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Zu Hause im Arbeiterhaus

Stefanie Girsberger und Lorenz Bachmann verwandeln ein Arbeiterhaus der ehemaligen Ziegelei Muri in drei Reihenhäuser.

von Andrea Eschbach

Journalistin, Zürich

Es ist eine kleine Welt für sich: Das Areal der ehemaligen Ziegelei in Muri, das – getrennt durch Bahngleise – gegenüber der Altstadt mit seiner weithin berühmten Klosteranlage liegt. Hier steht an der Haslistrasse neben alten Fabrikantenvillen auch ein Langhaus aus dem 19. Jahrhundert. Als Ende der 1960er-Jahre das Werk in Muri aufgegeben und Teile des Areals an Private verkauft wurden, begann eine mehr oder weniger unkontrollierte Umgestaltung der Bauten. «Der Ort war sich selbst überlassen, abseits vom Zentrum geriet er in Vergessenheit», sagt Stefanie Girsberger.

Die junge Zürcher Architektin hat nun zusammen mit Lorenz Bachmann ein Arbeiterhaus umgebaut und erweitert. Im hallenartigen Erdgeschoss des Langhauses wurden früher vermutlich Kamin-Zement-Hüte gefertigt. Im Obergeschoss waren die Arbeiterwohnungen angeordnet, die die Bewohner über Laubengänge erreichten. Zunächst planten die beiden Architekten, das Erdgeschoss gewerblich zu nutzen, kamen aber von dieser Idee bald ab und schlugen drei Reihenhäuser vor. Für die neue Bauherrschaft waren Kosten und Rendite wichtige Faktoren. Mit dem Konzept des Reihenhauses konnte die Parzelle gut ausgenutzt werden, und es entstanden gleichzeitig effiziente Mietwohnungen.

Alt und Neu verwoben

Die Architekten setzten darauf, mit dem Umbau und der Erweiterung des nordwestlichen Endes des Langhauses die alte Struktur wieder freizulegen und gleichzeitig eine neue Gliederung für zeitgenössisches Wohnen zu schaffen. Der Bau barg jedoch einige Überraschungen: «Das Freilegen der Struktur war schwieriger als gedacht, da das Tragwerk stellenweise marode war und verstärkt werden musste», erklärt Stefanie Girsberger. «Wir mussten da nach kreativen Lösungen suchen.» Den bestehenden Hybridbau aus Stampfbeton und Fachwerk erweitert nun eine Backsteinkonstruktion für das letzte Haus am Ende der Gasse.

Ein schöner Kniff zeigt sich an der Fassade der Laubenseite: Hier griffen die Architekten die alte Lattung auf und führten sie mit grünlasiertem Fichtenholz weiter. An den Ursprung des Ortes erinnern die Architekten mit den Klinkersteinen an Fenstersimsen, Schwellen, Aussenbelägen und Trennwänden im Garten – die Ziegel stammen zum Teil aus den heutigen AGZ Ziegeleien. Den oberen Teil der Querfassade des Neubaus ziert ein kleines Ornament: «Bei der alten Fassade kam an dieser Stelle der lange Stahlträger, der sich durchs ganze Haus zieht, aus dem Verputz heraus», sagt Stefanie Girsberger.

Alt und Neu verbanden die Architekten auch im Innern aufs Schönste: Im Wohn- und Küchenbereich verstärken links und rechts neue Holzstücke die alten Balken. «Wir wollten den Eingriff nicht verstecken, sondern die Geschichte dahinter zeigen.» In der Küche zeigt sich die besondere Tektonik des Bestands auch im Zusammentreffen einer Betonstütze, eines Stahlträgers und der Deckenbalken. Und aus einer ehemaligen Fensteröffnung machten die Architekten eine Regalnische, der neue Sturz über dem Balkonfenster wurde nicht verputzt – auch hier lässt sich ablesen, wie die Transformation funktioniert.

Während sich früher die Treppe bei den Laubengängen befand, hat nun jedes Haus einen eigenen Eingang. Die Laube wird zum privaten Balkon, jede Partei verfügt über einen eigenen Garten. Im Innern der Häuser führt eine neue Holztreppe steil nach oben, darunter finden Stauraum und Putzschrank Platz. «Wir wollten jede Fläche so gut es geht ausnutzen», sagt Stefanie Girsberger. Auch aus diesem Grund sind die Fenster aussen angeschlagen. Der Salbeiton der Küchenfronten bringt Frische in den Raum, der Stein der Küchenablagen stammt aus dem Onsernonetal. Eine niedrige Sitznische lädt zum Entspannen mit Blick auf den Garten ein.

Hinweise auf frühere Nutzung

Im ersten Obergeschoss sind die Räume niedriger. Wo früher die Küche war, bauten die Architekten ein Bad mit türkisfarbenen Fliesen. Der Wohnbereich öffnet sich auf den Laubenbalkon und zum Garten hin. Auch hier bewies Girsberger ein gutes Gespür für Materialien und Farben: Die Türen sind in hellem Grau gestrichen, die Linoleumböden dunkelgrau gefärbt – ein schöner Kontrast zum hell lasierten Holz. Im zweiten Obergeschoss ist der Schlafbereich unter dem Spitzdach untergebracht. Eine Lukarne und schmale Dachfenster bringen Licht herein. Von der Vergangenheit zeugen hier noch schwere Haken in den Balken. Praktisch-schönes Detail ist das kleine Waschbecken am Treppenaufgang. Die Mieter des mittleren Hauses schätzen die Atmosphäre des Hauses sehr: «Wir sind verliebt in das Gebäude», sagt Daniel Nasri Lakouas. Und auch die Katzen des spanisch-niederländischen Paares fühlen sich sichtlich wohl – sie nutzen besonders gerne die Nischen im Haus. Aus einem dunklen, tristen Ort wurde ein lichtes Zuhause.

«Wir wollten jede Fläche so gut es geht ausnutzen.»

Stefanie Girsberger, Architektin

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