Haushaltsbefragung Immo-Barometer

So denken Wohnende über Nachhaltigkeit und Verdichtung

Welche Unterschiede gibt es zwischen Mietenden und Eigentümern, wenn es um nachhaltiges und verdichtetes Wohnen geht? Welche Faktoren entscheiden über die Zufriedenheit? Die Haushaltsbefragung «Immo-Barometer» liefert Antworten.

von Adrian A.F. Spiess

MSc Economics, Volkswirtschafter beim HEV Schweiz

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Der Betrieb des Gebäudeparks der Schweizer Privathaushalte ist derzeit für rund 18 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Wie wichtig ist die Nachhaltigkeit auf individueller Ebene bei der Auswahl einer Wohnung? Welche Unterschiede gibt es zwischen Mietenden und Hauseigentümern? Und welche Faktoren entscheiden darüber, ob Eigentümer eine Sanierung in Angriff nehmen oder nicht?

Für rund einen Viertel der Befragten ist der Faktor Nachhaltigkeit / Energieverbrauch ausschlaggebend bei der Auswahl des Wohnobjektes. Zusätzlich ist der Faktor für etwas mehr als die Hälfte der Befragten von Bedeutung, wenn sie heute umziehen würden. Besonders hoch ist die Bedeutung bei den Eigentümern. Damit geniesst die Thematik zwar nicht denselben Stellenwert wie zum Beispiel das Preis-Leistungs-Verhältnis der Objekte, rangiert aber im Schnitt bei allen Umfrageteilnehmenden dennoch im oberen Mittelfeld der abgefragten Objekteigenschaften.

Die Wichtigkeit des Faktors Nachhaltigkeit hat dabei in den vergangenen Jahren besonders stark zugenommen. Vier von fünf befragten Eigentümern geben an, dass für sie die Energieeffizienz des Gebäudes bei der Auswahl des Objektes von Bedeutung oder sogar ausschlaggebend ist. Der Anteil der befragten Eigentümer, welche die Energieeffizienz als ausschlaggebendes Gebäudemerkmal bezeichneten, ist seit dem letzten Jahr konstant geblieben. Der Anteil jener Befragten, die mit «auch noch von Bedeutung» antworteten, ist hingegen im Vergleich zum Vorjahr um 10 Prozentpunkte angestiegen. Hier dürften sich die gestiegenen Energiekosten bei den Eigentümern besonders deutlich zeigen, denn bei den Mietern blieb eine vergleichbar signifikante Veränderung aus.

Obwohl auch bei den Mietenden die energetischen Themen im Vordergrund stehen, haben diese generell einen tieferen Stellenwert bei Mietern als bei Eigentümern. Dafür legen Mietende mehr Wert auf jene Themen, die generell etwas tiefere Zustimmung erhalten: beispielsweise begrünte Fassaden sowie Dachflächen und zertifizierte Gebäude. Die autofreie Siedlung gewinnt zwar marginal an Bedeutung, bleibt aber für die meisten Schweizer bei der Objektsuche eher nebensächlich (rund 37 Prozent) oder sogar komplett irrelevant (41 Prozent).

Treiber für Sanierungen

Was motiviert tatsächlich zu Sanierungen? Gemäss unserer Befragung waren bei den Eigentümern die Reduktion der Energiekosten und das vorhandene Eigenkapital in rund einem Drittel der Fälle ausschlaggebend und in einem weiteren Drittel von Bedeutung für die geplante Sanierung. Damit steht die finanzielle Komponente über der Verbesserung der ökologischen Nachhaltigkeit. Fördergelder, steuerliche Abzüge und günstige Finanzierungsbedingungen sind ebenfalls sowohl für Stockwerkeigentümer als auch für Eigentümer von Einfamilienhäusern in über der Hälfte der Fälle relevant.

Nachhaltigkeit gewinnt weiter an Bedeutung und ist bei der Wohnungssuche ein nicht mehr wegzudenkender Faktor. Der Stellenwert der Thematik fällt bei Eigentümern deutlich höher aus als bei den Mietern. Einerseits, weil der Handlungsspielraum bei Eigentümern höher ist, und andererseits, weil die Energiethematik bei ihnen deutlich höher ins Gewicht fällt. Als wichtigste Kriterien konnten denn auch die Reduktion der Energiekosten und das verfügbare Eigenkapital ausgemacht werden.

Verdichtung – wie wirkt sie sich auf die Zufriedenheit aus?

Die Einwohnerdichte in der Schweiz hat in den letzten zehn Jahren kontinuierlich zugenommen, und das Wachstum hält ungebremst an. Das Voranschreiten der Innenverdichtung wirft die Frage nach der Akzeptanz auf: Wie steht es um die Zufriedenheit in dicht besiedelten Gebieten im Vergleich zu weniger dichten Gebieten? Welche Aspekte des Wohnens werden in diesen verdichteten Zonen positiver und welche negativer wahrgenommen?

Die Immo-Barometer-Befragung zeigt, dass sowohl Mieter als auch Eigentümer, die ihr Umfeld als dichter bebaut empfinden, tendenziell weniger zufrieden sind, wobei diese Zufriedenheit auf einer Vielfalt an Wohnfaktoren begründet ist. Bei den Mietenden sinkt der Anteil der Befragten, denen es in ihren vier Wänden aktuell sehr gut gefällt, von über 55 Prozent im Wohnumfeld mit geringer Dichte auf unter 40 Prozent im Wohnumfeld mit drei- oder mehrgeschossigen Bauten. Bei den Eigentümern bewegt sich die Zufriedenheit auf höheren Niveaus als bei den Mietenden, tiefere Zufriedenheitswerte bei höherer Dichte sind jedoch ebenfalls feststellbar.

Differenzierte Analysen der Wohnzufriedenheit und der Wohnfaktoren nach Dichte werden im Folgenden nur für die Mietenden gemacht, denn die Zahl der Eigentümer in dichten und sehr dichten Wohnumfeldern ist zu gering für tragfähige Aussagen. Bei vielen internen Faktoren ist der Anteil zufriedener Mietenden deutlich tiefer im dichten Wohnumfeld. Am grössten ist der Unterschied zwischen der Zufriedenheit bei hoher Wohndichte gegenüber tiefer Wohndichte, wenn es um die Erscheinung der hauseigenen Grün- und Aussenflächen sowie um den Wohnfaktor «Aussicht» geht. Dabei gilt festzuhalten, dass beim Wohnfaktor Licht und Sonne kaum Abweichungen auszumachen sind. Trotz Einschränkungen bei der Aussicht gelangt immer noch genügend Sonnenlicht in viele Wohnungen – zumindest solange man nicht im Erdgeschoss wohnt.

Der Mietzins ist einer jener Faktoren, bei denen grosse Abweichungen festzustellen sind. Zunächst mag das etwas überraschend erscheinen. Die wahrgenommene Dichte fällt aber in städtischen Gebieten höher aus, und im Normalfall muss dort mit einem höheren Mietzins für eine vergleichbare Wohnung gerechnet werden. Einhergehend mit den höheren Kosten ist jedoch auch das Infrastrukturangebot umfangreicher. Dementsprechend gering fallen schliesslich die Unterschiede beim Preis-Leistungs-Verhältnis zwischen Mietenden in hoher Dichte gegenüber solchen in tiefer Dichte aus. Die Zufriedenheit mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis im Wohnumfeld mit geringer Dichte ist aber schliesslich doch etwas höher.

Die Haushaltsbefragung zeigt, dass die Differenz der Zufriedenheitswerte in Bezug auf die Nähe zu Naherholungsgebieten zwischen Befragten in dichtem Wohnumfeld und jenen in weniger dichtem Wohnumfeld nur sehr gering ausfällt. Dies dürfte vor allem auch auf kurze Reisezeiten aufgrund guter Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr zurückzuführen sein. Letzterer ist einer der wenigen Wohnfaktoren, bei welchem die Zufriedenheit von Personen in dichterem Wohnumfeld höher ausfällt als bei jenen in einem Wohnumfeld mit geringerer Dichte.

Ebenfalls auffallend ist die hohe Zufriedenheit der Befragten in einem Wohnumfeld mit geringer Dichte bei den Faktoren Einkaufsmöglichkeiten in der näheren Umgebung und Nähe zu Schulen, Kindergärten und Kindertagesstätten. Hier gibt es nur kleine Differenzen zwischen den verschiedenen Dichtekategorien. Das ist ein Indiz dafür, dass in der Schweiz auch in peripheren Gebieten ein gut ausgebautes Einkaufs- und Dienstleistungsangebot existiert.

Die Resultate zeigen, dass sowohl Mieter als auch Eigentümer, die ihr Umfeld als dichter bebaut empfinden, tendenziell weniger zufrieden sind.

Immo-Barometer

Der «Immo-Barometer» ist eine gesamtschweizerische Umfrage zu den Themen Wohnzufriedenheit und Wohnbedürfnisse. Dabei werden rund 1000 repräsentativ ausgewählte Haushalte in der deutsch- und französischsprachigen Schweiz ausführlich zur aktuellen Wohnsituation und zu allfälligen Veränderungsabsichten befragt. Es handelt sich bei der Befragung um eine Langzeitstudie, die erstmals im Jahr 1988 erhoben und seither über 30 Jahre mindestens alle zwei Jahre durchgeführt wurde.

 

Der «Immo-Barometer» widmet sich auch dem Thema Wohnzufriedenheit. Darüber haben wir in der Zeitungsausgabe Nr. 20 vom 15. November 2023 berichtet.