Reinhold Hauschka (1926 - 2012) gerade jetzt in den Sinn?