Seit Jahrtausenden fasziniert Marmor mit seiner natürlichen Eleganz – einst Baustoff für Tempel, Skulpturen und Paläste und Symbol prunkvoller Geschichte, geriet der Stein zwischenzeitlich ins Abseits, galt als altmodisch und verstaubt. Doch jetzt ist er zurück – und präsentiert sich ganz zeitgemäss. Ob poliert oder gebürstet, pur oder mit markanter Maserung: Naturstein hat seinen Platz im Möbeldesign 2025 zurückerobert – sinnlich, skulptural und vielseitiger denn je.
Das edle Material inspiriert auch weiterhin Designer und Hersteller, wie an den diesjährigen Designmessen wie dem Salone del Mobile in Mailand zu sehen war. Besonders bei der Gestaltung von Tischen hat sich Marmor durchgesetzt – und das aus gutem Grund. Der Stein vereint Ästhetik und Funktionalität auf besondere Weise: Seine kühle, glatte Oberfläche wirkt edel und modern, zugleich strahlt sie eine natürliche Ruhe aus. Kein Stück gleicht dem anderen – jede Marmorplatte wird durch ihre individuelle Maserung zum Unikat. In einer Zeit, in der Beständigkeit und Echtheit wieder an Bedeutung gewinnen, bietet der Stein genau das, wonach viele suchen: Substanz. Das schwedische Designstudio TAF Studio entwarf für Muuto mit «Midst» (1) einen grosszügigen Tisch in schlichter Silhouette. Auf einem monolithischen Fuss aus hochglänzendem Stahl liegt eine geschliffene Tischplatte aus grauem Marmor. Das Grau des Steins, die exquisite Maserung und die subtilen blauen Untertöne verleihen dem Entwurf eine raffinierte Note. Der Sockel ist in Grau, Schwarz oder Dunkelrot erhältlich.
In klassischem Weiss oder Schwarz zeigt sich die Tisch-Familie «Odette» (6) beim Hersteller Lithos Design: Die tiefschwarze Oberfläche aus Nero-Marquina-Marmor hebt dabei die besondere Form hervor und betont das Zusammenspiel von Rundungen, Balance und Lichtreflexen, während die weisse Version in Arabescato-Vagli-Marmor eine nahezu theatralische Eleganz in den Raum bringt. Die deutsche Marmor-Manufaktur Draenert lancierte den Esstisch «Kent» (7) in neuer Trapeza-Form. Sie verleiht dem markanten Entwurf eine zusätzliche Dimension: Runde Elemente verbinden sich mit quadratischen. Die beiden Aluminiumguss-Halbschalen des Unterbaus garantieren eine hohe Standfestigkeit sowie viel Beinfreiheit. Je nach Wahl der Tischplatte unterstreicht die geschwungene Struktur der Natursteinmaserung die Dynamik des Designs. Elegant ist die Variante in haselnussfarbenem Breccia-Sarda-Marmor.
Marmor in ungewohnten Farben
Sein Comeback feiert ein Marmor-Klassiker aus den 1970er-Jahren: Der italienische Altmeister Angelo Mangiarotti entwickelte damals mit «Eros» (9) eine Tischserie, die komplett aus Marmor gefertigt ist. Im radikalen Entwurfsansatz setzte Mangiarotti die Schwerkraft als zentrales konstruktives Element ein: Ohne Schrauben oder Verbindungselemente wird die Platte präzise in die Beine eingelassen und verbindet Stabilität mit formaler Eleganz. Gleichzeitig sind die sich ergebenden Verbindungen ein Gestaltungselement, aus denen sich die Form ableitet. Hersteller Agapecasa präsentiert die Neuauflage des Möbels in verschiedenen Ausführungen: ganz klassisch in weissem Carrara-Marmor, aber auch in rosa Portogallo-Marmor, dessen aussergewöhnliche Farbgebung für Möbel dieser Art selten ist. Rosa, Grün und Weinrot ergänzen dieses Jahr die Klassiker Weiss und Grau. Michael Anastassiades entwarf für den dänischen Hersteller Fritz Hansen die geometrisch-klare Serie «After» (3), die Stühle und Tische umfasst. Der in London lebende zypriotische Designer wählte dabei für die runde Tischplatte neben Esche Rosso-Levanto-Marmor – das kräftige Weinrot kontrastiert mit den hölzernen Beinen.
Selbst Couchtische zeigen sich gern in marmorner Gestalt. So hat das Studio Gumdesign für den Hersteller Antonio Lupi die Kollektion «Paesaggi Sospesi» (8) entworfen. Dünne, schwarz lackierte Stahlprofile tragen dabei Marmorplatten in verschiedenen Formen und Grössen. Alleine oder kombiniert zu kleinen Gruppen machen sich die Tischchen sowohl im Wohnzimmer als auch im Badbereich gut. Auch Konsolen treten derzeit gerne im Trendmaterial Marmor auf. So nutzte das Studio Ferriani Sbolgi für Potocco den Stein in der Serie «E Claire» (5), die unter anderem einen wandmontierten Konsolentisch und einen freistehenden Konsolentisch umfasst. Die Kollektion erinnert an die Silhouette französischer Eclairs, daher der Name. Eschenholz und Marmor vereinen sich darin zu einem raffinierten Entwurf. Sogar Regale hüllen sich derzeit in Marmor. Im modularen Bücherregal «Pagina» (4) – einem Entwurf des Architekturbüros Migliore + Servetto für den Hersteller Neutra – treffen Stein- und Metallelemente aufeinander.
Marmor als Wandverkleidung
Ungewohnt ist dagegen noch die Anwendung von Marmor als Wandelement. Der Hersteller Sapienstone und der spanische Innenarchitekt Jaime Beriestain spannten für die exklusive Kollektion «Dresscode» (2) zusammen. Er wolle einen Massanzug für den Raum schaffen, sagt der Innenarchitekt. Dafür liess er sich von der eleganten Ästhetik Pariser Stadtpaläste inspirieren. An diese Pracht knüpfen unter anderem Oberflächen aus Marmor an, so beispielsweise aus Fior di Viola. Der Stein ist durchzogen von burgunderfarbenen Adern. Für seinen Einsatz als Wandverkleidung kam die 4D-Technologie zum Einsatz, welche die Gestaltung von Oberflächen mit Tiefe und Bewegung ermöglicht und ein Gefühl von Luxus und Einzigartigkeit vermittelt. «Jedes Stück ist nicht nur funktional, sondern fügt sich nahtlos in den Raum ein und bereichert ihn mit Raffinesse und Charakter», erklärt Beriestain.