Aus dem Bundeshaus

Sammelklagen nach US-Vorbild in der Schweiz? Nein danke!

von SR Brigitte Häberli

Vizepräsidentin des HEV Schweiz

Die Zivilprozessordnung (ZPO) regelt einheitlich für die ganze Schweiz die gerichtlichen Verfahren in privatrechtlichen Streitigkeiten. Der Bundesrat möchte die ZPO nun revidieren und hat den Antrag gestellt, den kollektiven Rechtsschutz auszubauen. Gleich fünf Mal beriet die vorberatende Kommission des Nationalrates (RK-N) in den vergangenen zwei Jahren diesen Vorschlag; zudem wurden diverse Zusatzabklärungen getätigt. Obgleich diese Änderung nicht hauptsächlich auf Immobilieneigentümer abzielt, hat der HEV Schweiz sich klar gegen eine solche Regelung ausgesprochen, und auch ich als Vizepräsidentin des Verbands lehne solche «Sammelklagen» ab.

Schon heute kennt die ZPO die Möglichkeit einer Verbandsklage, allerdings beschränkt auf Persönlichkeitsverletzungen. In der Praxis hat diese Möglichkeit bisher kaum bis keine Bedeutung gehabt. Trotzdem möchte der Bundesrat, dass die bestehende Verbandsklage erheblich ausgebaut wird und neu für die Durchsetzung aller Rechtsverletzungen zulässig sein soll. Gleichzeitig wird eine neue Verbandsklage eingeführt, um Ersatzansprüche (Schadenersatz, Gewinnherausgabe, Genugtuungsansprüche) geltend machen zu können. Die Verbandsklagen sollen dabei sogar in einem elektronischen Verzeichnis publiziert werden!

Diese geplanten Neuerungen erinnern an US-Krimiserien von John Grisham und sind klar abzulehnen. Die Schweiz ist nicht die USA, und eine solche Sammelklage stellt für mich einen Fremdkörper im Schweizer Zivilprozessrechtssystem dar. Unsere Zivilprozessordnung kennt schon heute genügend Instrumente, die geeignet sind, ähnlich gelagerte «Massenprozesse» im Rahmen der Schweizer Prozesstradition abzuhandeln (Verfahrenszusammenlegungen durch das Gericht, Pilot- bzw. Musterprozesse, Streitverkündungen, Widerklagen). Das reicht aus meiner Sicht völlig aus, Ansprüche gegen Rechtsverletzungen durchzusetzen und dabei den individuellen Gegebenheiten der jeweiligen Fälle Rechnung zu tragen.

Im Übrigen wurden solche Sammelklagen nach amerikanischem Vorbild schon im Rahmen der Schaffung der Eidgenössischen Zivilprozessordnung diskutiert, aber bereits damals zu Recht verworfen. Selbst der Bundesrat betitelte sie damals als «dem europäischen Rechtsdenken fremd» und missbrauchsanfällig.

Neben der Rechtsunsicherheit und dem administrativen Mehraufwand sind auch die datenschutzrechtlichen Herausforderungen hinsichtlich der Publikation nicht ausser Acht zu lassen. Zudem besteht die Gefahr, dass Parteien auf Druck solcher «Massenprozesse» – ungeachtet der Anspruchsgrundlage – zu «Freikäufen» gedrängt würden, um langwierige, teure Gerichtsverfahren zu vermeiden. Das könnte auch Immobilieneigentümer, insbesondere Vermieter, betreffen. Eine solche «Amerikanisierung» unserer ZPO muss verhindert werden. Das sieht im Übrigen nach den langwierigen Beratungen auch die RK-N so und beantragt dem Nationalrat die Ablehnung.

«Die geplanten Neuerungen erinnern an US-Krimiserien von John Grisham und sind klar abzulehnen.»