Inneneinrichtung

Wiederentdeckt und neu interpretiert

Inneneinrichtung Möbelklassiker sind zeitlose Stücke, die durch ihr Design und ihre Qualität über Jahrzehnte hinweg begeistern. Aufgrund ihrer Beliebtheit werden sie von heutigen Designern auch immer wieder gerne neu interpretiert. Solche Klassiker sind eine Investition, die sowohl Stil als auch Funktionalität in jede Wohnumgebung bringt.

von Andrea Eschbach

Journalistin, Zürich

Möbelklassiker sind stilbildend und langlebig. Sie haben ihre Qualität über Jahrzehnte bewiesen und üben nach wie vor einen grossen Einfluss auf heutige Designer aus. Da ist es kein Wunder, dass jedes Jahr Möbelentwürfe aus den Archiven geholt, sanft aufgefrischt oder auch neu interpretiert werden.

Der deutsche Hersteller Classicon beispielsweise nimmt einen von Eileen Gray (1878-1976) gestalteten Teppichentwurf in Produktion, der durch seine abstrakte Ästhetik besticht. Der Entwurf «Monolith» zeichnet sich durch beigefarbene horizontale und vertikale Linien in unterschiedlichen Längen aus, die den erdig anmutenden dunkelgrauen Untergrund elegant akzentuieren. Grundlage für den Entwurf sind in den 1920er-Jahren von der irischen Gestalterin angefertigte Gouachen und Bleistiftzeichnungen, die nun in einem 200cm x 300cm grossen Teppich – handgeknüpft aus 100 Prozent feinster Schurwolle – umgesetzt wurden. Gleich vier Entwürfe von Grays Zeitgenossin Charlotte Perriand (1903-1999) hat der italienische Hersteller Cassina einer Überarbeitung unterzogen. In der Serie «I Maestri» sind nun die ikonische «Tokyo Chaise Longue», das «Canapé, Appartement Le Corbusier», der kleine Sessel «Fauteuil tournant» und der Hocker «Tabouret tournant» erhältlich – allesamt entwickelt mit kreislauffähigen Materialien, wobei besonderes Augenmerk auf die Nachhaltigkeit gelegt wird. «Seit einigen Jahren engagieren wir uns dank der Forschungsarbeit, die wir mit Cassina LAB durchführen, immer stärker für einen umweltfreundlichen Ansatz, nicht nur bei der Entwicklung neuer Projekte, sondern auch, indem wir die grossen Design-Ikonen mit einer moderneren und achtsameren Seele anbieten. Unsere Absicht ist es, die Verwendung von Kreislaufmaterialien auf alle Meisterwerke dieser ikonischen Kollektion auszudehnen», erklärt Luca Fuso, CEO von Cassina.

Begehrte Möbel neu produziert

Der dänische Hersteller Carl Hansen & Son führte jüngst den «VLA61 Monarch Chair» ein. Von diesem im Jahr 1944 entworfenen Stuhl von Vilhelm Lauritzen (1894-1984) wurden ursprünglich nur zehn Exemplare produziert. Das seltene Stück war daher unter Sammlern auf Auktionen weltweit begehrt. Nun kann man sich das zierliche Möbel des dänischen Architekten – einem Meister des Details – ins heimische Ambiente stellen. Der Holzstuhl ist nach einer Schmetterlingsart, dem majestätischen Monarchfalter, benannt. Die Namensgebung ist eine Hommage an Vilhelm Lauritzens grosses Interesse an Schmetterlingen, die er sein ganzes Leben lang studierte. Mit seiner grosszügigen Polsterung, den geschwungenen Armlehnen und den organischen, tropfenförmigen Linien der Stäbe verkörpert der Stuhl einen künstlerischen Ausdruck, der leicht und opulent zugleich wirkt. Details wie die zierlichen Messingfüsse und von Hand polierten Verbindungen zeugen von Lauritzens Könnerschaft.

Das Sofa «Salon» ist nach einer signierten, undatierten Zeichnung von Josef Hoffmann (1870-1956) entstanden. Der österreichische Traditionshersteller Wittmann hat es neu im Programm. In seiner weichen Form entspricht das Sofa ganz dem Stil der späten Schaffensphase des Begründers der Wiener Werkstätte. Als Sinnbild der klassischen Wiener Salonkultur, ausgesprochen komfortabel, trägt «Salon» deutlich die Handschrift Hoffmanns. Eingekleidet wurde es mit einem Stoff des Wiener Modedesigners Arthur Arbesser. «Flowers» ist auf den ersten Blick fröhlich, lieblich verspielt. Bei genauerem Hinsehen existiert neben den vielen verschiedenen Blüten aber auch eine ironische Dimension, in der freche Figuren und Objekte zu entdecken sind. Jede Blume, jedes Motiv wurde von Hand auf buntes Papier gemalt, digitalisiert und dann zu einem finalen Muster zusammensetzt. Auch andere Hersteller kleiden ihre Klassiker gerne mal neu ein. Im Auftrag des Herstellers Tecta transformiert die Berliner Designerin Katrin Greiling bereits seit 2018 den berühmten Sessel «F51» von Walter Gropius (1883-1969). Entworfen wurde der Sessel einst für das Direktorenzimmer im Bauhaus Dessau. Zum 100-Jahr-Bauhaus-Jubiläum entstand der farbig akzentuierte «F51N», vier Jahre später entwickelte die Designerin das Thema weiter: Den Hochglanz-Lack kombiniert sie mit taktilen Stoffen mit breitem Streifenmuster. Streifen haben Tradition – sowohl bei Gropius als auch bei Tecta. «Ich möchte die richtige Balance finden – zwischen dem strikten Stuhl, Holz und einem haptischen Stoff», erklärt Katrin Greiling. «Das hat den Twist, den Gropius nie gemacht hätte.» Und sie gibt zu: «Ich bin ein Fan von langsamem Konsumieren und der genauen Überlegung, was man sich ins Haus holt. So entstehen Möbel, die die nächsten 100 Jahre noch Freude machen.»

In neuem Gewand

In diesem Sinne präsentierte auch Vitra einen limitierten «Eames Lounge Chair»: Diesen Winter wird die Ikone von Charles und Ray Eames mit dem dunkelgrünen Kvadrat-Stoff «Phlox» bezogen, einer Interpretation des klassischen Cordstoffs. Der vom Designer Raf Simons entwickelte Stoff harmoniert mit dem klassischen Palisanderholz, während die in Pine Green beschichteten Metallteile einen zeitgenössischen Kontrast setzen. Die Sonderedition ist von November bis Ende Januar 2024 bei ausgewählten Händlern und auf vitra.com erhältlich. Da heisst es vermutlich, schnell zu sein, damit dieses Prachtstück das eigene Heim schmückt.