Elektromobilität

Zukünftige Mobilität und Energieversorgung im Individualverkehr

Verschiedene Antriebsarten haben unterschiedliche CO2-Fussabdrücke, doch die Treibhausgasbilanz ist nur eine von vielen Herausforderungen, mit denen der Individualverkehr künftig konfrontiert sein wird. Was sonst noch auf uns zukommt.

von Stefan Aeschi

Dipl. Architekt ETH/SIA, DAS Wirtschaft FH, Experte Bau- und Energietechnik beim HEV Schweiz

Die Treibhausgasbilanz ist nur eine von vielen Herausforderungen des künftigen Individualverkehrs. Neben der Integration von E-Fahrzeugen ins Energiesystem eines Gebäudes, der Ressourcenknappheit und den Lademöglichkeiten stellen sich auch Fragen hinsichtlich Sicherheit und Perspektiven von Antriebsarten mit erneuerbarer Energie.

Wie es die vielen Diskussionen und politischen Vorstösse zeigen, scheint sich eine sichere Energieversorgung in Zukunft nicht ganz einfach zu gestalten. Dies gilt natürlich auch für die Versorgung mit erneuerbarer Energie. Neben stationären Heimspeichern und portablen Speichern, wie wir sie von Handys und Laptops kennen, ist im Zuge der Elektromobilität das noch eher neue Feld der mobilen Energiespeicher dazugekommen. Eine der aktuellen und zurzeit vielversprechendsten Lösungen liegt in mobilen Speichern von Elektrofahrzeugen.

Im Zusammenhang mit der geforderten Treibhausgasverminderung stellt sich für die Fahrzeugindustrie die Frage, welcher Antrieb mit welcher Energieform über den gesamten Produktlebenszyklus am effizientesten ist. Die Grafik oben im Slider (Treibhausgasemissionen verschiedener Antriebsarten über den Lebenszyklus von ICCT, Juli 2021) zeigt Lebenszyklus-Treibhausgas(THG)-Emissionen von durchschnittlichen Benzin-, Diesel- und Erdgasfahrzeugen, Plug-in-Hybrid-Elektrofahrzeugen, Batterie-Elektrofahrzeugen (BEV) und Brennstoffzellen-Elektrofahrzeugen (FCEV) in der Kompaktklasse, die 2021 in Europa zugelassen wurden. Die Fehlerbalken ( I ) zeigen die Differenz zwischen der Entwicklung des heutigen Strommix (die höheren Werte) und dem, was erforderlich ist, um das Pariser Klimaabkommen zu erreichen. GWP (schraffierte Fläche) bezeichnet in der Grafik das Treibhauspotenzial. Die Treibhausgasemissionen über den Lebenszyklus beinhalten von der Rohstoffgewinnung über die Fabrikation der Materialien, den Fahrzeugbau an sich, den Treibstoff und das Recycling den gesamten CO2-Ausstoss. Batterie-Elektrofahrzeuge, gespiesen mit rein erneuerbarem Strom, weisen nach heutigem Stand der Technik gemäss Grafik den geringsten CO2-Fussabdruck aus.

Ein Elektromotor zeigt seine Effizienz gegenüber einem Verbrennungsmotor bereits in der Einfachheit des Aufbaus. Vergleicht man einen Motor des Tesla Model S mit einem Motor eines BMW X5 wird sichtbar, dass im Elektromotor etwa 30-mal weniger bewegte Teile verbaut sind.

Weiterbetrieb des Verbrennungsmotors mit E-Fuels / E-Diesel

Das «E» in E-Fuels steht für Elektro. Fuel ist das englische Wort für Treibstoff. Es handelt sich dabei also um eine Art Elektro-Treibstoff. Das heisst aber nicht, dass es sich um Strom handelt. Der Name beschreibt vielmehr, wie der Treibstoff hergestellt wird. Denn der Kraftstoff wird unter anderem mithilfe von Strom produziert. Zur Herstellung des synthetischen Treibstoffs wird Kohlendioxid und Wasserstoff zur Reaktion gebracht. Die Produktion von 1 Liter E-Diesel aus CO2 und H2 benötigt etwa 25 kWh elektrische Energie, was bei einem Durchschnittsverbrauch von 6 Litern Diesel auf 100 km etwa 150 kWh entspricht. Ein Elektrofahrzeug benötigt als Vergleich für 100 km etwa 15 kWh, also einen Zehntel eines E-Dieselfahrzeugs. Mit E-Fuels Klimaziele zu erreichen, ist bei heutigem Stand der Technik demnach bis auf Weiteres noch illusorisch.

Heutige Wasserstofffahrzeuge haben einen sehr grossen CO2-Fussabdruck, weil der Wasserstoff nahezu vollständig aus Erdgas gewonnen wird. So betrachtet sind Wasserstofffahrzeuge zumindest für den Individualverkehr momentan noch eher Teil des Problems als der Lösung.

Elektrische Antriebe und Brennstoffzelle

Ein batteriebetriebener Antrieb kann direkt mit Sonnenenergie gespiesen werden. Mit einer Brennstoffzelle kann dafür im Gegensatz zu einer Batterieversorgung Energie direkt im Fahrzeug erzeugt werden. Wasserstoff und Sauerstoff werden hier zur Reaktion gebracht, so dass neben Elektrizität auch Wasserdampf entsteht. Der Wasserstoff muss aber wiederum durch Elektrolyse aufwendig hergestellt und anschliessend transportiert werden. Während bei batterieelektrischem Antrieb 70 Prozent der Energie beim Rad ankommen, liegt dies bei H2-Brennstoffzellen zurzeit nur etwa bei 20 Prozent. Aus Kostengründen durch den aufwendigen H2-Herstellungsprozess ist der Brennstoffzellenantrieb mit Wasserstoff stark rückläufig, während Batteriefahrzeuge günstiger werden.

Um die Jahrtausendwende wiesen Autobatterien eine Speicherkapazität von etwa 150 Watt-Stunden pro Kilogramm (Wh / kg) Batterie auf – heute stehen Lithium-Ionen-Batterien durchschnittlich bei etwa bei 350 Wh / kg, wobei aber bereits deutlich stärkere Batterien auf dem Markt sind. Die meistverbreitete Li-Ionen-Batterie erfuhr in den letzten 10 Jahren eine Kostenreduktion von 90 Prozent, wobei sich ihre Speicherkapazität aber verdoppelte.

Neben der ursprünglichen Forderung nach besseren, leistungsstärkeren Batterien geht der Trend zurzeit hin zu einer gleichzeitigen Forderung nach nachhaltigen Batterien. Nur 25 Prozent einer heutigen Batterie bestehen aus Speichermaterial. Zudem sind neben Aluminium und Mangan kritische, giftige und teure Rohstoffe wie Lithium, Nickel, Cobalt, Graphit und Kupfer verbaut. Natrium-Ionen-Akkus, bestehend aus Aluminium, Natrium Eisen, Magnesium, Mangan und Hartkohlenstoffen, kommen ohne kritische und giftige Rohstoffe aus, standen aber aufgrund ihrer geringeren Energiedichte lange im Schatten der Lithium-Ionen-Batterien. Die leichteren, billigeren und saubereren Na-Akkus erreichen heute aber ähnliche Energiedichten und sind bei chinesischen Batterieherstellern bereits in Massenproduktion und im Einsatz bei E-Fahrzeugen.

Neues Zell- und Packdesign wird künftig Raum für neue Materialien schaffen, was mittelfristig Batterien mit wiederum 50 Prozent mehr Reichweite bringen wird, bei gleichzeitig viel kürzeren Ladezeiten, so dass in 10 Minuten 700 km Reichweite aufgeladen werden können. Der Trend in der Entwicklung leistungsfähiger Speichertechnologien für Elektrofahrzeuge zeigt klar in Richtung billigere, häufiger vorkommende Rohstoffe, Fertigungsprozesse mit geringerem Energieaufwand und Einsatz von 100 Prozent erneuerbarer Energie in der Produktion.

Vom Verbrennungs- zum Elektromotor – von der Tankstelle zur Ladestation

Beim Umbruch vom Verbrennungsmotor hin zum Elektrofahrzeug, der in letzter Konsequenz nahezu alle Fahrzeuge betrifft, ist sowohl bei Elektrofahrzeugen selbst als auch im Bereich der Lade­infrastruktur von enormen Wachstumsraten auszugehen. Flächendeckende, netzdienliche und nutzerfreundliche Ladestationen werden eine entscheidende Rolle zur Zielerreichung in dieser Umbruchphase sein. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren in den USA noch 40 Prozent der zunächst wenigen Automobile mit Dampfkraft betrieben, etwa gleich viele elektrisch und nur ein Fünftel der Fahrzeuge mit Benzin. Bis zum grossen Boom des motorisierten Individualverkehrs ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mussten Tankstellen errichtet werden, weil sich der fossilbetriebene Otto­motor durchgesetzt hatte. Aus rein zweckdienlichen Zapfsäulen zu Beginn entwickelte sich bis heute eine ausgeklügeltes Tankstellen-Angebot, das weit über das reine Befüllen des Benzin- oder Dieseltanks in wenigen Minuten hinausgeht.

Mit dem zunehmenden Bedarf an E-Ladestationen scheint sich aktuell die Situation zu wiederholen, jedoch unter anderen Bedingungen. Einerseits war damals die Wachstumsrate im Vergleich zu heute eher moderat, und Fahrzeughalter orientierten sich primär an Funktionalität und Motorleistung. Heute werden Fahrzeuge aber über Emotionen, Komfort und Erlebnisse verkauft, Tankstellen sind zu nutzerfreundlichen Shops und Cafés geworden. Der Erfolg von Tesla und seinem Super­charger zeigt, dass zu einem E-Fahrzeug auch ein entsprechendes Ladenetzwerk als Erfolgsfaktor und kräftiges Verkaufsargument dazugehört.

Da bekanntlich Erfolgsgeheimnisse von gestern heute bereits als veraltet gelten, stellt sich die Frage, was der Erfolgsfaktor für die Ladeinfrastruktur der Zukunft sein wird. Den sich mit der Gesellschaft wandelnden und neuen Ansprüchen werden blosse Stromtankstellen künftig wohl kaum gerecht werden. Wie beim Fahren des Fahrzeugs verlangt wohl auch der Ladeprozess unterwegs nach einem Erlebnis. Wer will schon bei windig-kaltem Wetter draussen im Regen stehen und warten, bis die Ladeanzeige grün leuchtet? Findige Marketing-Spezialisten müssen für den geplanten raschen Umbruch von der Tankstelle zum Ladehub angepasste, neue Erlebniswelten schaffen, um zu überzeugen. Bleibt zu hoffen, dass damit unsere Emotionen und persönlichen Bedürfnisse trotz zunehmender Technisierung und damit einhergehender Automatisierung unseres Alltags positiv beeinflusst werden.

Update zur «Roadmap Elektromobilität 2025»

Bis 2025 bleibt der «Roadmap Elektromobilität» (Website roadmap-elektromobilitaet.ch) nicht mehr viel Zeit, ihre drei Ziele zu erreichen.

 

Um die zurzeit etwas fallende Rate der Neuzulassungen von Elektrofahrzeugen auf die sportliche Zielvorgabe von 50 Prozent zu bringen (Ziel 1), ist es zentral, dass sich ein Grossteil der Bevölkerung für den Umstieg auf ein Elektrofahrzeug entscheidet.

 

Um die zunehmende Anzahl Steckerfahrzeuge auch versorgen zu können, hat sich die Roadmap das Ziel von 20 000 allgemein zugänglichen Ladestationen (Ziel 2) gesetzt.

 

Bis 2025 soll das Laden aber auch kundenfreundlich und netzdienlich gestaltet werden (Ziel 3).

 

Die Elektromobilität wird als Treiber für die Stromnachfrage und Lastspitzen betrachtet. E-Fahrzeuge können helfen, Solarstrom aus dem Verteilnetz aufzunehmen und den Bedarf für den Netzausbau zu verringern. Netzdienliches Laden muss demnach eine Pufferfunktion übernehmen, welche die Flexibilität betreffend Ladeleistung und Ladezeit mittels Lademanagement oder mit bidirektionalem Laden unterstützt.

 

Eine der zentralen Fragestellungen der Roadmap Elektromobilität 2025 ist die Integration der Ladeinfrastruktur in das Energiesystem von Gebäuden und die dafür nötigen Informationen für Investoren, Stockwerk­eigentümer und Hauseigentümer. Der HEV Schweiz bringt sich im Rahmen der Workshops aktiv in die zielgruppengerechte Aufbereitung von Informationen und einfachen Lösungen ohne Zwänge ein. Die Herausforderungen bleiben bestehen und sind – wie das Verbesserungspotenzial des Set-ups – gross.

Heute werden Fahrzeuge über Emotionen, Komfort und Erlebnisse verkauft, Tankstellen sind zu nutzerfreundlichen Shops und Cafés geworden.

Netto-Null-Treibhausgase 2050: Haben wir nur ein CO2-Problem?

Langjährige Emissionsstatistiken zeigen, dass in den 140 Jahren zwischen dem Beginn der Industrialisierung 1850 und 1990 etwa gleich viel Kohlenstoff verbrannt und somit gleich viel CO2 ausgestossen wurde wie in den letzten 30 Jahren.

Die exponentielle Zunahme des Verbrauchs (siehe Grafik im Slider) fossiler Energien durch unsere Industrie- und Technologiegesellschaft führte dazu, dass laut einer Studie der EPFL Lausanne heute bereits etwa die Hälfte der Energieträger verbraucht sind. Ohne Umstieg auf erneuerbare Energieträger und einem weiteren exponentiellen Wachstum sind ab 2050 rechnerisch bereits 100 Prozent der zurzeit zugänglichen Ressourcen verbraucht. Öl, Gas und Kohle werden aber nicht nur als Energieträger eingesetzt. Vor allem Öl dient auch als Grundstoff für die industrielle Verarbeitung, werden doch viele heutige Materialien aus Erdöl hergestellt: von Kunststoffen über Düngemittel, Medikamenten, Farben und Kleidung. Als Lebensgrundlage würden all diese Stoffe wegfallen und uns dann in der heutigen Form nicht mehr zur Verfügung stehen. Hinter dem Pariser Klimaabkommen steckt also weit mehr als der geforderte Netto-Null-Treibhausgasausstoss zum Schutze unseres Klimas. Unsere künftige Energiegewinnung und die damit notwendigen Speichermöglichkeiten zur Sicherung der Energieversorgung werden demnach über unsere künftige Mobilität hinaus wohl auch einen Grossteil unserer Lebensbereiche bestimmen.