Wakkerpreis

Lichtensteig wird mit dem Wakkerpreis 2023 ausgezeichnet

Lichtensteig im Toggenburg erhält vom Schweizer Heimatschutz den Wakkerpreis 2023. Mit der innovativen Belebung ihrer Altstadt und Industriebauten hat die Kleinstadt zu neuem Selbstbewusstsein gefunden.

Lichtensteig war über Jahrhunderte das wohlhabende städtische Zentrum im ländlichen Toggenburg. Hier wurde der regionale Handel abgewickelt und für den nationalen und internationalen Markt produziert. Kein Wunder, gilt die Kleinstadt als einer der Gründungssitze der UBS und als Ort, an dem die Sekunde erfunden wurde.

Die örtliche Wirtschaft geriet ab den 1970er-Jahren ins Straucheln: Hunderte Arbeitsplätze in Industrie, Handel und Dienstleistung verschwanden, die Bevölkerung schrumpfte bis vor Kurzem beständig. Das Resultat waren im Stadtzentrum leerstehende Erdgeschossflächen und in dessen Umfeld unternutzte Industriebrachen. Der Bedeutungsverlust und die schleichende Entleerung zehrten am einst so grossen Selbstbewusstsein der Kleinstadt.

Entwertung abgewehrt

Das Vorhaben, einen unerwünschten Erotikbetrieb in einer ruhigen Altstadtgasse einzurichten, brachte die Stadtbevölkerung auf und löste einen Prozess mit langfristigen Auswirkungen aus. Politik, Bevölkerung und Wirtschaft wollten den Leerstand nicht mehr hinnehmen und entwickelten neue innovative Perspektiven zur Belebung der ungenutzten Räume.

Lichtensteig positioniert sich seither bewusst mehrdeutig als «Mini.Stadt» – als selbstbewusste Kleinstadt auf dem Land, die preiswerten Raum zur Verwirklichung von eigenen Visionen und Ideen bietet. Die Stadt unterstützt dabei Initiativen, die Erdgeschosse und Brachen beleben und neue Wege entwickeln, um die passenden Nutzungen von grösseren Flächen und Arealen zu finden.

Eine Politik für eine lebendige Kleinstadt

Mit ihrer aktiven Politik nutzt Lichtensteig die Möglichkeiten, auf die bauliche Entwicklung Einfluss zu nehmen und die Nutzungen in eine zukunftsfähige Richtung zu lenken. Es gelingt Lichtensteig, neue Menschen anzuziehen und Eingesessene zu halten, Kultur zu ermöglichen und damit den Charakter eines urbanen Zentrums in einer ländlichen Region wieder zu stärken. Die Massstäbe der von der Stadt initiierten Projekte unterscheiden sich dabei stark. Die Stadtverwaltung zog in ein leerstehendes Bankgebäude und schuf damit Raum für ein neues «Rathaus für Kultur». Aus dem alten Feuerwehrdepot wurde ein Kleiderladen. Das leerstehende Industriearal erhält als «Areal Stadtufer» eine neue Identität als partizipativ gedachter und gemischt genutzter kultureller Ort mit Ateliers, Gewerbe und Wohnraum.

Die Herausforderungen bleiben

Die Strategie «Mini.Stadt» ist für Lichtensteig kein Projekt mit einem Enddatum, sondern ein angestossener Prozess mit Zukunftspotenzial. Die Herausforderungen bleiben konstant hoch: Die Klubschule Migros hat kürzlich ihren Standort geschlossen; der grösste Laden der Innenstadt, ein Möbelgeschäft, zieht aus.

Die Stadt hat sich jüngst eine Vision und Strategie für die räumliche Entwicklung bis 2050 gegeben. Die formulierten Ziele, insbesondere für die Aufwertung entlang der Hauptverkehrsstrassen und der Landschaft, bieten wesentliche Chancen zur Aufwertung des Siedlungsbilds ausserhalb der Altstadt.

Der Wakkerpreis

Der Schweizer Heimatschutz vergibt jährlich einer politischen Gemeinde oder in Ausnahmefällen Organisationen oder Vereinigungen den Wakkerpreis. Das Preisgeld hat mit Fr. 20 000.– eher symbolischen Charakter. Der Wert der Auszeichnung liegt vielmehr in der öffentlichen Anerkennung vorbildlicher Leistung. Erstmals ermöglicht wurde der Wakkerpreis 1972 durch ein Vermächtnis des Genfer Geschäftsmannes Henri-Louis Wakker an den Schweizer Heimatschutz. Seither sind weitere Legate eingegangen, dank denen der Preis bis heute vergeben werden kann. Der Wakkerpreis zeichnet Gemeinden aus, die bezüglich Ortsbild- und Siedlungsentwicklung besondere Leistungen vorzeigen können. Hierzu gehören insbesondere das Fördern gestalterischer Qualität bei Neubauten, ein respektvoller Umgang mit der historischen Bausubstanz sowie eine vorbildliche Ortsplanung, die Rücksicht auf die Anliegen der Umwelt nimmt.

 

Weitere Infos: heimatschutz.ch/wakkerpreis